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E-Book

Berlin-Express-Historie

AutorAlbrecht Behmel
Verlag110th
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl53 Seiten
ISBN9783958652378
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis1,99 EUR
80.000 Jahre in 42 Schlückchen: Die Berliner Expresshistorie In 42 kriminell verkürzten Kapiteln zur Geschichte Berlin-Brandenburgs von der Eiszeit entfalten sich Hintergründe, Entwicklung und Herkunft der modernen Bundeshauptstadt: 'Aufgemotzt, schnell, kenntnisreich, politisch unkorrekt und voller Wortwitz, aus dem eine tiefe Verbundenheit mit der Berliner Schnauze spricht.' Dazu gibt es respektlos-schnoddrige Tipps für Bücher, Filme und Ausflüge in die Region.

Albrecht hat in Heidelberg und Berlin Geschichte, Philosophie und Politik studiert. Seit 1999 ist er Autor für Film, Print, Radio und TV, unter anderem für UTB, SR, ARTE, Pro7/Sat1 und den RBB. Er lebt seit 2012 mit seiner Frau Afraa und seinen Söhnen Wieland und Orlando im Schwarzwald.

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Leseprobe

 

Am Anfang war es hier schon fast genau so, wie es mit den Berlinern heute immer noch ist, nämlich, erst bisschen frostig und kühl, aber kaum ist das Eis gebrochen, gehts richtig los! Ganz am Anfang, in der Eiszeit, vor 80.000 Jahren wars hier nämlich auch ganz schön eisig, besser gesagt, urst kalt, und als die ollen Urstmenschen im französischen Lascaux schon den Sonnenbrand erfunden hatten, da mussten wir hier in Berlin noch lange Eis zapfen und Schnee pflügen und 70.000 Jahre auf Tauwetter warten, bis es endlich soweit war, dass sich die Sonne für die Region Berlin-Brandenburg erwärmen konnte. Um es gleich zu sagen: Die richtigen Berliner sind erst später auf der Bildfläche erschienen, homo sapiens sapiens, auf gut Deutsch gesagt, vernünftige vernünftige Menschen. Die andern Rüpel, die bei uns hier zur Eiszeit rumgetrampelt sind, haben sich Neandertaler genannt und waren zwar auch schon einigermaßen vernünftig, aber eben noch nicht genug und deswegen sindse auch ausgestorben. Ob die Neandertaler nun an unseren Seuchen ausgestorben sind oder obse sich mit uns vermischt haben (kieckn Se ma' in Spiegel!) oder ob wirse schlecht und ergreifend aufgefressen haben, weiß heute keiner mehr genau. Auf alle Felle sind sie plötzlich eiskalt verschwunden, samt Pelzbikini, Zahnkette und Keule. Hinsichtlich der Gletscher fällt Berlin in Europa nicht aus dem Gerölle: Der ganze Norden war vollvergletschert und rundumvereist, da war nüscht mit Höhlenmensch, höchstens Käptn-Iglu … Wer also vernünftig vernünftig war, der ist ab in den Süden oder nach Westdeutschland, hat dort 'nem Mammut auf den Rüssel gehauen und die Permafrostschinken heimgebracht mit dem Gletscherexpress nach Mitte-Friergarten oder Waidmannsfrost. So ein typischer Gletscher kam von Norden her rein, aus Skandinavien, und wenn man heute mit dem Zug von Berlin nach Rostock fährt, in die ehemalig schwedisch besetzte Zone, kommt man durch so kleine Hügel durch, das sind eisfreie Endmoränen, bis zu 170 Meter hoch; als übrig gebliebener Zahnbelag der Gletscherzungen. Wie es mit den Leuten gekommen ist, als das Eis endlich geschmolzen war, das hören wir gleich: Dann kommen sie, die Ur-Berliner! Und gleich vom ersten Augenblick an hatten se Kultur und Fortschritt zu verzeichnen gehabt, ungelogen!

