∎ STEFFEN BECKER
ViP-Gewohnheiten
Nur 5 Prozent unserer täglichen Entscheidungen können wir bewusst treffen. 95 Prozent erreichen das Gehirn nicht unmittelbar. Wer also in der Lage ist, seine 95 Prozent unbewussten Entscheidungen (Gewohnheiten) bestmöglich herauszubilden, hat einen erheblichen Vorsprung im Verkauf. Darum und was es mit den ViP-Gewohnheiten auf sich hat, geht es in diesem Beitrag.
Erfolgsvoraussetzungen für den Verkauf – Gewohnheiten und wie sie entstehen
Der Münchner Psychologe und Hirnforscher Ernst Pöppel hat errechnet, dass wir täglich bis zu 20 000 – zum Teil banalste – Entscheidungen zu treffen haben. Müssten wir über diese Unmenge an Anfragen jedes Mal intensiv nachdenken, wären wir schnell handlungsunfähig. Dank der Gewohnheiten kann das Gehirn autark beschließen, was zu tun ist.1 95 Prozent dieser Entscheidungen erreichen unser Bewusstsein nicht einmal, fand wiederum der Harvard-Professor Gerald Zaltman heraus.2
Dies bedeutet, dass nur 5 Prozent unserer täglichen Entscheidungen mit bewussten Prozessen im Gehirn verbunden sind. 95 Prozent sind also ein reiner Automatismus. Diesen Automatismus hat man uns jedoch nicht einfach in die Wiege gelegt. Wir haben ihn durch das ständige Wiederholen von Denk- und Verhaltensweisen erlernt – und das vornehmlich im Kindes- und Jugendalter. Dabei hat uns unser soziales und familiäres Umfeld stark geprägt.
In diesem Zusammenhang stellt sich eine wichtige Frage: Besitzen wir nur Gewohnheiten, die uns heute förderlich sind? Welche Gewohnheiten halten uns davon ab, im Verkauf erfolgreicher zu sein? Könnte es an ihnen liegen, dass wir zu wenige Neukunden haben oder dass wir im Bereich des Kundenbeziehungsmanagements nicht gut genug sind? Verfügen wir über ausreichend soziale Kompetenzen, um ein Meister des Verkaufs zu sein?
Wie das typische Verhalten und die typische Persönlichkeit von Verkäufern aussehen, damit hat sich ein Artikel in der Zeitschrift »Wirtschaft & Weiterbildung« beschäftigt. Er kommt zu interessanten Erkenntnissen:
A) Das typische Verhalten der Top-Verkäufer
1. Die Basics. Die Grundvoraussetzungen für den Erfolg im Verkauf sind:
– Der Verkäufer lebt leidenschaftlich für den Verkauf.
– Der Verkäufer erweckt Vertrauen, weil er Kompetenz ausstrahlt.
– Der Verkäufer nimmt den Kunden ernst.
Wer die Basics nicht verfügbar hat, kann nie die 50-Prozent-Marke im Ranking der Verkäufer überwinden.
2. Die Gold-Nuggets. Die Garanten für den Abschluss:
Alle, die hohe Abschlussquoten haben, zeigen folgende Verhaltensweisen sehr ausgeprägt:
– Sie sind zielorientiert.
– Sie sind wettbewerbsorientiert.
– Sie sind voller Tatendrang.
– Sie können (Abschluss-)Chancen erkennen und verwerten.
3. Die Verstärker. Die Gründe für langfristigen Erfolg
Verkäufer, »die verlässlich« und »gelassen« agieren, waren nicht nur bei den Abschlüssen gut, sondern hatten langfristig Erfolg – also weniger Stornierungen und eine höhere Kundenbindung.
B) Die typische Persönlichkeit der Top-Verkäufer
Ergebnisse: Die Top-Verkäufer des untersuchten Unternehmens sind im Vergleich zum Durchschnitt …
– emotional stabiler,
– wesentlich kontaktfreudiger und taktvoller.
– Sie können besser mit Komplexität umgehen.
– Sie scheuen nicht den Konflikt.
– Sie streben stärker nach Perfektion.
– Sie sind besser organisiert.
– Sie haben einen enormen inneren Antrieb.3
Was dabei auffällt, ist, dass alle diese Punkte durch eigene Gewohnheiten entwickelt werden können. Zum jetzigen Zeitpunkt hat jeder Leser dieser Zeilen einen anderen aktuellen Stand. Jedoch haben nahezu alle Menschen Entwicklungspotenziale beim Verkauf.
Verantwortung für das Entstehen von Gewohnheiten
Wie entstehen Gewohnheiten? Sie werden durch das ständige Wiederholen entwickelt. Gewohnheiten bringen uns eine Befriedigung und es ist notwendig, dass es sie gibt. Das Gehirn verbraucht rund 20 Prozent unserer Energie. Wenn alle Entscheidungen bewusst durchgeführt würden, dann wäre unser Energieverbrauch viel höher und wir wären vermutlich nicht in der Lage, noch andere Dinge zu unternehmen oder beispielsweise Sport zu treiben. So gesehen sind Gewohnheiten dazu da, unser Leben zu vereinfachen. Schauen wir uns den Entstehungsprozess von Gewohnheiten nun etwas genauer an. Wie wir bereits wissen, bereiten sie uns Befriedigung – sie rufen also Reaktionen hervor, die uns nützlich waren, als wir die Gewohnheiten entwickelten. Der Prozess der Entwicklung ist eine Wiederholung des in Abbildung 1 dargestellten Denk- bzw. Steuerungsprozesses.
