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Italia! Die Italiener und ihre Leidenschaft für das Essen

Eine Reise von den Alpen bis Sizilien und Sardinien Mit einem Vorwort von Umberto Eco

AutorElena Kostioukovitch
VerlagS. Fischer Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl552 Seiten
ISBN9783104034911
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Die Regionen, die Feste, die Spezialitäten - ganz Italien in einem Buch. Ein Fest für jeden Italienliebhaber! Die leidenschaftliche Beziehung der Italiener zu ihrer Küche ist legendär. Gespräche über das Aroma eines »ragù« und den passenden Rotwein haben den gleichen Stellenwert wie das Debattieren über Sport oder Politik. Dieses Phänomen hat die Historikerin Elena Kostioukovitch, die seit über 20 Jahren in Italien lebt, nicht mehr losgelassen. Sie nimmt uns mit auf eine Reise durch die Geschichte, Kultur und Traditionen der Küche Italiens. Kenntnisreich und unterhaltsam berichtet sie von den regionalen Spezialitäten und Eigenheiten, vom bergigen Friaul bis hin zu den Olivenhainen Siziliens. Sie erzählt von altüberlieferten Zubereitungsmethoden, von Slow Food und Volksfesten und macht so die einzigartige Vielfalt und den Reichtum der italienischen Kultur, die Leidenschaft und Lebensfreude Italiens auf unnachahmliche Weise erfahrbar. Mit zahlreichen s/w Fotos. »Eine wunderbare Sammlung prägender Gerichte, die die Vielfältigkeit der italienischen Küche widerspiegeln. Die Darstellung von Küche, Kultur und den Menschen der verschiedenen Regionen gleicht einem Gemälde.« Annie Proulx

Elena Kostioukovitch lebt seit 20 Jahren in Mailand, wo sie eine Literaturagentur leitet und als Übersetzerin arbeitet. Ihr Buch über die italienische Küche und Kultur ist in über zehn Ländern erschienen und hat zahlreiche Preise gewonnen, u.a. den Premio Bancarella della Cucina und den Premio Nazionale »Città di Chiavari«.

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Leseprobe

Vorwort von Umberto Eco


Warum sollte ich das Vorwort zu einem Buch über Kochkultur schreiben? So fragte ich mich, als die Autorin dieses Buches mich darum bat, und mir kam der Verdacht, dass ich nur deshalb sofort zugesagt hatte, weil Elena Kostioukovitch meine russische Übersetzerin ist und ich sie nicht nur wegen der Liebe und der Geduld bewundere, mit denen sie sich meiner Bücher angenommen hat, sondern auch wegen ihrer Intelligenz und umfassenden Bildung. Aber genügt das als Grund, fragte ich mich, denn ich bin schließlich kein Gourmet?

Verstehen wir uns recht, ein Gourmet ist nicht, wer sich freut und glücklich schätzt, wenn er einen exzellenten Canard à l’orange oder eine üppige Portion Beluga-Kaviar mit Blini vorgesetzt bekommt. So jemand ist nur ein normaler Mensch, dessen Geschmack noch nicht durch die heute üblichen Fastfood-Ketten verdorben ist. Nein, ein Gourmet, ein Feinschmecker, ein leidenschaftlicher Liebhaber guter Küche ist, wer es fertigbringt, Hunderte von Kilometern zu fahren, um ein bestimmtes Restaurant zu besuchen, in dem es den besten Canard à l’orange der Welt gibt. Und ich bin keiner von dieser Sorte, denn gewöhnlich, wenn ich die Wahl habe zwischen einer Pizza an der Ecke und einer stundenlangen Fahrt über Land oder auch bloß einer kurzen Taxifahrt in der Stadt, wähle ich die Pizza.

Aber stimmt das wirklich so? Ich muss zugeben, ich bin viele Kilometer durch die Langhe gefahren (in deren Nähe ich geboren bin und über die Elena im Piemont-Kapitel spricht), um einen französischen Freund (der tatsächlich ein großer Gourmet ist) mit den legendären Alba-Trüffeln bekannt zu machen, und weitere Kilometer bin ich gefahren, um am Festmahl der bagna caòda in Nizza Monferrato teilzunehmen, wo man sich mittags zu Tisch setzt und erst nachmittags um fünf wieder aufsteht und alles außer dem abschließenden Espresso mit Knoblauch gewürzt ist. Und einmal bin ich in die entlegenste Peripherie von Brüssel gefahren, um jenes belgische Bier zu kosten, das sie gueuse nennen und das man nur dort trinken kann, weil es den Transport nicht verträgt (nebenbei gesagt: es lohnt die Fahrt nicht, lieber ein gutes englisches Ale).