 

 

Geologen sprechen von Eiszeit oder Kaltzeit, während die Prähysteriker lieber von Steinzeit reden, da die Berliner, wie alle anderen vernünftigen vernünftigen Menschen damals auch, alles aus Stein gemacht haben, was heute Plastik ist. Jetzt gibt es zwar in Berlin nicht so viele Steine, aber das macht nüscht, weil es ja nur ganz wenige Leute waren, paar Dutzend Familien bloß, sodass es immer genug Parkplätze gab. Anno minus 5.000 ging’s los mit Berlin; da sind die Ersten hier angekommen, (genauer gesagt, irgendwo bei Tegel, wo sonst?), haben ihren Schotter gezählt und sind einfach dageblieben. Und so beginnt die Berliner Geschichte ohne Eis umgehend mit der Neolithischen Revolution, die Zeit der bekloppten Steine, als man beschlossen hatte, dass die ewige Nomadisiererei den Rentiern hinterher sich nicht mehr rentiert hat und dass es doch besser sein würde, gesäßhaft zu werden und vernünftige vernünftige Landwirtschaft zu betreiben. Aber jetzt erst mal der Spur der Steine nach! Berlin lag und litt nämlich schon immer irgendwie an einem Grenzverlauf. Damals war’s nur nicht wie später der Ost- und der Westblock, sondern die Glockenbecherkultur und die Trichterbecherkultur, die sich vermutlich gegenseitig auch nicht leiden konnten. Direkt an der Front von Glockenbechern und Trichterbechern, dem sogenannten Steinernen Vorhang, lag unser Berlin und hat drauf gewartet, entdeckt und gegründet zu werden; das hat wenigstens Konrad Jadzewski behauptet, ein epochemachender Prähistoriker. Er hat uns auch eingetrichtert, warum die Trichterbecherleute so ungemein erfolgreich waren: Das Klima war ein Optimum fürs Volk, was heißt, dass es hier früher wärmer war als heute, immerhin durchschnittlich zwei Grad – und das alles ganz ohne CO2. Ob die Trichtabechaleute och schon berlinert ham? Na, ick kann ma ja nüscht anderet vorstelln. Aber wir wollen uns mal nicht zu lange in der Steinzeit aufhalten!

 

 

»Den Trichterbecher in seim Lauf hält weder Ochs noch Esel auf!« So ähnlich wollten das ja die Steinzeitkommunisten haben, aber wie immer kam alles vollkommen anders, nämlich wieder 'ne Revolution, wenn auch keine so friedliche wie die letzte bei der Wende oder grade eben mit der Jungsteinzeit. Denn auf einmal hatte so ein Kupferstecher im Irak ausklamüsert, wie man Erz bearbeitet und hatte damit durchschlagendsten Erfolg bei seinem Nachbarn, denn von da an waren die olln Steinwerkzeuge im Vergleich dazu wie ein Trabi neben einem Range Rover. Über Umwege sind diese bestechenden Niedermachwerke zu uns gekommen, bis die Trichterbecherleute selber auf den Trichter gekommen sind, wie man Metall kocht, erst Kupfer, und dann, weil es Hertha is, auch mal Bronze. Die Berliner hießen in dieser Zeit aber immer noch nicht »Berliner«, sondern »Lausitzer Kultur« und die bestand unter anderem darin, dass wir die Sonne angebetet haben, Haustiere gehalten haben, dicht besiedelt waren und Müll hinterlassen haben – genau wie heute. Im Schloss Wolfshagen gibt es dazu eine Ausstellung über das Königsgrab von Seddin, mit königlichen Rasiermessern – so was hat nicht jeder bekommen, und darum muss es sich bei dem Erzhalunken im Museumsgrab eben um so was wie einen König gehandelt haben. Meistens dienten die Kupferwaren aber nicht einem königlichen Kinn, sondern der vorchristlichen Nächstenhiebe, immer feste druff auf die Glockenbecher! Und damit stand jetzt die Bronze als unbestrittenes Edelmetall da, bis sie dann selbst wieder abgelöst wurde. Doch zum alten Eisen gehörte sie deshalb noch lange nicht. Weil nun leider die Schrift unbekannt war, weiß man bis heute keinen einzigen Namen von den ersten kulturschaffenden Berlinern … Aber sonst haben wir alles ganz gut gemacht …

