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E-Book

Couchsurfing im Iran

Meine Reise hinter verschlossene Türen

AutorStephan Orth
VerlagPiper Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl240 Seiten
ISBN9783492970167
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
So haben Sie den Iran noch nie gesehen: »Couchsurfing im Iran« ist der faszinierende Erfahrungsbericht eines Reisenden, der hinter die Kulissen blickt.?  ?Der Journalist Stephan Orth reist durch ein Land, in dem Couchsurfing eigentlich verboten ist. Doch auf diese Weise lernt er den Iran und seine Bewohner hautnah kennen.??  Der Iran ist für Fremde nicht unbedingt ein zugängliches Land. Freizügigkeit ist dort undenkbar, Alkohol verboten. Doch Stephan Orth schafft als Couchsurfer den Sprung auf die Sofas und Perserteppiche unzähliger Haushalte. Dabei lernt er ein?nach außen geheimnisvolles und strenges Land?kennen, das innen vor Lebensfreude und Gastfreundschaft sprudelt.??  Jung, bunt, rebellisch - das authentische Porträt eines jungen Landes?  »Stephan Orth macht da Urlaub, wo andere eine Diktatur führen«, schreibt Leyla?Arfai?von der Buchhandlung Basel in ihrer Lektüreempfehlung. Das macht »Couchsurfing im Iran« zu einer faszinierenden Reisereportage, die den Leser an ungewöhnliche Orte mitnimmt.   »Ein wunderbares Buch« Süddeutsche Zeitung  Orth taucht tief in den Iran ein, erlebt dabei irrwitzige Abenteuer - und ein Land, das so gar nicht zum Bild des Schurkenstaates passt. ?  Abseits des Mainstreams: ein Journalist mit einem Faible für »Länder mit einem schlechten Ruf«?  Der Journalist und SPIEGEL-Bestsellerautor Stephan Orth bereist?am liebsten Gegenden, in die sich andere Touristen nicht so schnell verlaufen: Länder abseits des Mainstreams oder gefährliche Zonen.. In der gleichen Reihe sind »Couchsurfing in Saudi-Arabien«, »Couchsurfing in Russland« und »Couchsurfing in China« erschienen.?? 

Stephan Orth, Jahrgang 1979, studierte Anglistik, Wirtschaftswissenschaften, Psychologie und Journalismus. Von 2008 bis 2016 arbeitete er als Redakteur im Reiseressort von SPIEGEL ONLINE, bevor er sich als Autor selbstständig machte. Für seine Reportagen wurde Orth mehrfach mit dem Columbus-Preis ausgezeichnet. Er ist Autor des Nr.1-Bestsellers »Sorry, wir haben die Landebahn verfehlt«. Bei Malik erschienen seine Bücher »Opas Eisberg«, die SPIEGEL-Bestseller »Couchsurfing im Iran«, »Couchsurfing in Russland« (ausgezeichnet mit dem ITB BuchAward), »Couchsurfing in China«, »Couchsurfing in Saudi-Arabien« und zuletzt sein England-Reisebericht »Absolutely ausgesperrt«. Er lebt in Kyjiw und Hamburg.

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Leseprobe

WELCOME TO IRAN!

»Pass auf vor Terroristen und Entführern!« Ein Freund

»Das ist wie Saudi-Arabien, oder? Schau bloß keiner Frau in die Augen.« Ein Reisejournalist

»Lässt du dir einen Bart wachsen? Bringst du mir einen Teppich mit?« Eine Freundin

»Du bist verrückt. Ich verstehe nicht, was du da willst.« Ein Arbeitskollege aus dem Iran

Vier Wochen vorher. Sobald die Räder des Flugzeugs TK898 aus Istanbul den Boden berühren, gilt eine andere Zeitrechnung. Iranzeit, zweieinhalb Stunden vor, 621 Jahre zurück. Willkommen am Imam-Khomeini-Flughafen, wir schreiben den 7. Farwardin 1393, »happy Nowruz«, frohes neues Jahr. Ein rundlicher Mann auf 14B kippt sich den letzten Schluck einer mitgebrachten Flasche Efes-Bier in den Rachen, ein Teenagermädchen auf 17F zieht sich Socken über, um die Knöchel zu verbergen. Schwarze, blonde, braune, rote, graue, gefärbte, gestylte, gekämmte, verwuschelte, kurze und lange Haare verschwinden unter schwarzen, braunen und roten Kopftüchern.

Ausländerinnen unterscheiden sich von Iranerinnen dadurch, dass bei ihnen das ungewohnte Stück Stoff schon beim Öffnen des Gepäckfaches in den Nacken rutscht und sie es neu binden müssen. »Respected Ladies: Observe the Islamic dress code«, steht auf einem Poster im Terminal, ohne »please« oder »thank you«, versteht sich.

