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Fünf Jahre angolanische Vertragsarbeiterschaft in Karl-Marx-Stadt: Wie war es damals - wie geht es ihnen heute?

AutorNadja Kemter
VerlagBachelor + Master Publishing
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl69 Seiten
ISBN9783955499587
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
'Die vergessen, was wir für sie getan haben. Ich denke, wir haben viel gemacht für die DDR. Wir haben unseren Beitrag zur Volkswirtschaft geleistet.' 'Die Wirtschaft der DDR war ohne sie nicht denkbar, aber niemand war ihnen dankbar.' Vier kurze Sätze nur, die die Unzufriedenheit von Menschen erkennen lassen, über die heute fast niemand mehr spricht, von einer Zeit, an die sich viele schon nicht mehr erinnern können. Diese zwei Zitate verdeutlichen den Frust der Vertragsarbeiter in der ehemaligen DDR, der begründet war durch die schlechten Lebens- und Arbeitsumstände, die bereits seit den 1970er Jahren vorherrschende Ausländerfeindlichkeit und außerdem durch die Undankbarkeit, die ihnen trotz der nicht unwesentlichen Leistung, die sie für die Wirtschaft erbracht haben, entgegengebracht wurde. Auch im industriell geprägten Ballungsgebiet Karl-Marx-Stadt, dem heutigen Chemnitz, arbeiteten ab den 1970er Jahren bis kurz nach der Wende Vertragsarbeiter, unter ihnen auch Arbeiter aus Angola. Doch wie erlebten die Angolaner die Zeit der Arbeit in der DDR und die der Wende? Wie beurteilten die Befragten selbst die Situation? Und die im Theorieteil erörterten Gesichtspunkte der Ausländerfeindlichkeit sowie der Lebens- und Arbeitsbedingungen in der Vorwendezeit? Damit beschäftigt sich die vorliegende Arbeit, die in Form einer Biographie mit den Erhebungsformen des narrativen Interviews und des Leitfadeninterviews verfasst wurde.

Nadja Kristin Kemter, B. A., wurde 1986 in Lichtenstein/ Sachsen geboren. Ihr Studium der Europastudien mit dem Schwerpunkt Kultur- und Sozialwissenschaften an der TU Chemnitz schloss die Autorin 2011 mit dem akademischen Grad Bachelor of Arts ab. Währen

