das fahrzeug zwei – meditation und innerer dialog
Das ewige Wort wird nur in der Stille laut.
MEISTER ECKHART
Seit einigen Jahren kann man ja das Wort »Meditation« schamlos aussprechen. In jedem zweiten Wellnesshotel wird morgens meditiert oder gibt es einen Meditationsraum oder Meditationsmusik. Das ist eigentlich eine feine Sache.
Nur – diese Art von Meditationen sind meistens einfache Entspannungsübungen, haben mit Meditation als spiritueller Praxis nur die Benennung gemeinsam.
Das Schwert eines spirituellen Weges ist schärfer. Und wenn Sie das Schreiben als spirituelle Praxis nehmen, ist eine Übung der Versenkung, eine, die unseren Verstand zentriert und leert und den Willen schult, sehr hilfreich.
Wenn Sie eine eigene Praxis haben, nehmen Sie diese. Ansonsten kann ich nur diejenige weitergeben, die ich bei der Sufi-Lehrerin Irina Tweedie31 gelernt habe.
»Meditieren, ohne zu meditieren«, sagte sie dazu. Die Dhyana-Meditation ist völlig konfessionsunabhängig, sie können Sie in jede andere religiöse oder spirituelle Praxis oder einfach ins tägliche, scheinbar profane Leben integrieren. Sie verlangt keine heiligen Handlungen, keine schwarzen Umhänge oder grünen Turbane, keine Räucherstäbchen oder Zimbeln. Sie ist ganz einfach, praktisch und schnörkellos. Mit ihr wird kein Ziel, kein Ergebnis, keine Leistung verfolgt.
Sie kommt ursprünglich aus dem indischen Raum, und es heißt, sie und der Zen-Weg hätten dieselbe Wurzel im alten chinesischen Chan. Ich selbst habe sie als Teil meiner Sufi-Praxis kennengelernt.
M
meditation
Bei dieser Meditation ist keine besondere Körperhaltung notwendig. Wichtig ist, dass der Körper entspannt ist und in der Zeit der Stille in Ruhe bleiben kann.
Versuchen Sie, sich drei Schritte vorzustellen:
Der erste Schritt: Finden Sie tief in sich selbst, tiefer und tiefer, Ihr verborgenes Inneres, das Innerste des Inneren. Unser allerinnerstes Wesen, der Kern unseres Seins, es ist der Ort des Friedens und der Stille, vor allem aber der Liebe. Es ist die Liebe, die wir in unserer tiefsten Wesensnatur sind und nach der wir uns sehnen, solange wir von ihr getrennt sind. Keine Liebe zu einem Menschen, zur Natur, zur Musik kommt wirklich dorthin – aber sie kann uns daran erinnern.
Der zweite Schritt: Tauchen Sie ein in das Gefühl der Liebe, versenken Sie sich darin mit Haut und Haar. Sie sind ganz in die Liebe eingetaucht, in tiefem Frieden, nichts von Ihnen bleibt draußen, kein Härchen und keine Eigenschaft. Das ganze Wesen ist in Liebe aufgenommen.
Der dritte Schritt: In dieser glücklichen Stille, dem Frieden, der Liebe werden jetzt vermutlich Gedanken auftauchen oder Gefühle, Bilder und Erinnerungen.
Nehmen Sie jeden dieser Gedanken, jede Emotion und versenken Sie sie in der Liebe, lassen Sie sie in die Liebe hineinsinken, sich in der Liebe auflösen.
Das Gefühl der Liebe ist stärker als unser Denken, es ist die größte Dynamik im gesamten Universum. Fähig, alles zu wandeln. So dass nur ein leerer Geist – in der Liebe schwingend – bleibt.
Suchen Sie die für Sie beste Zeit. Erfahrungsgemäß ist der frühe Morgen, gleich nach dem Aufstehen, wenn die Nacht noch nahe ist und die Tempi der Welt noch verlangsamt sind, ein guter Moment. Aber auch hier gilt: Experimentieren Sie. Ebenso mit der Dauer der Meditation. Vielleicht reicht Ihnen eine halbe Stunde täglich. Vielleicht fangen Sie auch mit weniger an, und im Lauf der Zeit sitzen Sie länger. Wichtig ist ein wirkliches Gesammeltsein, also eher kurz und gesammelt als lange und unruhig – wobei es natürlich anfangs sein kann, dass die innere Unruhe erst einmal so richtig spürbar wird. Vertrauen Sie sich.
Versuchen Sie, regelmäßig zu meditieren. Unabhängig von Ihren Stimmungen.
Zur Meditation ergänzend möchte ich Ihnen noch eine weitere, vertiefende Übung vorschlagen, zu der mich die Zukunftsforscherin Barbara Marx Hubbard32 inspiriert hat. Es geht um einen inneren Dialog, in dem im Laufe der Zeit eine zärtlichste Freundschaft zwischen Ihnen und IHNEN entstehen kann. Vielleicht erst leise beginnend, fallen die alten Gottesbilder, wächst ein stilles Staunen über die innewohnende Weisheit, greift ein tiefer wurzelndes Vertrauen in sich selbst, verblasst die alte Orientierung nach den Meinungen, Ideen, Wichtigkeiten des Außen. Stellen Sie sich vor, Ihre ganze Orientierung, Ihr Hilfesuchen, das Sie bisher nach außen gerichtet haben, wenden Sie nun nach innen, auf das, was Sie tief in sich wirklich sind – Ihre eigene Göttlichkeit. Das ist ein großer Akt der Selbstermächtigung. Bis Sie vielleicht wahrnehmen, dass Sie das, wonach Sie sich so sehnen, schon sind. Immer waren. Es jetzt schon da ist. Seien sie grundsätzlich freundlich zu sich.