Also was nun? Bin ich an guter Küche interessiert oder nicht? Sehen wir uns noch einmal die drei Beispiele an, die ich genannt habe. Das eine Mal bin ich so weit gefahren, um herauszufinden, welche Art Bier die Belgier mögen, das andere Mal, um einem Ausländer die piemontesische Kultur nahezubringen, und das dritte Mal, um den Geschmack eines Rituals wie dem der bagna caòda wiederzufinden, der mich an magische Augenblicke meiner Kindheit erinnert … In all diesen Fällen ging ich auf die Suche nach gutem Essen nicht wegen des Gaumens, sondern wegen der Kultur, soll heißen, nicht (oder nicht nur) um einen guten Geschmack im Mund zu verspüren, sondern um eine Erkenntnis zu gewinnen oder mir eine Erinnerung wachzurufen oder eine Tradition, ja eine Zivilisation zu verstehen und verständlich zu machen.

Und ich muss ebenfalls zugeben, dass ich zwar, wenn ich allein bin, mich mit der Pizza an der Ecke begnüge und nicht auf kulinarische Entdeckungsreisen gehe, aber sobald ich in ein anderes Land komme, mache ich, noch bevor ich die Museen oder Kirchen besuche, zweierlei: Erst gehe ich durch die Straßen, versuche mich ziellos und ohne Eile treiben zu lassen, um die Leute, die Schaufenster, die Farben der Häuser zu betrachten und die Gerüche wahrzunehmen; und dann mache ich mich auf die Suche nach lokalen Gerichten, denn ohne die Erfahrung des Essens würde ich den Ort, an dem ich bin, und die Denkart seiner Bewohner nicht verstehen.

Und ich muss auch zugeben, in allen meinen Romanen – vielleicht etwas weniger in Das Foucaultsche Pendel, wo sich die Protagonisten (und die Leser) sozusagen zu Hause bewegen, zwischen Mailand und Paris, aber sicherlich in Baudolino, in Die Insel des vorigen Tages und in meinem bisher letzten, Die geheimnisvolle Flamme der Königin Loana – lasse ich meine Personen oft zu Tisch sitzen, so wie auch mindestens einmal die Mönche in Der Name der Rose, und beschreibe ausgiebig, was sie dort essen. Denn wenn man sich auf den Inseln der Südsee oder im byzantinischen Orient herumtreibt oder in einer seit Jahrhunderten oder Jahrzehnten verschwundenen Welt, muss man den Leser die Speisen kosten lassen, damit er verstehen lernt, wie die Personen denken.

Ich habe also sehr gute Gründe, ein Vorwort für Elenas Buch zu schreiben. Denn Elena, die sich hier auch als exzellente Kennerin der italienischen Küche mit allen ihren Nuancen und Geheimnissen erweist, führt uns an der Hand (und sagen wir ruhig auch am Gaumen und an der Nase) auf eine kulinarische Reise, um uns nicht nur die Speisen Italiens nahezubringen, sondern auch das Land Italien und all seine Teile, die sie ein Leben lang erkundet hat. Das Buch, das sie geschrieben hat, ist ein Buch über Küche, aber auch ein Buch über ein Land und eine Kultur, genauer: über viele Kulturen.

Es ist ja immer irgendwie heikel, von »italienischer Kultur« zu sprechen, ähnlich wie von »italienischer Landschaft«. Wenn man im Auto durch die USA fährt, kann es einem passieren, dass man tagelang endlose Horizonte sieht (und wenn man irgendwo anhält, bekommt man den gleichen Hamburger wie beim letzten Halt). Wenn man den Norden Europas bereist, kann man nicht selten vor ebenso weiten Horizonten lange Strecken auf Autobahnen fahren und nichts als prächtige Kornfelder sehen – und ich spreche hier nicht von der Erfahrung einer Reise durch die Steppen Zentralasiens, durch die Sahara oder die Wüste Gobi oder die australische Wüste, in deren Mitte sich der große Felsen von Ayers Rock erhebt. Diese Erfahrung eines Kontakts mit der Unendlichkeit der Natur hat die Idee des Erhabenen hervorgebracht, von Erhabenheit reden wir angesichts stürmischer Meere und Himmel, gigantischer Schluchten und Bergspitzen, schroffer Felswände, endloser Eisflächen und grenzenloser Weiten.

