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E-Book

Neurologische und neuropsychiatrische Aspekte der HIV-Infektion

Grundlagen, Diagnostik und Therapie

AutorGabriele Arendt
VerlagKohlhammer Verlag
Erscheinungsjahr2007
Seitenanzahl318 Seiten
ISBN9783170266582
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis16,99 EUR
Seit Einführung der hochaktiven antiretroviralen Therapie (HAART) in die Behandlung der Infektion mit dem humanen Immundefizienz-Virus (HIV) ist diese zu einer chronischen Erkrankung geworden, die dem praktisch tätigen Arzt im Krankenhaus und in der Praxis jederzeit begegnen kann. Für 'Neuro-AIDS' als relativ junge Erkrankung gibt es noch kein Grundlagenwissen, dessen Erwerb zusätzlich durch wandelbare Präsentationsformen der Symptome und Erweiterung therapeutischer Möglichkeiten erschwert ist. Diese Lücke füllt das Buch, das sich gleichermaßen an Ärzte, Studierende und interessierte Laien wendet. Ein patientenrelevanter Informationsteil gibt Betroffenen die Möglichkeit, sich Kenntnisse über sozialrechtliche Folgen ihrer Erkrankung anzueignen.

Prof. Dr. Gabriele Arendt ist Oberärztin an der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums Düsseldorf.

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Leseprobe

2 Epidemiologie und Genetik des Virus


Weltweit leben zurzeit 40,3 Millionen Menschen mit HIV/Aids. 2005 infizierten sich knapp fünf Millionen Menschen neu mit dem Virus; 3,1 Millionen Menschen starben allein 2005 an der Seuche, wobei nach wie vor der Pandemie-Gipfel im subäquatorialen Afrika liegt.

Die antiretroviralen Therapien haben bewirkt, dass die Zahl der Aids-Toten in industrialisierten Ländern zu begrenzen ist.

Präventionsstrategien wurden insbesondere in Ländern, in denen sich die Hauptmuster der HIV-Übertragung verlagern, viel zu langsam angepasst.

Ende 2005 erschienen weltweite Mitteilungen – auch in Deutschland – zu steigenden Infektionszahlen in der Hauptbetroffenengruppe der homo- und bisexuellen Männer, wobei bereits seit 2003 Berichte zu steigendem Risikoverhalten zu verzeichnen sind. Eine amerikanische Studie in Baltimore, Los Angeles, Miami, New York City und San Francisco zeigte deutliche regionale Unterschiede; so ist die HIV-Inzidenz unter homo- und bisexuellen Männern in San Francisco geringer als in der Vergangenheit geschätzt; in Baltimore fand sich jedoch eine HIV-Inzidenz von 8 % in der gleichen Hauptbetroffenengruppe. 40 % der an der Studie teilnehmenden Männer wurden HIV-positiv getestet; 62 % dieser positiven Teilnehmer waren sich ihrer Infektion nicht bewusst. In den Vereinigten Staaten nimmt man an, dass etwa ein Viertel der HIV-positiven Patienten sich seiner Infektion nicht bewusst ist.

Aids hat sich unter männlichen Afro-Amerikanern der Altersgruppe zwischen 25 und 54 Jahren zu einer der drei häufigsten Todesursachen entwickelt und ist die Todesursache Nr. 1 unter weiblichen Afro-Amerikanerinnen in der Altersgruppe zwischen 25 und 34 Jahren.

In Westeuropa leben mehr als eine halbe Million Menschen mit dem HI-Virus, wobei es in einigen Ländern Anzeichen für ein Wiederaufflammen risikoreicher Verhaltensweisen gibt. Die große Veränderung war die Entwicklung heterosexueller Kontakte als dominante Ursache neuer HIV-Infektionen in mehreren Ländern. Ein Drittel der Neuinfektionen betrifft Frauen.

