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Schwiegermütter - Schwiegertöchter

Eine schwierige Beziehung

AutorClemens von Luck, Regine Schneider
VerlagS. Fischer Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl208 Seiten
ISBN9783105602942
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
Die »böse Schwiegermutter« gehört auch heute noch zum typischen Beziehungsalltag - und die Leidtragenden sind noch immer die Schwiegertöchter. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Regine Schneider, freischaffende Journalistin und Sachbuchautorin, wurde 1952 in Bochum geboren.

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Leseprobe

1 Ein Problem – drei Perspektiven


Lieber Ex(!?)

Liebe macht blind! So blind, daß man alle Signale übersieht. Oder übersehen will. Oder daß man sich einbildet, den biege ich mir schon hin. Heute würde mir das nicht mehr passieren. Aber damals war ich naiv. Wie war ich in Dich verliebt. Bis über beide Ohren. Du warst (und bist) genau mein Typ. Groß, dunkle Haare, volle, weiche Lippen. Sehr sportlich. Ein Grübler. Etwas wortkarg. Aber charmant.

Viel zu schnell habe ich beschlossen, ich wollte mit Dir zusammenbleiben. Ich wollte immer mit Dir zusammen sein. Tag und Nacht. Nach fünf Monaten hatte ich Dich soweit: Ich zog aus meinem Einzimmerappartement aus und bei dir ein. Eingelullt vor Freude, Dich endlich ganz für mich zu haben. Und voller Erwartungen. Daß ich damit ins Haus Deiner Mutter zog, war kein Problem für mich. Ich bin ein unkomplizierter umgänglicher Mensch und dachte, mit der Dame werde ich schon klarkommen.

Nur einmal, als ich Pläne machte, wie wir unsere Möbel zusammenstellen könnten, hast Du gebrummelt, es gehe Dir alles ein bißchen zu schnell. Ansonsten hast Du zu meinen spontanen Einfällen nie viel gesagt. Hast mich immer machen lassen. Ist ja auch einfacher, als eigene Entscheidungen zu fällen, nicht wahr? Dann kann man sich hinterher bequem aus der Affäre ziehen. Tja, ich fackel eben nicht so lange wie Du. Ist ja auch gut. Wenn zwei sich nie entscheiden können, wie schrecklich. Schließlich hast Du gleich hinterher gesagt, Du möchtest ohne mich nicht mehr leben.

Kurz vorm Umzug hast Du ziemlich kleinlaut überlegt: »Was wird Mutti dazu sagen?« Konnte ich verstehen, schließlich hattest Du uns bis dahin noch nicht mal vorgestellt. Ich hatte mir aber keine Gedanken drüber gemacht. Das Vorstellen konnten wir ja nachholen. Na, jedenfalls stand ich dann mit dem Möbelwagen vor Deiner Tür. Wir hatten gerade die erste Kiste hereingetragen, da kam Deine Mutter die Treppe herunter. Optisch eigentlich eine mütterliche Person. Klein, rund, graue Dauerwelle, Goldrandbrille. Ganz schick. Aber weder herzlich noch warm.

Unser erstes Zusammentreffen war eine merkwürdige Begegnung. Du sagtest plötzlich ganz verlegen: »Das ist Lena.« Deine Mutter musterte mich über ihren Brillenrand und sagte knapp und förmlich: »Sehr erfreut.« Mehr nicht. Dabei machte sie einen sehr unerfreuten Eindruck. Ich wunderte mich, daß Du ihr gegenüber so herumgedruckst hast. Plötzlich fiel mir ein, was mir ganz zu Anfang aufgefallen war: Immer, wenn ich Dich abholte, fühlte ich mich von Dir abgefangen. Ehe ich Euer Haus richtig betreten konnte, warst Du immer schon fix und fertig und kamst eilig heraus. Und ich war ja auch nur in Deiner Wohnung, als Deine Mutter verreist war. Ich habe das aber verdrängt. Es kam jedoch wieder hoch, als ich Deine Mutter kennenlernte.

Ich habe mir große Mühe gegeben, sie für mich einzunehmen. Habe sie freundlich begrüßt und ihr gesagt, wie sehr ich mich freue, sie kennenzulernen. Du schwiegst. Sie auch. Als wir alles eingeräumt hatten, lud sie uns doch ein, sie hatte Frikadellen und Kartoffelsalat gemacht. Fand ich unheimlich nett. Ich hatte ein Biedermeiersträußchen besorgt und es ihr geschenkt. Sie stellte es nicht in eine Vase, sondern legte die Blumen achtlos in die Küche – mir fiel es sofort auf, Du hast es gar nicht registriert – und sagte dann: »Sie haben sicher nichts dagegen, wenn wir unsere bewährten Gewohnheiten beibehalten, obwohl Sie jetzt hier wohnen?« Was Eure »bewährten Gewohnheiten« waren, wußte ich nicht. Ich traute mich auch nicht, danach zu fragen. Und weil ich kein Eindringling oder Störenfried sein wollte, sagte ich: »Natürlich habe ich nichts dagegen.« Ich dachte, wird schon nicht so schlimm sein. Ich sollte es bald erfahren.

Bis dahin hatte Deine Mutter für Dich gesorgt und Deine Wohnung in Ordnung gehalten. Jeden Morgen ging sie einkaufen, kochte das Mittagessen und stellte einen dampfenden Topf mit Essen auf Deinen Herd, den Du abends nur warm machen mußtest. Sie hatte natürlich einen Schlüssel zu Deiner Wohnung. Und offensichtlich meinte sie mit »unsere Gewohnheiten«, daß sie den weiter benutzte. Und zwar so, wie sie es für richtig hielt.

