1 Einleitung
Dieses Kapitel dient der Einführung in die vorliegende Arbeit. Zu diesem Zweck wird zu Beginn die Problemstellung, welche Ausgangspunkt dieser Arbeit war, vorgestellt. Darauf folgt eine kurze Beschreibung bisheriger Forschungsschwerpunkte im Entrepreneurshipbereich sowie der sich bietenden Forschungslücke. Den Abschluss bildet die Erläuterung der Struktur der Arbeit.
1.1 Problemstellung
Die wichtigsten Veränderungen in der Wirtschaft werden durch Unternehmensgründungen verursacht (vgl. Schumpeter 1934, S. 99f.). Ihre Entstehung basiert auf einem von Kreativität und Intuition getriebenen Prozess, welcher durch eine Interaktion von Organisationen, Individuen und Umwelt geprägt ist. Ein Ergebnis dieses Prozesses kann eine neue Kombination bekannter Materialien und Kräfte sein, welche eine „kreative Zerstörung“ nach sich zieht und bestehende Prozesse und Strukturen stark verändert (vgl. Schumpter 1997, S. 100f.). Jedoch erfolgen solche Veränderungen nicht problemlos. So können sich etablierte Branchen sowie das institutionelle Umfeld bedroht fühlen und jungen Unternehmen den Zugang zu lebensnotwendigen Ressourcen verwehren. Als Folge kämpfen diese oftmals um ihre Existenz.
Die hohe Sterblichkeit junger Unternehmen ist bereits vielfach empirisch diagnostiziert worden. Beispielsweise ermittelte Evans (1987, S. 572) eine Überlebensrate von 67 Prozent nach 4 Jahren, Mata (1994, S. 30) sogar nur eine Rate von 53 Prozent. In der Untersuchung Wagners (1994, S. 144) überlebten in einem Zeitraum von 11 Jahren zwischen 43 bis 55 Prozent der jungen Unternehmen. Song/Podoynitsyna/van der Bij/Halman (2008) stellten bei einer Stichprobe von 11.259 jungen Unternehmen eine Überlebenswahrscheinlichkeit zwischen 22 und 36 Prozent fest. Andere Studien ergaben Werte von 40-50 Prozent (vgl. van Praag 2003; Forsyth 2005; Schrör 2007).
Wenn Unternehmensgründungen auf der einen Seite als ein Kernelement der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit anzusehen sind, weil sie innovative Veränderungsprozesse anstoßen und dadurch eine wichtige strukturelle und dynamische Rolle in Volkswirtschaften übernehmen (vgl. Fueglistaller/Müller/Volery 2004, S. 3), auf der anderen Seite jedoch viele junge Unternehmen sterben, gilt es herauszufinden, was zu ihrem Überleben beiträgt. Bereits der Ausspruch „a small business is not a little big business“ von Welsh/White (1981, S. 18) gibt einen Hinweis darauf, dass das Denken über junge Unternehmen andere Dimensionen, Strukturen und Argumente erfordert, als würden etablierte Unternehmen betrachtet. Auch sind nicht alle jungen Unternehmen gleich. Das finanzielle und soziale Kapital, die Erfahrung, die Fähigkeiten und das Wissen von Unternehmensgründern beeinflussen stark, welche Art von Unternehmen gegründet wird (vgl. Pe’er/Vertinsky/King 2008 S. 120), was wiederum einen Einfluss auf Entscheidungen zum Beispiel bezüglich des Standortes oder der Zielgruppe hat.
Vor allem bei jungen Unternehmen, die eine neue Branche entstehen lassen und daher quasi „die Ersten ihrer Art sind“, ist die Gründung eines Unternehmens nur der erste Schritt. Solche Unternehmen versuchen die bestehende Ordnung und die institutionellen Gegebenheiten zu verändern und müssen daher nicht nur eine kohärente und autarke Einheit bilden, sondern sich auch mit anderen Unternehmensgründern organisieren, um ein neues, günstiges Umfeld zu schaffen. Ein solches System kooperativer Einheiten fördert ihre Überlebenswahrscheinlichkeit (vgl. Aldrich/Martinez 2003, S. 359ff.). Folglich beeinhaltet Unternehmensgründung hier die Konstruktion einer neuen sozialen Einheit. Im Gegensatz dazu schöpfen Gründer in etablierten Branchen aus der Arbeit, die vorangegangene Unternehmen geleistet haben. Unternehmen in neuen Branchen müssen hingegen mit aufmerksamkeitserzeugenden Handlungen beginnen, um andere Organisationen sowie die Gesellschaft allgemein auf ihre Existenz hinzuweisen. Schumpeter (1934, S. 100) spricht auch davon, dass „neue Bedürfnisse den Konsumenten von der Produktionsseite her anerzogen werden“.
Insbesondere im Zusammenhang mit solchen „Pionierunternehmen“ (Schumpeter 1934, S. 100) wird als ein Grund für ihre hohe Sterblichkeit ihre fehlende gesellschaftliche Akzeptanz angeführt. Dieses Phänomen wird in der Forschung unter das Konstrukt der organisationalen Legitimität gefasst (vgl. Dowling/ Pfeffer 1975; Aldrich/Fiol 1994). Die Legitimität junger Unternehmen ist gering, da sie durch ihr Angebot Bestehendes bedrohen oder verändern (vgl. Meyer/Rowan 1977; DiMaggio/Powell 1983). Auch ist das Verständnis darüber, was das junge Unternehmen anbietet und welche Auswirkungen dies langfristig hat, auf Seiten der Kunden, Kapitalgeber oder Branchenführer zu Beginn oftmals gering.