Seit 2002 ist die Gesamtzahl der jährlichen HIV-Neudiagnosen, die aus homosexuellem Geschlechtsverkehr resultieren, leicht zurückgegangen. Betrachtet man jedoch die einzelnen Länder, ist es in Belgien, Dänemark, Portugal und der Schweiz zu einem leichten, in Deutschland zu einem bedeutenden Anstieg gekommen. So hat sich die Zahl der HIV-Neudiagnosen bei homo- und bisexuellen Männern von 2001 bis 2004 verdoppelt. Auch der dramatische Anstieg anderer sexuell übertragbarer Erkrankungen wie der Syphilis zeigt das Versagen der Präventionsstrategien. Eine Studie in einer ambulanten Klinik für sexuell übertragbare Krankheiten in Barcelona verzeichnete einen Anstieg der Syphilis-Diagnosen für den Zeitraum 2002 bis 2003 im Vergleich zum Zeitraum 1993 bis 1997 (Vall Mayans et al., 2004). Außer dem offensichtlich veränderten Risikoverhalten von homo- und bisexuellen Männern in den letzten Jahren zeichnet auch der stetige Anstieg der HIV-Infektion bei Frauen verantwortlich für die Zunahme der HIV-Neudiagnosen. In Belgien, Dänemark, Frankreich, Deutschland und Schweden sind etwa ein Drittel der HIV-Infektionen heterosexuellen Kontakten zuzuschreiben, die sehr oft im Ausland, so im subäquatorialen Afrika stattfinden. Problematisch ist hier insbesondere in den industrialisierten Ländern die Gruppe der Migranten, die sich oft ihres Virusstatus nicht bewusst ist. So stellen in den 18 westlichen europäischen Ländern mit HIV-Daten für das Jahr 2004 Frauen einen Anteil von 35 % aller Neudiagnosen (im Vergleich zu 25 % im Jahr 2000).

Westeuropa und Nordamerika sind die Regionen der Welt, in denen die überwiegende Mehrzahl von Menschen mit einer HIV-Infektion auch die notwendigen antiretroviralen Medikamente bekommt.

Abb. 2.1: Schätzung HIV-positiver Erwachsener und Kinder 2005, nach UN-AIDS, 2005. In den letzten zwei Jahren ist die Zahl der HIV-Positiven nahezu überall in der Welt gestiegen; in der Karibik, der am zweitstärksten betroffenen Region der Welt, hat sich die HIV-Prävalenz 2005 im Vergleich zu 2003 jedoch nicht verändert.

So geht in Westeuropa die Zahl der Todesfälle, die auf Aids zurückzuführen sind, in den letzten Jahren deutlich zurück, von 2000 bis 2005 um 42 %. In Osteuropa, wo Betroffene nur eingeschränkten Zugang zu wirksamen Medikamenten haben, hat sich die Zahl der Aids-Toten hingegen seit 2000 verdreifacht (EuroHIV 2005).

Trotz Einführung der hochaktiven antiretroviralen Therapien in den meisten Regionen der Erde hat die Aids-Pandemie im Jahr 2005 insgesamt 3,1 Millionen Opfer gefordert, darunter mehr als eine halbe Million Kinder.

Abbildung 2.1 zeigt eine Schätzung der Anzahl HIV-positiver Menschen weltweit im 3. Jahrtausend.

Tabelle 2.1 zeigt den Anteil der weiblichen Bevölkerung an der Pandemie als Vergleich zwischen Ende 2003 und 2005. Man sieht, dass in West- und Mitteleuropa sowie Nordamerika der Anteil betroffener Frauen zwischen 25 und 27 % liegt, in den meisten anderen Regionen der Welt jedoch bei etwa 50–57 %.

