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Weltfremdheit und Weltflucht: Kulturpessimismus in der Moderne bei Emil Cioran und Fernando Pessoa

AutorStefan Plank
VerlagBachelor + Master Publishing
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl54 Seiten
ISBN9783863419189
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis17,99 EUR
Dieses Buch behandelt die Thematik der Weltflucht und der Weltfremdheit als kulturpessimistische Phänomene der modernen Zeit. Ausgehend vom rumänischen Philosophen und Aphoristiker E.M. Cioran und vom portugiesischen Lyriker und Schriftsteller Fernando Pessoa sollen diese, gewissermaßen als Präzedenzfälle einer radikalen skeptischen Denkströmung, der Kritik und des Unbehagens hinsichtlich kultureller Beschaffenheiten herangezogen werden. Von ihren Hauptwerken ausgehend sollen sie innerhalb einer kulturmorphologischen Expertise der Dekadenz und Kulturkritik eingeordnet werden und diesbezüglich auch andere philosophische Standpunkte aufgezeigt werden, Dabei wird ein Thema angesprochen, das weder fröhlich noch traurig, jedoch notwendig verhalten wirken muss.

Stefan Plank, 1988 in Südtirol geboren, wohnhaft in Wien, studiert derzeit Philosophie und Bioinformatik an der Universität Wien.