 

 

Was wir auch ganz gut gemacht hatten, war die Eisenzeit gewesen. Nach der Bronze kam nämlich Eisen groß in Mode, anno 700 vor Christus unserer Zeit. Das war, als man sich grade so schön an sein olles Brongsezeug gewöhnt hatte; da wurde schon wieder nachgerüstet, und das wurde teuer. Wenn die olle Steinaxt wie ein Trabbi war, und die Bronzeklinge schon bisschen schicker, dann war so ein Eisenschwert Marke Jastorfkultur eine Luxuskarosse von Rolls Rost. Wir hatten die Wahl: Jede Menge Bernstein blechen oder über die Eisenklinge springen. Manche meinen, dass mit der Erfindung der Eisenwaffen auch die Kriege erst so richtig angefangen haben, und wenn sich einer im Studienschwerpunkt »Krieg und Blutvergießen« so richtig gut ausgekannt hat, dann sind das die alten Skythen gewesen, ein schneidiges Reitervolk aus’m Osten, die haben auf der einen Seite würglich brutale Sachen mit den Leuten angestellt, aber andererseits hamse wunderschönen Schmuck hergestellt, wo sich die heutigen Glockentrichter im Fernsehen mit ihrem Teleshop ruhig mal 'ne Scheibe abschneiden könnten. Diese gepiercten Skythen sind auf ihren Pferden auch zu uns nach Schlachtensee oder Verwursterhausen geritten gekommen und haben uns gezeigt, was eine Hungerharke ist. Glücklicherweise haben die es hier nicht lange ausgehalten und sind weitergeritten, über die Elbe, um die Leute dort von ihrem Eisenmangel zu kurieren. Bei uns war eben einfach nicht viel zu holen; daran war aber kein Senat Schuld, sondern das Geld an sich war noch nicht erfunden. Berlin lag, wie gesagt, immer irgendwie zwischen den Fronten, und in der Zeit um 700 vor Christus waren wir zwischen den Kelten im Westen und den Wenden im Osten eingekeilt. Alle drei, die Berliner, die Kelten und die Wenden haben ganz flüssig indoeuropäisch gesprochen, was aber nicht heißt, dass man sich gegenseitig verstanden hätte. Den gleichen Effekt haben wir heute, wenn wir nach Leipzig fahren und es angeblich auch indoeuropäisch ist, was die da unten von sich geben. Östlich von der Elbe, und damit hier in Berlin, sind die Kelten als Siedler nie gewesen. Und so kommt's, dass wir hier keine keltischen Ortsnamen haben, wie sonst fast überall in der Resterepublik, sondern mehr slawische Namen wie zum Beispiel Leipzig, was mit Linden zu tun hat oder die Glienicker Brücke, was mit Lehm zu tun hat, natürlich das Wort Glienicke und nicht die Brücke selber, die ist aus Stahl und das konnten wir damals nur wirklich noch nicht kochen. Dafür brauchts erst den Berliner Industriekaiser Augustus Borsig und der kommt später dran.

 

 

Als die Römer frech geworden, da waren das für uns hier in Berlin römische Dörfer. Denn bis zu uns haben sich die Sandalenträger nicht vorgetraut: Keine Römer und keine Kelten, was aber nicht heißt, dass diese Altphilologen nüscht von uns gewusst hätten. Augustus, seines Zeichens römischer Impertinator, wollte sein Imperatorium bis an die Elbe ausdehnen, aber dann nicht weiter, was in meinen Augen ein eindeutiger Beweis dafür ist, dass er von der Existenz von Berlin einfach gewusst haben muss. Denn: Wenn die Berliner Römer geworden wären, dann wäre die Weltgeschichte ganz anders abgelaufen, und das wollte seine Imperatinenz nicht. Sogar die Ostsee hat damals noch einen lateinischen Namen...

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