Zur Ausübung jeglicher Berufstätigkeit muss zumindest ein gewisses verwertbares Minimum an (Rest)Arbeitsfähigkeit vorhanden sein; die Erhaltung oder ehebaldige Wiederherstellung der Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit ist daher von essentieller Bedeutung. Sie soll sowohl proaktiv (als „Workability“ während aufrechter Beschäftigung) als auch reaktiv (als „Employability“ nach Arbeitsplatzverlust) gefördert werden, wobei sich die frühere Literatur primär auf die letztere Phase bezieht und entsprechende Maßnahmen zur Entwicklung von „Arbeitsmarktfitness“ behandelt (vgl. RUMP, J., 2006, S. 20).
„Employability“ kann kurz mit Beschäftigungsfähigkeit, also Einsetzbarkeit auf dem freien Arbeitsmarkt, übersetzt werden; genauer betrachtet handelt es sich um die Fähigkeit, fachliche, soziale und methodische Kompetenzen unter sich wandelnden Rahmenbedingungen zielgerichtet und eigenverantwortlich einzusetzen und situativ zu modifizieren, um eine Beschäftigung zu erlangen.
Sie kann sowohl
- aus individueller Sicht (Steigerung der beruflichen Chancen auf dem Arbeitsmarkt v.a. durch Erhöhung des Selbstwertgefühls, Verbesserung der eigenen beruflichen Zukunfts(mit)gestaltung),
- auf betrieblicher Ebene (Steigerung der Attraktivität für AN, Qualifikationsmaßnahmen, arbeitsmedizinische, arbeitspsychologische Betreuung und spezielle Services, wie etwa Employee Assistance Programs) und
- im gesellschaftlichen Kontext (arbeitsmarktpolitische Maßnahmen, Beschäftigungsprogramme, Sonderprojekte udgl.)
betrachtet werden (vgl. RUMP, J., 2006, S. 26ff). Im Unterschied zu dem im deutschen Sprachraum lange etablierten Begriff „Beruf“, ist „Employability“ im angelsächsischen Raum entwickelt worden und bei uns gerade erst dabei, festere Konturen zu bekommen (vgl. KRAUS, K., 2006, S. 10).
„Workability“, auch als „Arbeitsplatzfähigkeit“ bezeichnet, ist als Begriff seltener anzutreffen und unschärfer konfiguriert, wenngleich nicht weniger bedeutend; sie betrifft nicht die generelle Beschäftigungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, sondern die Einsetzbarkeit an einer konkreten Stelle, somit bei aufrechter Beschäftigung.
Diese Begriffe sind also nicht deckungsgleich und sollten daher klar abgegrenzt werden. So können die aktuellen Anforderungen in einer bestimmten Firma bei aufrechtem Dienstverhältnis sowohl höher sein als üblicherweise in anderen Unternehmen (z.B. wenn von einem Maurer auch Verwaltungsarbeit am PC verlangt wird), aber auch niedriger als auf dem externen Arbeitsmarkt, wenn die konkrete Leistungsfähigkeit zwar für spezifische Arbeitsverrichtungen an einer bestimmten Stelle ausreicht, bei anderen Arbeitgebern jedoch höhere Ansprüche gestellt würden (z.B. das Unternehmen nur in einem bestimmten Teilbereich tätig ist – indem ein Bauunternehmen etwa nur in der thermischen Sanierung tätig ist und Maurer daher nur als Fassader eingesetzt werden – oder man auf bekannte Leistungsgrenzen der eigenen MA so weit als möglich Rücksicht nimmt, was in der betrieblichen Realität auch üblich ist).
Der zweitgenannte Begriff wurde in der Forschung bisher eher indirekt behandelt: In Finnland wurde 1981 ein Work Ability Index (auf deutsch: ABI – Arbeitsbewältigungsindex) für den kommunalen Bereich als Fragebogen zur Beurteilung der individuellen Arbeitsplatzfähigkeit einer bestimmten Person in Bezug auf konkrete Tätigkeiten entwickelt, der mittlerweile international (in Europa, Australien, Nord- und Südamerika) mit dem Ziel der Förderung und/oder Erhaltung einer Beschäftigung eingesetzt wird. Dabei wird die Arbeitsbewältigungsfähigkeit in Bezug zur jemals höchsterreichten und zu den aktuellen Arbeitsanforderungen ebenso abgefragt wie die Anzahl der diagnostizierten Krankheiten, die eingeschätzte Behinderung als Erkrankungsfolge, die Krankenstände des letzten Jahres, die eigene Prognose der Arbeits-Fitness für die nächsten zwei Jahre sowie die mentalen Ressourcen. Er unterteilt in „poor“ (schlecht) mit 2 – 27 Punkten, „moderate“ (mäßig) mit 28 – 36 Punkten, „good“ (gut) mit 37 – 43 Punkten und „excellent“ (sehr gut) mit 44 – 49 Punkten. Die Altersgruppe der 55 – 61-Jährigen lag bei einer Untersuchung mit unter 36 Punkten (vgl. ILMARINEN, 2002, S. 170) nur ganz knapp unterdurchschnittlich und somit durchaus nicht alarmierend.
