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E-Book

Schokolade ist nicht alles

Ein Leitfaden zur Schweizer Kultur

AutorMargaret Oertig-Davidson
VerlagBergli Books
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl264 Seiten
ISBN9783905252309
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Die deutsche Ausgabe des Bestsellers Beyond Chocolate erläutert die Schweizer Lebensart für Neuankömmlinge und alle, die sich bereits als Insider fühlen. Erläutert werden die Erwartungen, Auffassungen und Reaktionen von Schweizern und ihren ausländischen Arbeitskollegen. Dieses Buch hilft, sich gegenseitig besser zu verstehen. Auch Schweizer, die internationale Beziehungen pflegen, erhalten wertvolle Tipps. Dieses Buch lädt Sie zu einem Gedankenaustausch über den Umgang mit anderen Menschen sowie die Motive für deren Verhaltensweisen ein. Es wird Sie mit Leuten zusammenführen, die kulturelle Fragen nicht nur danach bewerten wollen, wer recht hat und wer nicht. Auf unterhaltsame Art hilft Schokolade ist nicht alles Missverständnisse zu vermeiden oder gar nicht erst aufkommen zu lassen.

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Leseprobe

Teil 1       Worum es geht


Kapitel 1  Pfirsich und Kokosnuss


Die Schweiz ist nicht Schweden


Schweizer, die von einer Reise in die USA zurückkehren, berichten immer wieder von Begegnungen mit Menschen, die die Schweiz mit Schweden verwechselten. In beiden Fällen ist der Anfangsbuchstabe ein ,S’, und in beiden Ländern liegt im Winter Schnee. Viele Engländer, die in die Schweiz kommen, betrachten die Schweiz als nordeuropäisches Land und ordnen sie irgendwo zwischen den Niederlanden und Skandinavien ein. Andere haben keinerlei vorgefasste Meinung über die Schweiz, weil sie der Ansicht sind, dass sich die Menschen in ihrem tiefsten Wesen auf der ganzen Welt gleichen. Professor K.O’Sullivan, ein australischer Linguist, formulierte es so: ,Die Australier gehen davon aus, dass die Welt im Prinzip aus Australiern besteht.’3 Ganz anders die Chinesen; sie glauben, so O’Sullivan, dass der Unterschied zwischen ihnen und anderen Völkern derart gross ist, dass die Kluft kaum überbrückt werden kann. Was also kommt zum Vorschein, wenn man Kultur und Lebensweise der Schweizer genauer unter die Lupe nimmt? Trifft man auf Menschen, deren Wesen einem Zugereisten durchaus vertraut ist oder sieht man sich fremdartigen Einheimischen gegenüber, die so durch und durch anders sind, dass eine Annäherung nur schwer gelingt? Wie Sie diese Frage für sich persönlich beantworten, hängt ganz davon ab, welche individuellen Erfahrungen Sie gemacht haben, wie Sie mit Menschen umgehen und mit wem Sie in der Schweiz zusammentreffen. Dieses Buch will Sie dabei begleiten und Ihnen einige grundlegende schweizerische Werte vor Augen führen, die in Ihrem Alltag vielleicht eine Rolle spielen werden.

Dieses Buch befasst sich im Wesentlichen mit Themen, die für Menschen aus westlichen, meist englischsprachigen Ländern von Bedeutung sind. Damit soll nicht unterstellt werden, dass Amerikaner, Kanadier, Iren oder Neuseeländer sich nicht voneinander unterscheiden oder dass sie in jeder Hinsicht die gleichen Erfahrungen in der Schweiz machen. Dan Daniels, ein in der Schweiz lebender amerikanischer Professor, weist darauf hin, dass in den USA grosse gruppenspezifische Unterschiede zwischen weissen Protestanten in den Südstaaten, Katholiken in den nordöstlichen Landesgebieten, afroamerikanischen Bevölkerungsgruppen in den grossen Städten, Asiaten an der Westküste und Ureinwohnern der Rocky Mountains bestehen. Die in diesem Buch zitierten Personen stammen in der Regel aus der weissen Mittelschicht, haben ein Studium absolviert und gehören unterschiedlichen Religionen an. Eine Analyse der kulturellen Unterschiede bei englischsprachigern Nationen ist nicht Gegenstand des Buches.