Vielleicht entsteht bei dieser Übung auch die Gewissheit, dass die alten Zeiten, in denen auf vielen spirituellen Wegen vom Töten des Ego gesprochen wurde, vorbei sind, dass die Verschmelzung vielmehr ein Akt der Liebe und Hingabe ist; vielleicht entsteht eine Wahrnehmung dafür, dass auch im Ego ein Bedürfnis danach ist, in innerem Frieden zu leben. Das Ego reagiert, wenn man es freundlich bittet. Ich glaube einfach nicht mehr, dass das Geschaffene in dieser alten Weise niedergemacht werden muss, um dem Schaffenden zu begegnen. Da würde dem Lebendigen etwas in sich Feindliches innewohnen. Diese Vorstellung hat uns dahin geführt, wo wir stehen im Moment. Also – hier eine Einladung in eine neue Zeit, in das tiefe Wohlwollen des Lebens.
D
innerer dialog
Begleiten Sie Ihre Meditation schreibend (vielleicht in Tagebuchform) mit einem Dialog Ihres Alltagsbewusstseins mit Ihrem Innersten des Innersten oder Höheren Selbst, der Unendlichen Weite, dem Namenlosen oder dem göttlichen Funken in Ihnen, Ihrer wahren Wesensnatur – wie auch immer Sie ES nennen. Tragen Sie Ihre Fragen nach innen; stellen Sie Ihre Fragen immer präziser, immer wahrhaftiger. Die großen des Lebens und die kleinen des Alltags. In diesem inneren Dialog müssen Sie niemandem mehr etwas vormachen, nichts leisten, vor niemandem bestehen. Kein Schleier zwischen Ihnen und Ihrer Herzensfrage.
Werden Sie still und lauschen Sie, welche Antworten kommen. Auch wenn Sie anfangs vielleicht nicht so sicher sind, aus welcher Ebene die Antwort kommt – das macht nichts. Wie können wir es lernen, wenn wir es nicht üben? Wie können wir unserem inneren Lehrer, unserer inneren Lehrerin vertrauen, wenn wir nicht an ihn, an sie übergeben? Wir machen Erfahrungen – das ist alles. Auf jeden Fall gestaltet sich eine Liebesbeziehung. Diese Liebe ist sehr klar und wahrhaftig, immer wohlwollend – keinesfalls ist sie abwertend, nörgelnd, überheblich oder destruktiv. Stoppen Sie, wenn das geschieht, das ist nicht Ihr Innerstes! Lassen Sie das Projekt für eine Weile ruhen. Setzen Sie neu an, in Liebe.
Haben Sie den Mut, die Liebe, die Sie sind, wirklich zu erleben. Sie werden überrascht sein, schriftlich, schwarz auf weiß, zu erfahren, welch göttliches Wesen Sie sind, wie weise, und dass Sie wirklich, wirklich alle Antworten, alles Wissen in sich selbst tragen.
Ich sagte es eingangs schon: Diese beiden Übungen, Meditation und innerer Dialog, empfehle ich Ihnen begleitend zu allen anderen Übungen zu praktizieren. Sie bilden den Boden, aus dem heraus Ihre Kreativität wächst und sich Ihr Herz transformiert. Haben Sie Heimweh?
schreiborte III
Der Sommer ist groß; schnell und plötzlich hat er den Frühling vertrieben. Und zwischen beiden tat ich unsichere Schritte, legte den Stift beiseite – zwei Monate lang – und wunderte mich – mit einem leisen Flattern in meinem Inneren – wie der Körper nach einem Schock sich selber führt. Mit dem schnellen, plötzlichen Einbruch einer Krankheit zeigte er mir den Geschmack seiner letztlich kurzen Gastfreundschaft. Und wie ich sie ehren kann. Jetzt tue ich mein Bestes.
Fast alle haben sie interpretiert. Psychosomatisch, statistisch, somatisch, esoterisch – einen großen Topf von Deutungen konnte ich sammeln. Natürlich lerne ich gerne. Und ich staunte, was wir Menschen so alles wissen.
Ich wollte nicht deuten. Was weiß ich denn? Und ich liebe diesen Zustand des Nichtwissens; er hält mich so gnadenvoll frei.
Ich wollte mit meiner Schwäche nur nah, ganz am Leben lehnen, es mit dem Innersten berühren, so dicht ich konnte. Und es berührte mich. Wer berührt wen?
Es ist heiß. Das ist die Größe des Sommers, so zeigt er sich in seiner ganzen Pracht. Und ich. Ich freue mich. An der Hitze und dem warmen Wind der...