Allgemein ist nach Gabler das Viral Marketing ein Konzept der Kommunikationspolitik (Promotion) im Marketing-Mix (4Ps) eines Unternehmens. Dieses Konzept beinhaltet eine Vielzahl von Techniken und Methoden, die Kunden dazu animieren sollen, Werbekommunikation über Leistungen und Produkte in elektronischer Form aus eigenen Stücken weiter zu verbreiten. Die Zielsetzung hierbei ist eine virusartige, effiziente und rasante Verbreitung der digitalen Botschaften über die modernen Kommunikationsnetze.[8] Hierzu bedarf es der Auslösung viraler Effekte über eine starke Multiplikatorwirkung, um mit der Botschaft eine kritische Masse zu erreichen, die als Grundlage für eine anschließende „epidemische“ Ausbreitung dienen soll.[9] Nach Corcoran, welcher innerhalb des interaktiven Marketings eine Kategorisierung nach „Earned-, Owned- and Paid-Media“ vornimmt, fällt Viral Marketing in die Gruppe der „Earned-Media“, die er mit der Aussage „When customers become the channel“ beschreibt.[10] Demnach wird der Kunde zum Empfänger wie auch zum Sender einer Botschaft, die ohne Zusatzkosten von Kunde zu Kunde weiterempfohlen wird und somit äußerst impactstark ist.[11]
Die Basis des Viral Marketing bildet das Grundprinzip des Word-of-Mouth-Marketings (Mundpropaganda), welches sich primär auf die persönliche (Face-to-Face) Weitergabe von Informationen über Leistungen und Produkte eines Unternehmens unter den Konsumenten bezieht.[12] Dabei profitieren sowohl das Viral Marketing als auch das Word-of-Mouth-Marketing von der persönlichen Empfehlung, jedoch differenziert sich das Viral Marketing von der Mundpropaganda durch die bereits geschilderte exponentielle Verbreitung der Botschaft. Die Herausforderung des Viral Marketing ist die Beeinflussung der Empfehlungsbereitschaft der Kunden, folglich wird versucht, diese gezielt zu motivieren und ihnen die Weiterleitung der Marketingbotschaften an andere potentielle Kunden zu erleichtern.[13] In Bezug auf die Beeinflussung der Empfehlungsbereitschaft kommt dem Inhalt der Botschaft eine große Bedeutung zu. Die Botschaft selbst sollte wiederrum sowohl für Sender als auch Empfänger emotional ansprechend und/oder nutzenstiftend sein.[14]
Viral Marketing ist in erster Linie eine Frage der Psychologie und nicht der Technologie, daher ist nicht auszuschließen, dass Viral Marketing auch in der Offline-Welt die für eine exponentielle Verbreitung benötigte kritische Masse erreichen kann.[15] Dennoch ist nach Silvermann das Internet das perfekte Medium für Viral Marketing.[16] Die laufende Digitalisierung sowie der anhaltende Social Media Hype machen das Web zum effektivsten und für Viral Marketing am häufigsten genutzten Medium, weshalb sich die Ausführungen dieser Arbeit hauptsächlich auf Viral Marketing mit dem Medium Internet konzentrieren.
Anhand der in diesem Abschnitt vorgenommenen Charakterisierung kann in Anlehnung an Ruoss Viral Marketing im Rahmen dieser Arbeit wie folgt definiert werden:
Viral Marketing ist die anbieterinitiierte Kommunikation zwischen Kunden, welche auf den Wirkungsgrundlagen des Word-of-Mouth-Marketing beruht und gezielt die Empfehlungsbereitschaft der Kunden stimuliert. Sie versucht mit Psychologie, Technologie und Kampagnengut die Multiplikatoreffekte zu unterstützen, so dass eine kritische Masse als Grundlage für eine exponentielle Verbreitung erreicht wird.[17]
Wie unter Punkt 2.1 bereits erwähnt, bildet das Word-of-Mouth-Marketing (Mundpropaganda) die Basis für das Viral Marketing. Jedoch ist das Viral Marketing nicht das einzige Konzept, welches aus der Ausdifferenzierung des ursprünglichen Mundpropaganda-Marketings resultierte und so führt die Vielschichtigkeit dieser Disziplin zu einer verwirrenden Begriffsvielfalt. Die Begriffe Empfehlungsmarketing, Buzz-Marketing, Viral Marketing, Guerilla-Marketing und Fan-Marketing sorgen häufig für Verwirrung und werden teilweise synonym verwendet.[18] Bei der Definition und insbesondere der Abgrenzung der Begriffe zueinander sind in der Literatur wie auch bei den Experten unterschiedliche Meinungen vorhanden, daher soll im Folgenden eine für diese Arbeit gültige Abgrenzung des Viral Marketing in Bezug auf die genannten Begriffe gegeben werden.