Das Konzept der Legitimität ist erstmals in den Schriften Parsons (1960), Webers (1972) sowie Luhmans (1973) aufgegriffen worden. Der Begriff der organisationalen Legitimität wurde hingegen im Neoinstitutionalismus geprägt (vgl. Meyer/Rowan 1977; Zucker 1977; DiMaggio/Powell 1983), wobei zum damaligen Zeitpunkt etablierte Unternehmen betrachtet wurden. Heutzutage findet dieses Konzept immer stärkere Verwendung im Hinblick auf junge Unternehmen (vgl. Aldrich/Fiol 1994; Suchman 1995; Zimmerman/Zeitz 2002; Delmar/Shane 2004; Tornikoski/Newbert 2007). Dies liegt in der Funktion begründet, die Legitimität einnimmt. So wird insbesondere der positive Zusammenhang zwischen Legitimität und einem erleichterten Zugang zu – vor allem für junge Unternehmen – lebensnotwendigen Ressourcen herausgestellt (vgl. Starr/MacMillan 1990; Lounsbury/Glynn 2001; Zimmerman/Zeitz 2002; Higgins/Gulati 2003; Pollock/Rindova 2003; Shepherd/Zacharakis 2003; Bansal/Clelland 2004; Deeds/Mang/Frandsen 2004).
Obgleich deutlich wird, dass junge Unternehmen die Akzeptanz ihrer Umwelt benötigen, um langfristig bestehen zu können, stellt sich die Frage, nach dem Handlungsspielraum für junge Unternehmen, also inwieweit diese aktiv versuchen können, gesellschaftliche Akzeptanz herbeizuführen. Bevor diese Thematik aufgegriffen wird, erfolgt eine kurze Einführung in den Forschungsbereich, in welchen die vorliegende Arbeit einzuordnen ist.
1.2 Forschungshintergrund und Fragestellung
Die eigenständige wissenschaftliche Forschungsdisziplin, die sich mit der Gründung und Entwicklung junger Unternehmen beschäftigt und für zahlreiche Inhalte wie zum Beispiel Unternehmensgründung und Unternehmertum steht, trägt den Oberbegriff „Entrepreneurshipforschung“ (vgl. Fallgatter 2004, S. 23). Diese wird definiert als eine „...examination of how, by whom, and with what effects opportunities to create future goods and services are discovered, evaluated, and exploited“ (Shane/Ventkataraman 2000, S. 218) und damit als eine Wissenschaftsdiziplin zur Erforschung von Quellen unternehmerischer Handlungsfelder sowie des Prozesses ihrer Entdeckung, Bewertung und Ausschöpfung. Der Begriff „Entrepreneur“ stammt von dem französischen Wort „entreprendre“ ab, das übersetzt „unternehmen“ oder „einleiten“ zum Inhalt hat. Bereits seit dem Mittelalter wird der Begriff für Personen verwendet, die unternehmerisch aktiv sind (vgl. Swedberg 2000, S. 11). Eine erste ökonomische Theorie des Entrepreneurship lässt sich in Werken Richard Cantillons (von 1680–1734) finden und begleitet die Wissenschaft seither (vgl. Swedberg 2000, S. 12).
Die Aufmerksamkeit bisheriger Forschungen im Entrepreneurshipbereich lag vor allem darauf, wie Möglichkeiten zur Gründung entdeckt und organisiert (vgl. z. B. Faix 2001; Finke-Schürmann 2001; Koppelmann 2001), wie Businesspläne und Marketingstrategien formuliert und Kapitalgeber überzeugt werden können (vgl. Gierl/ Helm 2003; Rüggeberg 2003) und persönliche Eigenschaften den Unternehmensgründer dazu befähigen, Zugang zu Ressourcen zu erhalten (vgl. z. B. Baum/Locke 2004). Zudem wurde analysiert, wann und wie Möglichkeiten zur Gründung ausgeschöpft werden sollten (vgl. Choi/Lévesque/Shepherd 2008) und welche Rolle Netzwerke einnehmen (vgl. Starr/MacMillan 1990; Ostgaard/Birley 1996). Da aber auch Gründungen entstehen, die bahnbrechende Innovationen bereit stellen und neue Branchen entstehen lassen, sind einige dieser Hinweise nur eingeschränkt anwendbar.
Einen möglichen Ansatzpunkt bietet die Erkenntnis, dass die Gründung eines Unternehmens einen kontextabhängigen sozialen Prozess darstellt (vgl. Shaver/Scott 1991, S. 609; Low/Abrahamson 1997, S. 437). Allerdings wird die soziale und kulturelle Dynamik junger Unternehmen in der Entrepreneurshipforschung oft vernachlässigt (vgl. Swedberg 2000, S. 7f.; Busenitz/West/Shepherd/Nelson/Chandler/Zacharakis 2003, S. 297). Die Berücksichtigung des sozialen Systems, in dem ein junges Unternehmen operiert, und seines Einflusses darauf, was als akzeptables Verhalten anzusehen ist, stellt jedoch eine bedeutende Erweiterung der Analyse junger Unternehmen dar. Diese gesellschaftliche Akzeptanz – ergo organisationale Legitimität – wird von Seiten junger Unternehmen benötigt, um institutionelle Veränderungen veranlassen zu können (vgl. Suchman 1995, S. 571f.).
Die vorliegende Arbeit beleuchtet dieses Bedeutungsumfeld und vor allem die sich bietenden Interaktionsmöglichkeiten. Es werden Strategien zur Erreichung organisationaler Legitimität betrachtet, mit deren Hilfe aktiv auf ein bestehendes Niveau an Legitimität Einfluss genommen werden kann...