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Leseprobe
Textprobe: Kapitel 4, Das Phänomen der kulturellen Dekadenz: Der Terminus 'Dekadenz' (lat. cadere, 'fallen', 'sinken') besitzt im alltäglichen Sprachgebrauch eine überwiegend negative, abwertende Bedeutung. Er tauchte bereits 1694 in Boileaus 'Rèflexions Critiques' auf, später dann bei Montesquieu und Gibbon, wobei sich beide mit der Spätzeit, mit dem Untergang des Römischen Reiches beschäftigten. Grundsätzlich ist unter Dekadenz eine geschichtsphilosophische Betrachtung zu verstehen, die sich mit den Veränderungen von Kulturen und Gesellschaften als Verfall, Niedergang, Verkommenheit oder Degeneration befasst. Ein oft aufgegriffener Vergleich mit dekadenten Phänomenen ist in diesem Zusammenhang Hesiods 'Zeitaltermythos' aus seinen 'Werken und Tagen'. Hesiod zeigt hierbei einen fortschreitenden Verfall auf, wobei die Menschen ihre Intelligenz zu bösen Zwecken benutzen, mit dem Ausblick, selbst dem verdienten Untergang ausgeliefert zu sein, wenn sie sich nicht bessern würden. Eine solche Ermahnung zur Besserung hat jedoch nur dann einen Sinn, wenn die Dekadenz nicht zwangsläufig ist. Der Begriff der 'Dekadenz' setzt somit voraus, es gäbe objektiv bessere oder wünschenswertere Zustände bzw. bei einem gesellschaftlichen Zustand handle es sich jedenfalls nicht um 'die beste aller möglichen Welten'. Durch diesen hypothetischen Weltbegriff einer möglichen besseren Welt erhalten kulturpessimistische Betrachtungen ihre Legitimation und ihre Rechtfertigung. Der Kulturpessimismus ist gewillt, den Effekt der Kultur in der 'Entfremdung des Menschen, in seiner Denaturierung und Dekadenz' zu betrachten. Seine Anklage wendet sich dabei in der modernen Gesellschaft oft 'gegen die Leere einer materialistisch ausgezeichneten Zeit, gegen die Heuchlereien des bürgerlichen Lebens und die Entfremdung der Natur, gegen die geistig-seelische Verarmung inmitten des Überflusses [und] gegen das gesamte 'kapitalistisch-liberalistische System'', da gerade der Liberalismus maßgeblich und gerne als 'geistige und politische Grundlage der Modernität' gesehen wird. 5, Kritizismus, Skeptizismus, Pessimismus oder die Utopie als Ordnungsentwurf: Die Kritik beschreibt im Allgemeinen eine Haltung, gewisse Umstände durchdringend zu reflektieren und diese näher zu hinterfragen. Dieser Vorgang des Denkens kann als Grundlage für Anfechtungen und infolgedessen als Ursache kulturpessimistischer Anschauungen verstanden werden. Denken kann also in Form des Kritizismus eine reaktionäre Ausprägung besitzen und gleichzeitig als Grundlage des Erkennens von Mängeln und Ambivalenzen, insbesondere innerhalb der Gesellschaft dienen. Die Kritik ist somit die Grundlage eines jeden Pessimismus auf dessen Denkweise u.a. der Skeptizismus aufbaut. Typisch für den Skeptiker ist, dass es generell keine Rechtfertigung und keine Gewissheit für universelle Gültigkeit eines gesellschaftlichen Sachverhalts gäbe oder wie Pessoa schreibt: 'Trunken von einer ungewissen Sache, die sie 'Positivismus' nannten, kritisierten diese Generationen die gesamte Moral, durchstöberten alle Lebensregeln, und von diesem Zusammenstoß von Lehrmeinungen blieb nur die Ungewissheit aller zurück und der Schmerz darüber, daß es keine Gewissheit gab. Eine solcherart in ihren Grundlagen erschütterte Gesellschaft konnte konsequenterweise auch in der Politik nur ein Opfer dieser Disziplinlosigkeit werden[.]' Diese skeptischen Tendenzen durchdringen alle kulturellen Bereichen und betreffen meistens jene metaphysischen Begriffe wie Wahrheit, Gerechtigkeit und Freiheit. Diese Konzeption eines kulturellen Skeptizismus richtet sich im Sinne Pessoas gegen den Universalitätsanspruch und gegen die Richtigkeit von Moral, Religion, Wissenschaft und generell gegen gesellschaftliche Strukturen und Systeme der Moderne. Durch diese skeptische Einstellung werden den gesellschaftlichen Begebenheiten die Verbindlichkeit abgesprochen, wodurch diese gleichzeitig eine radikale Relativierung erfahren. Dieses Prinzip der Relativierung hat gerade in der heutigen modernen Zeit an Popularität gewonnen und kann gewissermaßen als ein Produkt einer antidoktrinären Freiheitsaufassung gegen illegitime, totalitäre Ansprüchen gesehen werden. Dabei manifestieren sich in der bewussten Leugnung von gesellschaftlichen Bedeutungshorizonten klare Tendenzen zu einem Nihilismus hin. Dadurch, dass verschiedene gesellschaftliche Aspekte gleich gültig innerhalb einer relativistischen Betrachtungsweise gesehen werden können, ergibt sich das Problem der Beliebigkeit hinsichtlich gesellschaftlicher, verbindlicher Handlungsorientierung. Gewissermaßen kann diese Freiheitsauffassungen als zweischneidiges Schwert gesehen werden. Denn erst mit der Freiheit ergibt sich eine durchgehende Tendenz zur Relativierung in allen alltäglichen, gesellschaftlichen Bereichen. Dabei konstatiert sich diese Freiheit durch Selbstbestimmung, aufgrund von Individualisierung, also schlussendlich aufgrund des Fehlens von äußeren Ursachen, bzw. von der Abwesenheit des aufdrängenden Charakters der Gesellschaft, der einen äußeren Zwang aufoktroyieren möchte. Der Individualismus der Selbstverwirklichung ist also durch den Relativismus in den Vordergrund gerückt. Eine Relativierung richtet sich demnach immer gegen einen Absolutheitsanspruch jeglicher Art und stellt gewissermaßen eine Achtung vor parallel bestehenden, partikulären Zuständen dar. Diese Achtung vor Andersartigem vermag oft als eine moralische Auffassung erscheinen, jedoch wird gerade im Zusammenhang des Relativismus die Moral selbst zum Gegenstand der Relativierung erhoben. In Hinblick auf das Freiheitsprinzip des menschlichen Handelns, scheint es deswegen umso schwieriger eine normative Ethik mit imperativen Handlungsnormen rechtzufertigen. Man klagt in diesem Zusammenhang deswegen oftmals von einem 'Zerfall der Werte'. In einer Gesellschaft, in der eine Zwecksetzung und Verbindlichkeit abhanden gekommen ist, ergibt sich notwendiger Weise jene zersetzende und auflösende Kraft von Ordnungsstrukturen, die die Permessivität der Kultur fördert. Der Skeptizimus geht also mit einer Steigerung von Entropie und Unordnung einher, die bestehende gesellschaftliche Ordnungssysteme hinterfragt. In einem kontradiktorischen Verhältnis dazu stehen die Utopien, in deren Konzeptionen ein Versuch zur Herstellung von Ordnung angestrebt wird, als eine absolute, geplante Regelung des menschlichen Zusammenlebens. Der Utopie-Begriff soll in diesem Kontext als theoretisches Konzept zur Regelung und Konstruktion gesellschaftlicher Strukturen verstanden werden. Zumal er nur hypothetischen Charakter besitzt und pragmatisch nie vollends in der Praxis umgesetzt werden kann, gerät gewissermaßen jede soziologische Theorie, jede Gesellschaftsordnung in verdacht, utopisch zu sein.
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