Word-of-Mouth-Marketing und Viral Marketing grenzen sich wie unter Punkt 2.1 bereits erwähnt hauptsächlich über die Zielsetzung der exponentiellen Verbreitung des Viral Marketing voneinander ab. Allerdings existiert auch bei der persönlichen Empfehlung, von welcher beide Methoden profitieren, ein Differenzierungsmerkmal. Demnach unterscheiden sich das Empfehlungsmarketing und das Viral Marketing in der Intensität der Auseinandersetzung mit dem Empfehlungsobjekt. Ein Kunde, der mit seinem gekauften Produkt äußerst zufrieden ist, empfiehlt mit hoher Wahrscheinlichkeit die Marke des Produkts an Freunde weiter, wenn diese auf der Suche nach einem vergleichbaren Produkt sind. Hierbei handelt es sich um eine Kundenempfehlung, bei der sich beide Parteien intensiv mit dem Empfehlungsobjekt, also dem jeweiligen Produkt, auseinandersetzen. Findet hingegen jemand einen lustigen Online-Werbespot auf YouTube und er leitet diesen an sein Netzwerk weiter, handelt es sich um Viral Marketing, bei dem die individuelle Auseinandersetzung mit dem Empfehlungsobjekt eher gering ausfällt.[19]
Abbildung 1: Abgrenzung des Viral Marketing gegenüber der Kundenempfehlung
Quelle: Eigene Darstellung, 2014 in starker Anlehnung an Langner, S.30
Entgegen der Folgerung, die den vorherigen Ausführungen eventuell zu entnehmen ist, stellt allein der Besitz des jeweiligen Produkts kein hinreichendes Unterscheidungsmerkmal des Viral Marketing gegenüber der Kundenempfehlung dar. Vielmehr können Konsumenten auch Kundenempfehlungen von Produkten und Dienstleistungen an andere weitergeben, wenn diese lediglich eine positive Einstellung gegenüber dem jeweiligen Empfehlungsobjekt besitzen, wie sie auch durch eine empfangene Empfehlung von Dritten oder durch die Werbung entstehen kann.[20] Letztendlich stellt das Viral Marketing eine sich eher kurzfristig und situativ ergebende „Gelegenheitsempfehlung“ dar, was im Vergleich zu einer Kundenempfehlung eine bessere Stimulierung und Instrumentalisierung der Weiterleitung einer Botschaft ermöglicht.[21]
Die Konzepte des Guerilla Marketing und Viral Marketing beruhen beide sowohl auf einer einzigartigen, kreativen und überraschenden Idee als auch auf der identischen Zielsetzung, mit einem kleinen Budget die maximale Aufmerksamkeit zu erlangen. Diese Analogien sind der Grund weshalb die Begriffe häufig vermischt werden. Das Guerilla Marketing zeichnet sich im Gegensatz zum Viral Marketing allerdings durch ungewöhnliche Aktionen, die hauptsächlich im öffentlichen Raum stattfinden, aus, das heißt, das Guerilla Marketing wird offline praktiziert. Zudem setzt das Guerilla Marketing mehr auf einen Überraschungs- als auf einen globalen Multiplikatoreffekt.[22]
Das sogenannte Buzz-Marketing (engl. Gerücht, Gerede) bedient sich der Konsumenten als Ersatzmedium für die klassischen Medienformen. In einem taktisch geprägten und kampagnenlastigen Vorgehen wird das Ziel verfolgt, Awareness zu generieren, indem eigene Botschaften in die Gespräche der Konsumenten injiziert werden. Mittels einer relevanten und mit einem Neuigkeitswert ausgestatteten Botschaft, die geeignete Zielgruppen erreicht, welche die Botschaft multiplizieren, soll „Begeisterung“ sowie der daraus resultierende Buzz ausgelöst werden. Ein mögliches Vorgehen beim Buzz-Marketing ist der taktische Einsatz von Seeding. Hierbei werden gezielt Botschaften, Videos und Warenproben in einer für den erfolgreichen Aufbau einer Kommunikationskaskade maßgeblichen Personengruppe ausgestreut. Diese Personengruppe können zum Beispiel die hoch vernetzten und kommunikationsfreudigen Hubs (Multiplikatoren) sein oder auch Experten, welche als fachlich versierte Verbraucher durch die Validierung der Botschaft im Falle von Feedbackschleifen den Kommunikationsfluss aufrechterhalten und verstärken.[23] Das Buzz-Marketing unterscheidet sich vom Viral Marketing, wie bereits das Empfehlungsmarketing, in der Art der Auseinandersetzung mit dem Empfehlungsobjekt. Folglich findet beim Buzz-Marketing ebenfalls eine intensive individuelle Auseinandersetzung mit dem Produkt, der Dienstleistung oder der Marke statt und kann als taktisches Mittel des strategisch geprägten Empfehlungsmarketings angesehen werden. Die strategische Hauptaufgabe des Empfehlungsmarketing ist es, online wie offline systematisch Begegnungsmöglichkeiten zwischen Konsumenten zu schaffen und zu erhalten, wobei unter anderem das Buzz-Marketing zum Einsatz kommt.[24] Da das Buzz-Marketing somit zu wesentlichen Teilen auch offline geschieht, ergibt sich hieraus ein weiteres Abgrenzungsmerkmal gegenüber dem Viral Marketing.[25] Das letzte Attribut, in dem sich das...