Das Spiel mit Vor- und Nachnamen


Oberflächliche Beobachtungen tragen manchmal dazu bei, ein bestimmtes Bild zu bestätigen, das man sich von einem Land gemacht hat. Wenn Sie beispielsweise gute Erfahrungen bei der Nutzung des ausgezeichneten öffentlichen Verkehrssystems machen, so bestätigt das Ihre Vorstellung von der Schweiz als einem effizienten Land (siehe auch Kapitel 23). Manche Beobachtungen lassen sich indes schwerer einordnen.

Bäumchen wechsle dich


In der Schweiz wird der Vorname am Arbeitsplatz meist dann verwendet, um einem Kollegen englischer Muttersprache entgegenzukommen. Wenn Schweizer, Elsässer und Deutsche in Basel miteinander Hochdeutsch sprechen, reden sie sich im Büro oft mit dem Nachnamen an, gehen aber generell zum Vornamen über, wenn sie anlässlich eines Geschäftsbesuchs aus den USA oder aus Grossbritannien Englisch miteinander sprechen. Sobald die Besucherin oder der Besucher abgereist ist, wird wieder der Nachname verwendet. Bleiben englischsprachige Mitarbeiter aber für längere Zeit in ihrem Team, so wird möglicherweise endgültig zum Vornamen übergewechselt.

Als ich in der Schweiz zu unterrichten begann, wurde ich von meinen Kollegen ,Frau Oertig’ genannt. Ich fand das sehr amüsant, denn niemals zuvor war ich mit meinem Nachnamen angesprochen worden. In Schottland nannte man mich im beruflichen Umfeld entweder ,Margaret’ oder sprach mich überhaupt nicht mit Namen an. Wenn ich in der Schweiz unterrichte, spreche ich die Kursteilnehmer nach Möglichkeit mit dem Vornamen an. Die Teilnehmer einer meiner Kurse taten sich etwas schwer damit. Wenn ich sie nach ihrem Namen fragte, antworteten sie: „Meier” oder „Niederberger”. Ich erklärte ihnen dann in langsamem, klarem Englisch, dass ich Margaret heisse und fragte dann nochmals nach ihrem Namen. Schliesslich waren sie bereit, mir ihre Vornamen zu verraten.

Nach zwei Jahren gemeinsamen Unterrichts gingen wir nach der Stunde etwas miteinander trinken. Ich war völlig verblüfft, als meine Schüler einander zuprosteten und sich dabei erneut vorstellten. Eine Schülerin sagte zum Beispiel ,ich bin Doris’, was mir ziemlich unsinnig vorkam, denn schliesslich wussten wir das alle längst. Andere hatten auf einmal kürzere Namen. Der Kursteilnehmer namens Niklaus war nun plötzlich ,Niggi’.

Diese Vorstellungsrunde entsprach dem in der Schweiz üblichen Brauch, einen Umtrunk zum Anlass zu nehmen, vom formellen ,Sie’ zum intimeren ,Du’ überzugehen. Diesem Brauch hatte ich im Unterricht vorgegriffen, und obwohl meine Schüler – anpassungsfähig wie viele Schweizer sind – meinem Beispiel gefolgt waren, hatten sie dennoch das Bedürfnis, dieses Ritual nachzuholen. Niklaus blieb bei seinem formellen Vornamen und wahrte auf diese Weise Distanz gegenüber Leuten wie mir, die ihn beim Vornamen ansprechen wollten, bevor er dazu bereit war. Seine Freunde dagegen durften ihn ,Niggi’ nennen.

Pfirsich und Kokosnuss


Ich habe lange gebraucht, bis ich die tiefere Bedeutung erkannte, die der Verwendung von Vor- und Nachnamen in der Schweiz zugrunde liegt. Im deutschsprachigen Raum tätige interkulturelle Trainer verweisen gerne auf das Beispiel von Pfirsich und Kokosnuss, um dieses Beziehungsverhalten zu erklären. Dieses Beispiel geht auf den deutsch-amerikanischen Psychologen Kurt Lewin4 zurück, der sich für die Grenzen zwischen privatem und öffentlichem Lebensraum bei Deutschen und Amerikanern interessierte. Im nebenstehenden Schaubild stellt die äussere Schicht von Kokosnuss und Pfirsich jeweils den öffentlichen Anteil einer Person dar, die innere Schicht dagegen deren private Seite.