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Leseprobe
Textprobe: Kapitel Teil III, Praktischer Teil: Durchführung und Auswertung der Interviews: 3.1.1, Die Interviews - Das erste Interview mit Jairo Oliveira - Die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Jairo Oliveira: Jairo Oliveira kam 1986 in die DDR, nachdem er sich in Angola auf ein Inserat beworben hatte, in dem 'massiv' Lehrlinge, Arbeiter und Studenten angeworben werden sollten, um in der DDR eine Ausbildung zu absolvieren und die dortige Wirtschaft zu unterstützen, denn 'Mechaniker wurden gebraucht und gesucht.' Somit stimmt seine Aussage mit dem im Theorieteil erwähnten Mangel an Arbeitskräften überein. In der DDR hatte Oliveira im Gegensatz zu vielen anderen Vertragsarbeitern und auch zu den anderen Befragten die Möglichkeit, eine Ausbildung abzuschließen und außerdem noch weitere qualifizierende Lehrgänge, wie in seinem Fall den Schweißerlehrgang, zu absolvieren. Er hebt sich von den anderen von mir befragten ehemaligen angolanischen Vertragsarbeitnehmern auch dadurch ab, dass ihm anvertraut wurde, als Betreuer und Dolmetscher von 200 Kollegen in seinem Betrieb, den BARKAS-Werken, zu fungieren. Dieser Umstand ermöglichte ihm auch ein eigenes Zimmer, was zu dieser Zeit alles andere als selbstverständlich war. Auch abgesehen davon bezeichnete er die Wohnbedingungen als 'SEHR gut', was durch seine Aussprache im Interview und die damit verbundene Großschreibung dieses Wortes noch zusätzlich betont wurde. Die im Theorieteil beschriebene Behandlung als 'Sklaven' und die damit verbundene Ausgrenzung kann Herr Oliveira nicht bestätigen. Er beschreibt das Verhältnis zu seinen deutschen Kollegen als problemlos. Allerdings bestätigt er die im Theorieteil erwähnte fehlende Öffentlichkeitspolitik, denn er sagt im gleichen Atemzug, dass er von eventuellen Ausgrenzungen und Diskriminierungen auch 'nicht so viel gehört oder mitbekommen' hat, weil während der DDR durch den Staatsapparat 'alles unter Kontrolle gewesen' sei. Neben seiner Ausbildung musste Jairo Oliveira auch ein Jahr 'intensiv' Deutsch lernen, was er als sehr schwierig und anstrengend empfand, denn die Sprache war für ihn und seine Kollegen 'eigentlich unbekannt und die Ausbildung war schwer GENUG.' Dies wurde auch im Interview durch ein Aufstöhnen deutlich, nachdem ich ihm die Frage nach dem Erlernen der deutschen Sprache gestellt hatte. Trotzdem bemühte er sich nach dem Pflichtjahr auch weiterhin, Deutsch zu lernen und besuchte nach der Arbeit abends die Volkshochschule, denn laut Oliveira ist: die Sprache [...] das A und O, wenn man in einem Land leben möchte, [...] mindestens also man kommunizieren konnte mit Leute. Sonst ist es ein Nachteil, irgendwie ein Arbeit zu finden. Diese Aussage verdeutlicht seinen Willen und seine Bereitschaft, sich in die Gesellschaft zu integrieren und außerdem seinen Wunsch, dass die Leute, die nach Deutschland kommen um dort zu leben, sich 'auch alle nach Gesetz und [...] was Deutschland eigentlich verlangt', richten müssen. Seine Freizeit verbrachte Herr Oliveira sowohl mit Landsleuten als auch mit seinen deutschen Kollegen, die ihn und seine Freunde sogar zu sich nach Hause einluden. Zusammen mit ihnen tanzten sie sowohl privat als auch auf Veranstaltungen gern Breakdance und gingen zusammen in Diskotheken, was vor der Wende überhaupt kein Problem darstellte. Somit wird die im Theorieteil erwähnte Fremdheit und Abgrenzung nicht deutlich, was hier aber natürlich nur auf die Kollegen bezogen ist und keinen Aufschluss über die Meinung der Mehrheitsbevölkerung gibt. 3.1.2, Die Ausländerfeindlichkeit gegenüber Jairo Oliveira: Herr Oliveira hat vor der Wende 'keine schlechten Erfahrungen GEMACHT' und wurde nicht mit ausländerfeindlichen Äußerungen konfrontiert. Durch die Betonung des Wortes 'gemacht' wird deutlich, dass die Lage problemlos und entspannt war und er jedes Lokal besuchen konnte, was er wollte, ohne Anfeindungen zu befürchten. Jedoch wird durch die Betonung auch die Endlichkeit dieses Zustandes deutlich. Er wiederholt immer wieder, dass zu 'DDR-Zeiten war alles (...) problemlos' und dass sie sich stets wohlgefühlt haben. Dies wird im Theorieteil teilweise anders dargestellt, denn dort wird beschrieben, dass die Ausländer unter permanenten Repressalien leiden mussten und sich deshalb nie richtig wohlfühlen konnten. Nach der Wende hingegen hat sich die zuvor entspannte Situation schlagartig geändert und die Lage geriet 'total außer Kontrolle.' Jairo Oliveira bedauert, dass seitdem auf den Besuch von manchen Lokalen und Diskotheken verzichtet werden muss, weil es damals einen stetigen Anstieg von ausländerfeindlichen Äußerungen und Beschimpfungen zu verzeichnen gab. Diese Problematik kann beim Vergleich mit dem im Theorieteil angegebenen Informationen bestätigt werden, denn auch dort spricht man von einem Anstieg von fremdenfeindlichen Vorfällen und Äußerungen nach dem Mauerfall und zudem von einem aufkommenden Rechtsextremismus. Allerdings ist hervorzuheben, dass Jairo Oliveira sich nicht mit der vorherrschenden Situation abfindet, sondern gegen Vorurteile und Ausgrenzungen kämpft. Für diesen Zweck führte er zusammen mit der 'AG In- und Ausländer' Veranstaltungen und Schulumzüge durch, um Aufklärungsarbeit zu leisten und um Vorurteilen entgegenzutreten und diese abzubauen. Außerdem schaffte er es mit der Gründung des 'Palanca Clubs' in Chemnitz, gezielt Jugendliche verschiedener Hautfarben zusammen zu bringen, die gemeinsam Karaoke,- Graffiti- und Tanzprogramme veranstalteten. All diese Dinge halfen, dass es zwischen den verschiedenen Nationalitäten mehr Kommunikation und Verständnis gab und dass 'Chemnitz [...] ein bisschen offener geworden' ist. Deshalb findet es Jairo Oliveira auch wichtig, dass die sich die Ausländer, die nach Chemnitz kommen um dort zu leben, anpassen müssen.
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