Abb. 1: Adler´sches Steuerungsmodell (Quelle: Eric Adler, modifiziert vom Autor)
Aus diesem Modell geht hervor, dass durch die Wahrnehmung und den Abgleich mit unseren Glaubenssätzen über das Gefühl eine Handlung vollzogen wird, die zu einer Reaktion führt. Insofern haben uns die vorhandenen Gewohnheiten positive Reaktionen erfahren lassen. Dies kann Jahre zurückliegen und ist demnach auch tief verankert. Nur was wir uns angewöhnt haben, können wir auch wieder durch neue, uns zuträglichere Gewohnheiten ersetzen. Der Nachteil dabei: Es braucht Zeit und kann auf keinen Fall von heute auf morgen funktionieren.
Die Verantwortung, die wir als Menschen haben, bezieht sich sowohl auf die Wahrnehmung als auch auf die Bewusstwerdung unserer Glaubenssätze. Diese müssen wir gegebenenfalls weiterentwickeln oder wir müssen neue Glaubenssätze bilden. Wenn ich mit Situationen in meinem Leben unzufrieden bin, dann habe ich mich in Zukunft anders zu verhalten, um andere Ergebnisse zu erzielen. Der Prozess der Veränderung eines Glaubenssatzes ist notwendig, um andere Dinge zu bekommen, als diejenigen, die ich bisher bekommen habe. Genau hier ist der Ansatz: Wir haben als denkende Menschen die Freiheit, uns weiterzuentwickeln.
Was Authentizität ausmacht
Was ist Authentizität überhaupt genau? Aus meiner Sicht handelt es sich dabei um die Konformität des Gesagten, sprich der Handlung aus Abbildung 1, mit dem, was ich fühle und wirklich denke. Die Körpersprache lügt nie; was wir Menschen oftmals unberücksichtigt lassen, ist die Tatsache, dass andere Personen diese Sprache verstehen und entschlüsseln können. Wir sind – sicherlich meistens unbewusst – in der Lage, die tatsächlichen Signale anderer Menschen zu verstehen. Nur wenn diese Signale mit der Handlung und dem gesprochenen Wort in Einklang stehen, nur dann sind wir authentisch.
Professionelle Schauspieler haben es sich zur Gewohnheit gemacht, diese Authentizität verinnerlichen zu können – nur so können sie ihre jeweilige Rolle so darstellen, wie sie in Wirklichkeit ist. Klar, werden Sie nun vielleicht sagen, wir schauspielern doch alle ein wenig – im Job, im Umgang mit dem Partner … Haben Sie nicht auch schon einmal die Erfahrung gemacht, dass dies nur für einen Moment wirklich gut funktioniert? Auf Dauer fällt dieses Schauspielern auf und bringt nur Nachteile mit sich. Ich als Verkäufer möchte den Menschen, mit denen ich es zu tun habe, auch später noch guten Gewissens unter die Augen treten können. Menschen zu belügen, nur um einen eigenen Vorteil zu erhalten, hat aus meiner Sicht nichts mit einem positiv besetzten persönlichen Wert zu tun. Wie steht es bei Ihnen? Haben Sie sich schon einmal über Ihre Werte Gedanken gemacht und sie möglicherweise niedergeschrieben? Ich garantiere Ihnen, es ist ein spannender Prozess.
Verabschiedung des SAU-Prinzips
Beschäftigen wir uns nun einmal mit dem »SAU-Prinzip«. Den meisten von Ihnen ist dieses Prinzip sicherlich unbekannt. SAU steht für das »Scheitern am Umsetzen«. Viele Menschen haben unerfüllte Wünsche, sie träumen von etwas, doch es fehlt ihnen oftmals die Fähigkeit, diese Wünsche und Träume umzusetzen. Andere, vermeintlich wichtigere Dinge werden hingegen täglich erledigt. Bei meinen zahlreichen Coachings habe ich immer wieder festgestellt, dass diejenigen, die strukturell, gewissenhaft und vor allem beständig an einer Sache dranbleiben, erfolgreich sind. Viele Menschen setzen jedoch sehr häufig ihre Prioritäten so, dass das eher unvorteilhaft für das persönliche Weiterkommen ist.
Wie sonst ist es zu erklären, dass beispielsweise »im Schnitt die Vertriebsmitarbeiter nur 11 Prozent ihrer Arbeitszeit mit dem aktiven Verkauf verbringen, wobei die Verkäufer selbst davon ausgehen, 22 Prozent ihrer Zeit für den aktiven Verkauf zu verwenden«4? Aus meiner Sicht ist die Zeit für den aktiven Verkauf deutlich zu gering. Wie kann ich mir gewohnheitsmäßig...