Alle Anstrengungen, die in den vergangenen Jahrzehnten im Kampf gegen Aids unternommen wurden, werden der Geschwindigkeit der sich ständig ausbreitenden Epidemie nicht gerecht. Die hochaktive antiretrovirale Therapie wird zwar auch in Ländern wie Argentinien, Brasilien, Chile und Teilen der Karibik eingesetzt, erreicht jedoch längst nicht alle Menschen, die ihrer bedürften. In Ländern Lateinamerikas, der Karibik, Osteuropas, weiten Teilen Asiens und nahezu allen Ländern des südlichen Afrika: bestenfalls einer von zehn Afrikanern und einer von sieben Asiaten erhielt 2005 im Bedarfsfall eine hochaktive antiretrovirale Therapie. Um gegen die Pandemie erfolgreich zu sein, müssen Faktoren wie soziales Ungleichgewicht und Armut politisch mit sehr viel mehr Entschlossenheit angegangen werden. Neben dem Kampf gegen Diskriminierung, Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern und anderen Menschenrechtsverletzungen, müssen die durch Aids entstehenden sozialen Probleme gelöst werden, wie z. B. die Verwaisung ganzer Generationen von Kindern.

Festzuhalten bleibt, dass bestimmte Präventionsstrategien greifen, jedoch nicht in ausreichendem Maß, und dass zu fürchten ist, dass sie, wenn sie kein Ziel finden, ihre Wirksamkeit wieder einbüßen, was sich bedauerlicherweise an der Zunahme der Infektionsraten homo- und bisexueller Männer in Nordamerika und Westeuropa zeigt. Dies macht Abbildung 2.2 deutlich.

Es ist bewiesen, dass präventive Bemühungen am erfolgreichsten sind, wenn sie umfassend und langfristig angelegt sind. So führten intensive Präventionsprogramme in der Mbeya-Region in Tansania von 1994 bis 2000 zu einem stärkeren Gebrauch von Kondomen und einer konsequenteren Therapie von Geschlechtskrankheiten. Diese Fortschritte waren von einem Rückgang der HIV-Prävalenz unter den 15- bis 24-jährigen Frauen begleitet (Jordan-Harder et al., 2004). Epidemiologen sprechen von unterschiedlichen Aids-Epidemien je nach betroffener Bevölkerungsgruppe und von sogenannten gruppenspezifischen Präventionsstrategien. Außerdem werden in der Prävention Entwicklung und Umsetzung neuer Methoden ein entscheidender Faktor werden, so z. B. der Einsatz von Mikrobiziden und die Verbesserung bereits vorhandener Produkte wie des Kondoms für Frauen. Ein wesentlicher Schritt in die richtige Richtung wäre die Entwicklung von Impfstoffen, die sich allerdings problematisch gestaltet (s. Kap. 8). Behandlungs- und Präventionsstrategien müssen komplimentär sein. Mathematische Modelle zeigen, dass bei rechtzeitigem Ausbau effizienter Prävention und Behandlung parallel zueinander die Vorteile sowohl im Hinblick auf die HIV-Neuinfektionen als auch auf die Zahl der verhinderten Todesfälle am größten ist (Salomon et al., 2005). Präventionsprogramme müssen, um wirklich erfolgreich zu sein, deshalb die Lebensumstände der Menschen berücksichtigen.

Tab. 2.1: Regionaler, prozentualer Anteil HIV-infizierter Frauen an der Gesamtbevölkerung – Vergleich zwischen Ende 2003 und 2005.

Region

Jahr

Anzahl der HIV-positiven Frauen (15–49)

Prozentsatz der Frauen an HIV-positiven Erwachsenen (15–49) (%)

Südliches Afrika

2005

13,5 Mio. [12,5–15,1 Mio.]

57

2003

13,1 Mio. [12,1–14,6 Mio.]

57

Nordafrika und Naher Osten

2005

220.000 [83.000–660.000]

47

2003

230.000 [78.000–700.000]

50

Südasien und Südostasien

2005

1,9 Mio. [1,1–2,8 Mio.]

26

2003

1,6 Mio. [950.000–2,4 Mio.]

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