Über einer Leuchtreklame für Sony-Handys am Gepäckband begrüßen mich die ersten Poster der beiden Bartträger, in zehnfacher Lebensgröße. Ruhollah Khomeini blickt listig und düster, selbst auf einem Foto scheinen seine Augen alles zu durchdringen. Mit großer Klugheit und unendlicher Kälte blickt der Revolutionsführer auf die Welt hinab. Der amtierende Oberste Führer Ali Chamenei dagegen wirkt mit seiner zu großen Brille und ausdruckslosen Augen einfältig und harmlos, was bemerkenswert ist, weil Chamenei zu den mächtigsten und brutalsten Staatsführern der jüngeren Geschichte gehört.

Aber vielleicht ist die Blässe nur relativ: Neben der dunklen Eminenz Khomeini würden selbst Saddam Hussein und Muammar Gaddafi wie nervöse Koranschüler beim Auswendiglerntest wirken. Der Blick der beiden Ajatollahs sagt: Ab jetzt beobachten wir dich, egal wo du hingehst. Die Porträts hängen in jedem Shop und jedem Restaurant, an Wohnhäusern und Regierungsgebäuden, in Moscheen, Hotels und Busterminals. Wer im Iran den Bildnissen von Khomeini und Chamenei entkommen will, muss sich in einer Wohnung einschließen oder blind sein.

7. Farwardin 1393. Auch was die Gesetzeslage angeht, muss ich um ein paar Jahrhunderte umdenken. Im Iran herrscht die Scharia, im Iran gelten Frauen gesetzlich halb so viel wie Männer und können für Ehebruch gesteinigt werden. Im Iran bin ich ein Verbrecher, weil ich 1,5 Kilo Lübecker Marzipan im Rucksack habe (mit ein bisschen Alkohol drin) und ein paar Kabanossi aus Schweinefleisch. Fehlen nur noch ein paar »Playboy«-Hefte, und ich hätte einen Pokal verdient mit der Aufschrift »Teherans größter Einreisedepp«. Andererseits: Ohne ein paar Gesetzesverstöße ist das, was ich vorhabe, nicht zu machen. Warum also nicht gleich damit anfangen? Je früher ich mich an meine neue Rolle als Gauner, Schwindler und Schauspieler gewöhne, desto besser.

7. Farwardin 1393. Mein Handy weigert sich, die Jahreszahl einzustellen, unter 1971 (warum 1971?) geht nichts. Zur Strafe für seine Befehlsverweigerung führe ich dem rebellischen Gerät eine iranische SIM-Karte ein. Für ihren Erwerb muss ich gleich drei auf Persisch bedruckte Formulare unterschreiben. Ich frage den Verkäufer, was da draufsteht, er spricht nicht gut Englisch.

»No problem!«, antwortet er, und als er meinen zweifelnden Blick sieht, wiederholt er noch einmal in einem sanfteren, fast freundschaftlichen Ton: »No problem!«

Ich brauche unbedingt eine einheimische Handykarte, also unterschreibe ich. Vielleicht habe ich gerade mein Einverständnis erklärt, dass jedes Gespräch und jede SMS vom Geheimdienst überprüft wird, aber das wäre auch wurscht. Machen die sowieso, steht sogar im Sicherheitshinweis des Auswärtigen Amtes.

Mehr Freude habe ich beim Geldwechseln: Ein Mitarbeiter am Schalter der Melli Bank sagt, er könne 35.000 Rial pro Euro zahlen, aber ein Stockwerk höher sei eine Wechselstube, wo ich 40.000 bekäme. Tatsächlich kriege ich dort sogar 41.500, kein schlechter Kurs. Bis in den Iran musste ich reisen, um einmal von einem Bankangestellten gut beraten zu werden.

Ich werde es noch mit einigen Geldwechslern zu tun bekommen, weil die hiesigen Automaten keine europäischen Karten akzeptieren. Das ist unpraktisch für Langzeitreisende, ich habe für zwei Monate 2000 Euro und 1000 US-Dollar in kleinen Scheinen dabei, strategisch gut verteilt in verschiedenen Ecken des Gepäcks. Hoffentlich erinnere ich mich noch an die Stellen, wenn ich das Geld brauche.

Der Flughafen ist mit sechs Gepäckbändern kleiner, als man es bei einer Zehn-Millionen-Metropole wie Teheran erwarten würde. Hohe Säulen, viel Glas, viel Beton. Kein Starbucks, kein McDonald’s, kein Louis Vuitton, nur einheimische Fast-Food-Läden, Banken und Souvenirshops. Ein riesiges Poster wünscht alles Gute zum neuen Jahr. Darauf ist ein Goldfischglas abgebildet, das steht für das Leben. Wahrscheinlich gibt es kein anderes Land auf der Welt, in dem ein Fisch im Glas ein Lebenssymbol ist.