In der Schweiz, in Deutschland und vielen anderen europäischen und asiatischen Ländern ist traditionsgemäss die ,Kokosnuss-Kultur’ beheimatet. Im Kokosnuss-Modell unterscheiden die Menschen strikt zwischen Nachbarn, Kollegen und Bekannten in der äusseren Schicht und der Familie und Freunden, denen ein Platz im inneren Kern vorbehalten ist. Typischerweise werden in der äusseren Schicht Nachnamen verwendet, im Kern dagegen Vornamen. Mit Menschen, die ihnen in der äusseren Schicht begegnen, sprechen sie ungern über private Dinge. Bezeichnenderweise lässt die innere Schicht mehr Raum für Privates, denn dort geben sie besonders vertrauten Menschen mehr über sich selbst preis. Vertreter der Kokosnuss-Kultur betrachten ihre Wohnung als Teil ihrer Privatsphäre, und es fällt ihnen in der Regel schwer, Gäste zu unterhalten, die sie kaum kennen. Sobald sie bereit sind, Menschen aus ihrem Umfeld in den Kern zuzulassen, sind die Grundlagen für eine langfristige Freundschaft gelegt.

Das Pfirsich-Modell ist in zunehmendem Masse im englischsprachigen Kulturbereich anzutreffen und kommt Menschen mit hoher Mobilitätsbereitschaft entgegen. Auf der äusseren Schale, der ,Pfirsichhaut’, haben Freunde und entfernte Bekannte gleichermassen Platz. ,Pfirsich-Menschen’ betrachten neue Bekannte (die eigentlich Fremde sind) oft als potenzielle Freunde. Entsprechend offen und persönlich sind sie im Gespräch und verhalten sich so, als hätten sie es mit guten Bekannten zu tun. Weil klare Abgrenzungen fehlen, sprechen sie ihr Gegenüber problemlos mit dem Vornamen an, so dass einer Annäherung grundsätzlich nichts im Wege steht. Ihr Haus steht auch Menschen offen, denen sie im Alltag und im Berufsleben begegnen. Sie sind gastfreundlich und laden selbst Personen ein, die sie kaum kennen. Ihr innerer Kern ist vergleichsweise klein und bleibt in der Regel der Familie vorbehalten, die vielleicht die einzigen Menschen sind, mit denen sie eine lebenslange Beziehung verbindet. Andere enge Beziehungen sind nicht unbedingt langfristig angelegt. Es reicht, wenn sie diesen Menschen nur für eine begrenzte Zeit nahe stehen.

Schweizer und Deutsche gelten als typische Kokosnüsse, Amerikaner dagegen als typische Pfirsiche. Je nach der individuellen Persönlichkeit kann es aber auch Mischformen geben. Lawrence Desmond, ein amerikanischer Anthropologe, hat darauf hingewiesen, dass es auch in den USA Bevölkerungsgruppen gibt, die eher den Kokosnüssen als den Pfirsichen zugerechnet werden können.

Pfirsich im Kokosnussland


Rosemary ist Engländerin und lebt in einem Dorf in der französischen Schweiz. Als neue Bewohner in ihr Nachbarhaus zogen, traf sie sich bald mit der neuen Nachbarin, um mit ihr gemeinsam die Hunde auszuführen. Rosemary plauderte offen mit ihr über sich, ihre Familie und ihre Arbeit. Die Nachbarin, Madame Perret, gab dagegen wenig von sich preis. Rosemary erkundigte sich deshalb nach ihrem Beruf, worauf Madame Perret nur kurz erwähnte, sie sei Physiotherapeutin. Mehr schien sie darüber nicht sagen zu wollen. Rosemary beschloss, nicht weiter in sie einzudringen. Später erwähnte Madame Perret beiläufig, dass sie leichte Kleider tragen müsse, weil es in dem Krankenhaus, in dem sie arbeite,...

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