Kapitel 1
Die Regeln der Welt
Als Heranwachsende lernen viele von uns, dass alles schwierig sein soll. Schule, Sport, Beziehungen, Beruf und Familie erfordern harte Arbeit. Das Leben ist schwer, aber wenn du härter arbeitest als alle anderen, dann hast du eine Chance auf Erfolg. Du musst tough sein, um deine Konkurrenten zu schlagen. Du musst angespannt sein, um zu beweisen, wie hart du arbeitest. Wenn du dich entspannst, wirst du überholt und vergessen. Dann wirst du nie deine Ziele erreichen. Ohne Fleiß kein Preis. Kommt dir das nicht bekannt vor?
Diese Regeln haben Eingang in jeden Aspekt unseres Lebens gefunden. Wir sind stolz darauf, wie viel wir auf uns nehmen und wie viel wir erreichen können. Wir erkennen nicht den Schaden, den wir dabei anrichten. Wenn wir nach diesen Regeln leben, verlieren wir das Gefühl dafür, was wir wirklich brauchen und was uns wirklich glücklich machen würde.
In unserem Alltag stehen wir innerlich oft auf Kriegsfuß mit uns selbst. Wir geraten mit vielem in Konflikt, was uns in die Quere kommt. Wie wir uns in unserem Inneren fühlen, beeinflusst unsere Gefühle für alles um uns herum. Wenn wir abgestumpft, besorgt, angespannt oder frustriert sind, kann uns die kleinste Abweichung von unseren Plänen total aus der Bahn werfen. Wir verlassen uns auf unser Kartenhaus, das den Irrungen und Wirrungen des Lebens standhalten soll. Wenn wir ruhig, geerdet, zentriert und sensibel sind, erschüttert es uns nicht so sehr, wenn nicht alles so läuft, wie es soll. Wenn wir mit unseren Gefühlen und Bedürfnissen in Kontakt sind, haben wir genug Raum, um uns zu beruhigen, zu konzentrieren und zu tun, was wir in der jeweiligen Situation tun müssen, ohne dass Nervosität und Stress die Oberhand gewinnen.
Wenn wir die Verbindung zu uns selbst verlieren, machen wir die Schotten dicht und suchen nach Raum und Wohlbehagen, wo wir beides finden können: Zucker, Fett, Koffein, Fast Food, Frittiertes – such dir dein Laster aus – werden unsere Freunde. Sie helfen uns dabei, die Anspannung wegzustopfen, und geben uns vorübergehend Frieden. Unglücklicherweise haben unsere bösen neuen Freunde keine guten Absichten. Sie katapultieren uns in einen Teufelskreis aus Anspannung und Linderung und halten uns gefangen in den Folgen schlechter Gewohnheiten: einem unausgewogenen Leben, Gewichtszunahme, Krankheit und einem schlechten Selbstwertgefühl.
Statt unsere Träume zu verwirklichen, unsere Ziele zu erreichen und das Leben zu genießen, bleiben wir oft in zunehmender Anspannung, Frustration und Unruhe stecken. Das manifestiert sich in einer aufgewühlten Einstellung zu unserem Körper und unserem Geist. Wir finden Wege, uns selbst zu bestrafen und zu belohnen, und entwickeln alle möglichen selbstschädigenden Verhaltensweisen. Das reicht von destruktiven Gedankenmustern bis zu unausgewogenen und ungesunden Beziehungen zum Essen, zu uns selbst und zu den Menschen in unserem Leben. Unsere Intuition kann uns nicht helfen, wenn wir uns so weit von ihr entfernen. Wir müssen mit ihr verbunden sein, um navigieren zu können. Erst wenn wir innerlich zur Ruhe kommen, beginnt sich die Anspannung zu lösen. Das führt uns zurück auf den Pfad der Intuition, der uns direkt in Kontakt mit unserem besten Selbst bringt.
Nahrung und Gesundheit
Wenn man bedenkt, was der Kontaktverlust mit uns selbst für unsere Gesundheit und unsere Beziehung zum Essen bedeutet, kann man wirklich Angst bekommen. Essen sollte eine der größten Freuden im Leben sein. Wir essen bei geselligen Anlässen und Familientreffen. Essen ist ein Zeichen von Gemeinschaft. Wir essen mit Freunden und Geliebten und für uns allein. Wir essen zur Nahrungsaufnahme und zum Spaß. Wir essen, um zu feiern. Wir essen, wenn Essenszeit ist. Wir essen mehrmals am Tag, und das täglich.
Als Kinder genießen wir das Essen ohne Sorgen oder Schuldgefühle. Wir essen, wenn wir hungrig sind. Wir lieben das Gefühl, wenn etwas lecker schmeckt. Wir lieben das Gefühl, nach einem tollen Essen richtig satt zu sein. Wir nutzen die gewonnene Energie zum Spielen. Wenn wir neuen Kraftstoff brauchen, holen wir uns etwas Leckeres zu essen.
Doch schon früh schalten wir durch die Regeln der Gesellschaft vom genuss- und gefühlsbasierten Essen zum analytischen und sorgenvollen Kalorienzählen um. Dieses Denken verdrängt jeden Spaß und jede Freude aus dem Erlebnis des Essens. Bald werden wir in einen Strudel aus Zwängen und Befürchtungen hineingezogen. Etwas Leckeres verwandelt sich in etwas, was man nicht essen sollte oder was viel zu viele Kalorien hat. Das Sättigungsgefühl nach einem schönen Essen wird zersetzt von Reue und Schuldgefühlen. Wir nutzen die gewonnene Energie, um uns Sorgen zu machen und unter Druck zu setzen, anstatt zum Spielen. Wenn wir doch einmal spielen, analysieren wir auch das. Wir wählen unser Spiel danach aus, wie viele Kalorien dabei verbrannt werden. Spielen wird zu einer frustrierenden, angstbasierten und kalorienzehrenden Pflicht. Wir haben keinen Spaß mehr am Essen und keinen Spaß mehr am Spiel.