Hier wird zwischen beiden Begriffen klar unterschieden, zumal daraus auch durchaus unterschiedliche individuelle Anforderungen resultieren können. „Workability“ wird als „den beruflichen Anforderungen Gewachsensein“ in einem bestehenden Dienstverhältnis verstanden (also als unternehmensinterne Verwendbarkeit), während unter „Employability“ die externe Verwertbarkeit der Arbeitskraft auf dem freien Arbeitsmarkt bedeutet. ILMARINEN nimmt eine etwas andere Abgrenzung vor; er sieht die Arbeitsfähigkeit im Spannungsfeld zwischen den menschlichen Ressourcen und den Arbeitsbedingungen, bezieht in die Beschäftigungsfähigkeit (Workability) aber auch sozialpolitische Dimensionen, wie Beschäftigungspolitik, Ruhestandsregelungen, die Sozial- und Gesundheitsversorgung, Erwachsenenbildungspolitik und Verhinderung von Altersdiskriminierung ein, was sich aus dessen volkswirtschaftlichem Fokus erklärt. Da hier aber primär die Situation, Problemlösungsmöglichkeiten und beruflich sinnvolle Strategien für die Betroffenen behandelt werden sollen, haben Umstände, die nicht der individuellen Gestion unterliegen, hier grds. außer Betracht zu bleiben; sie werden nur kurz nebenbei in manchen Aspekten gestreift. Die Arbeits(bewältigungs)fähigkeit ergibt sich in Bezug auf die Anforderungen an einer bestimmten Stelle (als kleinste organisatorische Einheit) aus physischen (Erholungsfähigkeit nach der Arbeit, Schutz vor körperlicher Überlastung, Verletzungen, Unfällen etc.) und mentalen Reserven (realistische Einschätzung des Arbeitspensums, Schutz vor Erschöpfung) sowie sozialem Rückhalt (Integration und Vernetzung), die in ständiger Wechselwirkung stehen: Körperliche Überforderung hat Rückwirkungen auf die mentale Befindlichkeit und kann zu sozialem Rückzug führen, aber auch umgekehrt (vgl. ILMARINEN, J., 2002, S. 95 und 169).
Im Regelfall ist es für den Einzelnen deutlich leichter, die eigene Workability aufrechtzuerhalten als die Employability, da man die spezifischen Anforderungen am Arbeitsplatz ja meist genau kennt; hier kommt es im wesentlichen darauf an, seine Leistungsgrenzen richtig einzuschätzen bzw. zu beachten, nicht zu überfordern und auf Veränderungen des Leistungsvermögens rasch und richtig zu reagieren (was nicht immer leicht fällt). Darüber hinausgehende Faktoren, die bei der Suche nach einer freien Stelle sehr wohl relevant sein können, wie etwa ein nicht durchgängiger früherer Berufsverlauf, ein Status als begünstigter Behinderter, Vorstrafen etc fallen hingegen kaum ins Gewicht. All das, was der Aufnahmeentscheidung für eine bestimmte Person im Wege stehen kann, aber auch eine Einengung des Wissens durch spezialisierte Berufsausübung ist bei aufrechtem Dienstverhältnis weitgehend unbeachtlich, kann aber bei der Arbeitssuche im Rahmen einer erforderlichen beruflichen Neuorientierung entscheidend sein. Die Aufrechterhaltung der Employability erfordert daher meist wesentlich mehr als das „Fitbleiben“ bei aufrechter Beschäftigung.
Obwohl Arbeit vieldimensional ist (reichend von ökonomischer Notwendigkeit bis zu einem davon losgelösten künstlichen Konstrukt; vgl. HEINTEL, P., 1996, S. 16 ff, darauf wird später näher eingegangen), wird sie hier nur als Erwerbsarbeit, also entgeltliche Tätigkeit verstanden. Ohne sie in irgendeiner Weise abwerten zu wollen, können daher Arbeiten, die bloß für sich selbst bzw. ohne wirtschaftliche Fremdvermarktungsabsicht (z.B. künstlerische Betätigung, Anbau von Obst und Gemüse für den Eigenbedarf) oder aufgrund sonstiger Notwendigkeiten (z.B. Haushalt, Kindererziehung) verrichtet werden hier nicht berücksichtigt werden.
Unter Arbeitsmarkt wird der primäre (jeweils nationale) Arbeitsmarkt verstanden. Andere Bereiche (Beschäftigungsmöglichkeiten für Menschen mit schwerer Behinderung und der geförderte sekundäre Arbeitsmarkt) oder Beschäftigungsmöglichkeiten im Ausland können daher nicht detailliert untersucht werden. Dieser Arbeitsmarkt, als Ausgleich des Angebots menschlicher Arbeitskräfte und der Nachfrage danach definiert (vgl. RAMM, Th., 1980, S. 13 ff), kann weiter unterschieden werden:
- Arbeitsmarkt im engeren Sinn (= Arbeitskräftemarkt, der sich aus Beschäftigten, also unselbständig Erwerbstätigen und Beschäftigungslosen zusammensetzt), während der
- Arbeitsmarkt im weiteren Sinn auch selbständig Beschäftigte, Freiberufler, Kleinhandwerker, Kleinsthändler, freie MA, mittätige Ehegatten, Schwarzarbeiter, Freizeitarbeiter und Gefängnisinsassen mit unfreier Arbeit umfasst. Dieser Bereich ist nicht Untersuchungsgegenstand.
Hier wird wie erwähnt nur der Arbeitsmarkt im engeren Sinn betrachtet.
Arbeitslosigkeit: Nach den Kriterien der ILO (International Labour Organization) ist eine Person „arbeitslos“, wenn sie 1. ohne Arbeit, 2. für Arbeit verfügbar und 3. aktiv arbeitssuchend ist. Dabei...