Zu diesem Buch
Auf die Situation der Schwangerschaft war ich einfach nicht vorbereitet, weil es in meinem ganzen Leben nie Thema gewesen war. Ich habe mich emotional nie darauf eingestellt. Mein Lebenskonzept ist einfach zusammengebrochen, obwohl ich das Kind wollte. Ich war nicht vorbereitet, hatte kein Modell dafür. Ich habe es mir zwar gewünscht, aber als es dann soweit war, hatte ich alles, was ich vorher unter Kontrolle hatte, nicht mehr unter Kontrolle. Auch davor hatte ich Angst. Es hat ja im Endeffekt alles gut geklappt, aber ich hatte doch Angst, daß mir der Boden unter den Füßen weggezogen wird. Und ich fühlte mich sehr ausgeliefert.
(Johanna, 38, Grafikerin[1])
Als meine Tochter vier Monate alt war, nahm ich als Übersetzerin an einer Podiumsdiskussion teil. Bei der Vorstellungsrunde erwähnte die Moderatorin neben meinem beruflichen Hintergrund auch die Tatsache, daß ich jetzt Mutter einer Tochter sei – und siehe da: Gleich nach dem Ende der Debatte kamen etliche junge Frauen auf mich zu, nicht, weil sie Fragen zu meinem Beruf hatten, sondern weil sie wissen wollten, wie ich Beruf und Kind unter einen Hut bringe. Das gleiche erlebte ich kurz darauf auf einem Fortbildungsseminar. Wo immer ich beruflich engagierten jungen Frauen mit einem Kinderwunsch oder mit einem kleinen Kind begegne, werde ich über kurz oder lang gefragt: »Und? Wie machst du es?« Ich erkannte, wie groß die Isolation und der Informationsnotstand junger Frauen in Sachen lebbarer Vereinbarkeitsmodelle wirklich sind. Ängste und Unsicherheit, wie Johanna sie im Eingangszitat beschreibt, sind die logische Folge davon.
Bisher hatte ich das Gefühl der Vereinzelung für mein Privatproblem gehalten, gedacht, es liege an meiner »Sonderform« der Freiberuflichkeit. Aber das ist ein Trugschluß. In Gesprächen mit den verschiedensten berufstätigen Frauen, Angestellten wie Selbständigen, Auszubildenden und Geschäftsführerinnen, erfuhr ich immer wieder von den gleichen Problemen.
Ich wußte einfach nicht, wie das ist mit Kind, was man da regeln muß. So was kriegt man bei all der Flut, die man lernt, überhaupt nicht vermittelt, was übrigens ein Manko ist. Ich hätte gerne hinterher ein Buch geschrieben: »Wie sage ich einer Frau, die zum ersten Mal ein Kind kriegt, was sie lassen kann und soll und wen sie vielleicht auch fragen kann?« Das ist wirklich eine Lücke: Man kriegt viele Informationen, aber nicht die richtigen.
(Carolin, 36, Geschäftsführerin)
Natürlich wissen die meisten Frauen, welche Arten von Kinderbetreuung es gibt, daß sie Anspruch auf Erziehungsurlaub haben und mit ihrem Arbeitgeber über Teilzeit verhandeln können. Aber das ist graue Theorie. Das, was zukünftigen oder frischgebackenen Müttern ständig das Gefühl gibt, Einzelkämpferinnen zu sein, ist der fehlende Austausch mit denjenigen, die schon entsprechende Erfahrungen gesammelt haben. Welches kinderlose Paar hat schon genügend Familien im Umfeld, bei denen es Erfahrungen einholen könnte? Und selbst wenn tatsächlich ein oder zwei Bekannte mit Kindern darunter sind, bedeutet das noch lange nicht, daß deren Modell oder Partnerschaftssituation auf das eigene Leben übertragbar ist.
Genau an diesem Punkt hat meine Arbeit angesetzt. Ich habe Frauen zu ihren Erfahrungen befragt und diese ausgewertet, um Ihnen aufzuzeigen, wie sich andere Paare der Kinderfrage genähert haben, welche Vorüberlegungen sie trafen, wie die Umsetzung ihrer Pläne verlief und welche langfristigen Veränderungen sich in ihrem Beruf, ihrer Partnerschaft und in ihrem Privatleben bemerkbar gemacht haben. Diese Erfahrungen möchte ich an Sie weitergeben und Ihnen schildern, was Sie beachten sollten und schon im Vorfeld, aber auch später noch in die Wege leiten können.
Wir haben alle das gleiche Ziel. Jede Frau, die ein Kind bekommt, ohne deshalb ihren Beruf aufgeben zu wollen, hofft und glaubt, daß es ihr möglich sein wird, Kinder zu haben, arbeiten zu gehen und ein gutes Eigenleben beziehungsweise eine Partnerschaft zu führen. Doch von selbst geht überhaupt nichts! Dafür klaffen unser gesellschaftliches System und die Lebenswirklichkeit der meisten Familien viel zu sehr auseinander. Dafür müssen wir noch viel zu oft ankämpfen gegen verständnislose Arbeitgeber, unflexible Arbeitszeiten, mangelnde Kinderbetreuungseinrichtungen, finanzielle Benachteiligung von Familien und anderes mehr.