Komplette Großfamilien warten mit Blumensträußen auf Neuankömmlinge. Mitten in der Nacht sind sie aufgestanden, um rechtzeitig hier zu sein. Jetzt ist es kurz nach vier. Bei ihrem Anblick fühle ich mich sehr blond und relativ groß. Sagen wir es mal so: Die Wahrscheinlichkeit, dass mich jemand auf der Straße nach dem Weg fragen wird, geht gegen null.

»Welcome to Iran«, sagen stattdessen zwei junge Frauen, die Tschadors tragen. Tschador heißt auf Persisch »Zelt«, und damit ist über Wesen und Weiblichkeit dieses Kleidungsstücks eigentlich alles gesagt. »Where are you from?«, wollen sie wissen. »Are you married or single?«, und schon schweben sie grinsend davon in ihren schwarzen Gespensterzelten.

Besonders verbreitet ist ihr Outfit am Flughafen nicht, die meisten Frauen tragen einfache Kopftücher. Je jünger die Trägerin, desto modischer die Farben. Und desto länger wirkt der Hinterkopf, weil Hochsteckfrisuren total angesagt sind: Mit Tuch drüber wirkt das ein bisschen so, als hätten viele junge Iranerinnen Schädel wie die Aliens von HR Giger. Die meisten Männer dagegen tragen keine Kopfbedeckung, die Kombination Turban und Vollbart ist viel seltener, als Iranklischees vermuten lassen. Ich sehe sie nur zweimal im ganzen Terminal.

Wenn nach Begegnungen mit einem wohlwollenden Banker und flirtenden Tschadormädchen jetzt noch der Taxifahrer davon absieht, mich zu bescheißen, muss ich schon nach einer Stunde Iran meinen Vorurteilskompass neu justieren.

Jeder Iranbesucher, der am Internationalen Flughafen ankommt, muss auf der Fahrt ins Zentrum an den Märtyrern vorbei und an Khomeini persönlich, es gibt keinen anderen Weg in die Stadt. Links vom Highway ruhen 200.000 Opfer des Irakkriegs auf dem größten Friedhof des Landes. Und gegenüber, auf der rechten Straßenseite, ruht Khomeini selber, der Mann, der so viele von ihnen in den Tod schickte. Jeder der vier Türme um sein prachtvolles Mausoleum ist 91 Meter hoch, ein Meter für jedes Lebensjahr. Eine riesige goldene Kuppel reflektiert nächtliches Scheinwerferlicht. Der erste religiöse Prachtbau, den Touristen zu Gesicht bekommen, ist der Schrein des Ajatollah. Dies ist mein Land, hier gelten meine Regeln, signalisiert Khomeini noch fünfundzwanzig Jahre nach seinem Tod jedem Gast.

Das Taxi stoppt, der Fahrer will kein Geld, für einen Freund wie mich sei die Fahrt umsonst. Ich lehne so entschieden ab, wie es das komplizierte Höflichkeitsprotokoll Irans verlangt, und er sagt: »70.000.«

»Rial oder Toman?«, frage ich. Es gibt zwei Währungsbezeichnungen, die sich um eine Null unterscheiden, was es für Touristen nicht einfacher macht.

»Toman natürlich.« Also alles mal zehn.

Ich drücke ihm zwei Hunderttausender und einen Fünfhunderttausender in die Hand. Knapp drei Euro mehr, als auf einer Tafel am Flughafen als angemessener Preis angeschlagen war. Charmanter Kerl, aber natürlich bescheißt er. Wenigstens auf die Taxifahrer ist Verlass.

HOW TO

BEZAHLEN IM IRAN

ˇPreis anhören

ˇSich wundern, dass es so günstig ist

ˇDen genannten Betrag von Toman in Rial umrechnen: eine Null dazudenken

ˇBegreifen, dass es doch nicht so günstig ist, aber billiger als zu Hause

ˇNach entsprechenden Geldscheinen suchen (hierfür anfangs 30 bis 60 Sekunden Zeit einplanen)

ˇBezahlen

Das Schönste an Teheran sind die Elburs-Berge nebenan, die im Norden der Stadt bis auf 4000 Meter ansteigen. Die meisten Wochen des Jahres sind sie unsichtbar, weil sich die Stadt in eine Smogwolke hüllt. Das tägliche Verkehrschaos ist legendär, auf zehn Millionen Einwohner kommen fast vier Millionen Autos. Die meisten ihrer fast vier Millionen Auspuffe können über Begriffe wie »Katalysator« oder »Euro-5-Norm« nur rußheiser lachen. Der Chef der Verkehrspolizei hat mal ausgerechnet, dass die Luftverschmutzung so hoch ist, als wären 48 Millionen Autos mit...

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