Wenn wir nicht mehr auf unser Gefühl vertrauen und stattdessen die Zahl der aufgenommenen und verbrannten Kalorien zählen, legen wir uns ziemlich strenge Regeln auf, die einfach nicht funktionieren. Die erzielten Ergebnisse sind nie so gut wie geplant. Wenn wir unser Scheitern beim Kalorienzählen und -verbrennen denselben Kriterien unterziehen würden wie unsere Finanzen, würden wir ernste Probleme bei Steuerprüfungen und Rückzahlungen bekommen und müssten hohe Bußgelder zahlen.
Die Konzentration aufs Kalorienzählen und -verbrennen entfernt uns noch mehr von uns selbst und nährt die falsche Auffassung, dass wir analysieren und nicht fühlen sollten. Wir entfremden uns immer mehr von unserer Intuition und ringen mit einem falschen Verhaltensmuster von Strafe und Belohnung: Aus schlechtem Gewissen reduzieren wir Kalorien; wir machen Sport, sind stolz und belohnen uns mit Essen; dann fühlen wir uns wieder schlecht, und alles beginnt von vorn.
Strafe und Belohnung bilden einen Kreislauf, in den wir in unserem geschäftigen Leben nur allzu leicht hineingeraten. Die Arbeitswelt ist hart. Das Familienleben ist zeitaufwendig. Unsere Terminpläne sind randvoll. Wir haben keinen Platz mehr für uns selbst. Während unseres stressigen Alltags gibt es keine Gelegenheit, in uns hineinzufühlen. Bald verlieren wir sogar den Wunsch danach. Es ist viel einfacher, auf Autopilot zu schalten, unsere Gefühle hinunterzuschlucken und die Dinge hinzunehmen statt in uns aufzunehmen. Wir häufen Gewicht, Verantwortung und Ballast an und haben kein Ventil, um uns davon zu befreien.
Selbstverlust
Wenn es darum geht, gesund zu werden, müssen wir uns nicht nur Gedanken über den Kreislauf von Strafe und Belohnung machen, der uns desensibilisiert. Wir müssen uns auch mit unserer Lebensmittelversorgung, dem gesellschaftlichen Druck und anderen Dingen befassen, die uns immer weiter weg von uns selbst führen. Selbst natürliche Lebensmittel werden heute oft so stark verarbeitet, dass sie mit ihrer Ursprungsform nicht mehr viel gemein haben. Man will damit unser Gefühl von Versagen und Enttäuschung ausnutzen. Süßstoffe, Salz, Chemikalien, Farbstoffe und Geruchsaromen täuschen uns vor, dass alle unsere Probleme gelöst würden, wenn wir eine Tüte Kartoffelchips aufessen, eine große Packung Eiscreme leer schlecken oder nach einem stressigen Tag auf dem Nachhauseweg noch schnell am Drive-in vorbeifahren.
Ganze Teams von hochbezahlten Beratern finden Wege, uns dazu zu bringen, Junk Food in großen Mengen zu verzehren, damit wir süchtig danach bleiben. Es ist gleichzeitig tröstlich und beängstigend, dass vieles an dem ganzen Nahrungsmittelirrsinn gar nicht unsere eigene Schuld ist. Es liegt daran, was in unserem Essen steckt und wie man es an uns vermarktet. Zu wissen, welche Arten von Junk Food erhältlich sind und wie sie uns schaden, wenn wir sie regelmäßig zu uns nehmen, ist eine wertvolle Information. Sie kann uns dazu motivieren, uns natürlicher zu ernähren, um uns besser zu fühlen.
Wir alle sind uns bis zu einem gewissen Grad bewusst (je nachdem, wie viel wir im Internet recherchiert haben und wie viele Landwirte oder Insider aus der Nahrungsmittelbranche wir kennen), dass uns die moderne Lebensmittelindustrie dick und krank macht und uns schlimmstenfalls tödlich endende Krankheiten einbringt. »Die Fettleibigkeit hat derartig zugenommen, dass die derzeitige Generation von Kindern die erste in der Geschichte der Vereinigten Staaten sein könnte, die kürzer und ungesünder leben wird als die ihrer Eltern«, sagte Dr. David S. Ludwig, Leiter des Fettsuchtprogramms an der Bostoner Kinderklinik, in einem Interview mit der New York Times. Eine kürzere Lebensspanne ist aber nicht das einzige Risiko. Auch die Lebensqualität wird beeinträchtigt. Typ-2-Diabetes, Herzerkrankungen, Nierenversagen und Krebs betreffen immer öfter immer jüngere Menschen.
Abgesehen von den Dingen, die in unserer eigenen Nahrungsmittelversorgung schieflaufen, sind wir einem unglaublich hohen Druck durch die Werbung und die Medien ausgesetzt. Die mit Photoshop bearbeiteten Bilder in den Zeitschriften sind eine hochgradig verzerrte Version der Wirklichkeit. Sie wollen uns glauben machen, dass wir alles an uns verändern müssen, um uns an ein unrealistisches Idealbild anzupassen. Wir verlieren die Tatsache aus den Augen, dass wir in Wahrheit alle schön und einzigartig sind. Wir werden geboren, um unsere individuelle Ausstrahlung zu entwickeln, nicht um in eine künstlich erzeugte Schablone zu passen, die keinem lebenden Menschen ähnelt. Im Digitalzeitalter kann unser Körperbild leicht verzerrt werden,...