Gut, nach Italien kommt man nicht, um den Taumel angesichts gotischer Kathedralen, hoch aufragender Pyramiden oder tosender Niagarafälle zu genießen. Hat man einmal die Alpen überwunden (wo es sicher auch erhabene Anblicke gab, aber die hätte man auch in Frankreich, in der Schweiz, in Deutschland oder Österreich haben können), macht man eine andere Erfahrung. Der Horizont erweitert sich nie zu titanischer Größe, da er stets begrenzt wird von einem Hügel zur Rechten, einer sanften Bergeshöhe zur Linken, und die Fahrt wird ständig unterbrochen durch kleine Ortschaften, mindestens alle fünf Kilometer. Und nach jedem Stück Straße (außer in einem bestimmten Abschnitt der Poebene) kommt eine Kurve, ein Richtungswechsel, und die Landschaft ändert sich, so dass man nicht nur von Region zu Region, sondern auch innerhalb einer Region immer andere Länder entdeckt, mit unendlichen Abstufungen vom Gebirge zum Meer, durch immer neue Hügelformationen. Es gibt wenige Analogien zwischen den piemontesischen Hügeln und denen der Toskana oder der Marken, manchmal genügt es, von Osten nach Westen oder umgekehrt durch den Apennin zu fahren, der den ganzen Stiefel wie eine Wirbelsäule durchzieht, um den Eindruck zu gewinnen, man komme in ein ganz anderes Land. Sogar die Meere sind verschieden, an der tyrrhenischen Küste bieten sie andere Panoramen, Ufer und Strände als an der adriatischen Küste, zu schweigen von den Meeren der Inseln.

Diese Vielfalt ist nicht nur kennzeichnend für die Landschaft, sondern auch für ihre Bewohner. Italien hat verschiedene Dialekte, die von Region zu Region so stark wechseln, dass ein Sizilianer, wenn er einen Piemontesen aus dem Nordwesten reden hört, so gut wie nichts versteht. Aber nur wenige Nichtitaliener können sich vorstellen, dass die Dialekte sogar von Stadt zu Stadt wechseln, innerhalb ein und derselben Region und manchmal, wenn auch selten, sogar von Dorf zu Dorf.

Das liegt daran, dass auf dem Stiefel die Nachkommen vieler verschiedener Stämme leben: die der Kelten oder Ligurer, die den Norden bewohnten, bevor die Römer kamen, die der Illyrer im Osten, der Etrusker und der diversen mittelitalischen Stämme, die der Griechen im Süden und dann die der vielen Ethnien, die sich im Laufe der Zeit über die autochthonen Bevölkerungen schoben, der Goten, der Langobarden, der Araber und der Normannen (um nicht von den Franzosen, Spaniern und Österreichern zu reden – aber erwähnt sei auch, dass an der nordwestlichen Grenze etwas gesprochen wird, was dem Französischen sehr ähnelt, und in den Bergen des Nordens eine deutsche Mundart und in einigen Dörfern des Südens eine albanische).

Dieselbe Vielfalt wie die der Landschaften, Sprachen und ethnischen Gruppen kennzeichnet auch und vor allem die Küche. Nicht die italienische Küche, die man im Ausland genießt und die, so gut sie auch sein mag, wie die chinesische Küche außerhalb Chinas ist, eine Art Koiné, eine Gesamtküche, die sich an verschiedenen Regionen inspiriert und zwangsläufig Konzessionen an den lokalen Geschmack und die Erwartungen des »mittleren« Kunden macht, der ein »mittleres« Bild von Italien sucht.

Wer der italienischen Küche in ihrer ganzen Vielfalt begegnen will, muss die enormen Unterschiede erkennen, die nicht nur in der Sprache, sondern auch in den Vorlieben, Mentalitäten, Launen, Humorvorstellungen, Haltungen gegenüber Schmerz und Tod, Gesprächigkeit oder Schweigsamkeit einen Sizilianer von einem Piemontesen trennen oder einen Venezianer von einem Sarden. Vielleicht gilt für Italien mehr als für andere Länder (auch wenn das Gesetz für alle...

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