Immer noch entscheiden sich die meisten jungen Mütter bei der Geburt eines Kindes für einen zeitweiligen Berufsausstieg, obwohl zwei Drittel von ihnen lieber berufstätig blieben, wenn sie Kind und Job besser miteinander vereinbaren könnten. Immer noch leisten Frauen den Hauptteil der Familienarbeit, auch wenn sie beruflich ebenso stark eingespannt sind wie ihr Partner. »Trotz aller öffentlichen Diskussionen über wünschenswerte oder notwendige Veränderung der Geschlechterrollen hat sich an der Alleinzuständigkeit der Frauen für Familienarbeit nichts Grundlegendes verändert. Allenfalls gibt es graduelle Verschiebungen«, berichten Adelheid Gliedner-Simon und Mechthild Jansen in ihrer Forschungsarbeit »Kinder, Küche und Karriere«.[2] Und das kann ewig so weitergehen – wenn wir es zulassen. Aber wenn Sie in Ihrem Leben mit Kind, Beruf und Partner nicht nur funktionieren, sondern auch Spaß haben wollen, dann darf es eben nicht ewig so weitergehen. Dann sind clevere Regelungen, aber auch Ihr Partner gefordert – und das in jeder Hinsicht: bei der Neugestaltung des Berufslebens ebenso wie bei der Kinderbetreuung und in der Beziehung.
Außerdem müssen Sie lernen, nach der Geburt Ihres Kindes weiter auf sich selbst zu achten. Sie glauben, das können Sie schon? Nun, vor dem ersten Kind wissen sich die meisten beruflich engagierten Frauen tatsächlich gut zu pflegen. Aber danach ist es oft genug Essig mit dem Eigenleben. Deshalb tut Abhilfe not.
Trübe sieht es auch bei der Umstellung von einer Liebesbeziehung auf die Elternschaft aus, die vielen Paaren Probleme bereitet. Mitunter entsteht dabei eine Schieflage, bei der die Partnerschaft schließlich ganz in den Keller rutscht. Wer seine Ansprüche an die Partnerschaft trotz Berufs- und Familienleben nicht untergehen lassen will, muß dafür etwas tun – und das heißt, zuallererst ein Gespür für die Gefahr entwickeln.
All dies sind Probleme, die sich mit der Familiengründung einstellen können. Sie restlos zu lösen geht natürlich nicht einfach so, und es geht auch nicht in jedem Fall, aber ein bißchen was geht immer! Das habe ich von meinen Gesprächspartnerinnen gelernt. Wenn Sie also nicht irgendwann im Familien- und Berufsalltag ertrinken wollen, dann lernen Sie rechtzeitig darauf zu achten, daß in Ihrer Familie (in spe) die Karten richtig gemischt und verteilt werden.
Für meine Arbeit an diesem Buch habe ich berufstätige Frauen mit Kindern ausführlich zu ihren Erfahrungen mit der Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben interviewt. Gemeinsam war ihnen allen die Überzeugung, daß ihr Job ein wichtiger Teil von ihnen ist, auf den sie trotz Kinder nicht verzichten möchten. Darüber hinaus habe ich versucht, ein möglichst breites Erfahrungsspektrum zusammenzutragen, d.h. die Interviewpartnerinnen sollten sich in Alter, Beruf und Lebensform möglichst unterscheiden. So war die jüngste Frau zum Zeitpunkt des Interviews 22, meine älteste Gesprächspartnerin 50 Jahre alt. Der Altersschwerpunkt lag zwischen 30 und 40 Jahren. Eine Frau steckte mitten in einer kaufmännischen Berufsausbildung, andere sind Hebamme, Lehrerin, Erzieherin, Lektorin, Krankenschwester, Journalistin oder Geschäftsführerin. Zwei Drittel der Frauen leben mit einem Partner zusammen, die anderen sind alleinerziehend.
Da viele Frauen den Wunsch hegen, nach der Geburt möglichst schnell an den Arbeitsplatz zurückzukehren, habe ich bewußt solche Interviewpartnerinnen ausgesucht, die mit einem baldigen Wiedereinstieg beziehungsweise der sofortigen Weiterarbeit nach dem Ablauf der Mutterschutzfrist Erfahrungen gemacht haben. Keine hat nach der Geburt länger als achtzehn Monate pausiert, die meisten kehrten während des ersten Lebensjahres ihres Kindes mit verschiedenen Arbeitszeitmodellen in den Job zurück.
Die Erfahrungen dieser Frauen, ihre Erfolgserlebnisse wie festgestellte Mängel, Irrtümer und Korrekturen sind in dieses Buch eingeflossen, um jenen von Ihnen, die sich ernsthaft ein Kind wünschen, einen realistischen Eindruck davon zu vermitteln, was auf Sie zukommt, und um Sie und Ihren Partner mit einem gewissen Know-how zu versorgen. Wenn Sie noch Zweifel haben sollten oder wenn Ihr Partner noch unschlüssig ist, Sie dagegen fest zu einem Kind entschlossen sind, hält dieses Buch interessante Beispiele für Sie bereit, aber auch einige Warnungen und Hinweise auf Stolpersteine, die Ihnen auf Ihrem Weg in die Quere kommen und Sie aus Ihrer Bahn werfen können.
Wenn Sie gerade schwanger sind oder bereits kleine Kinder haben, werden Sie in diesem Buch vermutlich vieles finden, was Ihnen bekannt vorkommt, mit dem Sie sich vielleicht ebenfalls gerade herumschlagen oder in Kürze befassen müssen. Ich hoffe, Sie werden beim Vergleich Ihrer eigenen Erlebnisse mit denen anderer Frauen wertvolle Einsichten gewinnen und nach Kräften von den Erkenntnissen anderer profitieren können.
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