Ich aber lag morgens, wenn sie hereinkam und diesen verdammten Topf hinstellte, oft noch im Bett. Ich kann ja am besten nachts arbeiten und schlafe dann gern lange. Deiner Mutter war das offenbar ein Dorn im Auge. Jeden Vormittag machte sie einen Höllenlärm. Ich empfand ihre Schlüsselgewalt als Eindringen in meine Intimsphäre. Was ging es sie an, wie ich mir den Tag einteilte? Ich traute mich aber nicht, das zu sagen. Irgendwie spürte ich damals schon, daß ich gegen eine verschworene Gemeinschaft ankämpfen mußte.

Vom ersten Tag an hatte ich den Eindruck, daß Deine Mutter nicht sehr begeistert von unserer Beziehung war. Ich fühlte mich unbehaglich in ihrer Gegenwart. Sie wirkte unnahbar und überkorrekt. Sie gab sich alle Mühe, es mir schwer zu machen. Andererseits wollte ich das nicht wahrhaben und habe mit der Situation gehadert. Doch ich wollte nicht gleich zu Anfang Front machen. Du hast mir ja oft gesagt: »Sei nicht immer so empfindlich. Leg nicht alles auf die Goldwaage.« Doch, ein einziges Mal habe ich mich getraut und höflich gesagt, daß ich nicht möchte, daß sie uns bekocht und bei uns hereinkommt. Da hat sie nur sehr bestimmt geantwortet: »Einmal am Tag muß mein Junge warm essen.« Hätte noch gefehlt, daß sie gesagt hätte: »Bei Dir kriegt er ja nichts zu essen.« Du hast geschwiegen, wie immer! Und es blieb dabei. Ich will Dir jetzt endlich einmal sagen, wie ich das sehe, mein Lieber: Ich hätte es für selbstverständlich gehalten, daß sie mir ihren Schlüssel überreicht hätte und sich nicht mehr um Deinen/unseren Haushalt kümmert. Daß sie sich überhaupt nicht in unsere Angelegenheiten mischt. Daß sie sich um ihren Kram kümmert und unseren unseren sein läßt! Aber zumindest, daß sie mich fragt, ob es mir so recht ist. Doch damals wollte ich keinen Streit und gab mir Mühe, ihre Zudringlichkeit zu ignorieren. Dachte, gut, sieh es positiv, es spart uns ja wirklich Arbeit. Ich beruhigte mich, das wird sich legen, wenn sich erst mal alles eingependelt hat, wenn sie sich an mich gewöhnt hat. Schließlich war ich die erste Frau, die in Euer Heiligtum gezogen war. Heute denke ich, Deine Mutter hat nur zugestimmt, weil Du schon 34 warst und die Nachbarn sich wohl langsam wunderten. Die Nachbarn sind ja das einzige, was Deine Mutter interessiert.

Ich hatte von Anfang an gesagt, daß ich Dir keine Hemden bügele, auch nicht allein die Wohnung und die Fenster putze. Wir haben abgemacht, daß wir das samstags gemeinsam machen.

Deine Mutter machte deutlich, daß meine »Studiererei« keine richtige Arbeit sei, im Gegensatz zu dem, was du machst. Du hattest gerade das Assessment-Center bei der Immobilien-Holding mit Bravour bestanden und warst dort angestellt worden. Sie sagte mir natürlich nie ins Gesicht, daß sie fand, daß ich für den Haushalt zuständig sei. Sie betonte nur immer so merkwürdig: »ICH brauche jeden Morgen gerade mal zwei Stunden, dann bin ich mit meinem Haushalt durch und habe den ganzen Tag Zeit für andere Dinge. Ein Mann würde mir nur im Wege stehen.« Heute ist mir klar, Deine Mutter hatte Dich noch nie in ihrem Leben mit einem Staubsauger oder einem Fensterleder gesehen. Es muß sie sehr befremdet haben. Daß ich vor drei anstrengenden Seminaren nicht noch durch die Wohnung wirbeln wollte, interessierte sie nicht.

Weißt du noch, eines Abends überraschte sie Dich dabei – sie war wieder einfach hereingekommen, Du hattest nichts dazu gesagt –, daß Du einen Knopf an Deine Hose nähtest. Sie nahm Dir alles aus der Hand und machte es für dich. Am nächsten Morgen kam sie dann nicht nur mit dem Essenstopf, sondern brachte auch gleich ihr Bügeleisen und ihren Staubsauger mit, stellte die Sachen demonstrativ in den Flur, so daß ich fast darüber gestolpert wäre. Als ich von der Uni nach Hause kam, war die Wohnung gemacht, einschließlich der Fenster. Als ich sie im Flur traf, sagte sie mit Leichenbittermiene: »Das war dringend nötig.«

Da habe ich mich das erste Mal richtig mies gefühlt. Ich kam mir vor wie die letzte Schlampe, und das wollte sie ja auch bezwecken. Oder? Ich gebe zu, ich war nachlässig mit der Wohnung. Aufgeräumt war nicht, und gestaubsaugt hatten wir 14 Tage vorher das letzte Mal. Jedenfalls hatte sie es geschafft, daß ich mich fühlte wie ein Schulkind, das seine Hausaufgaben nicht ordentlich gemacht hat. Irgendwie steckt diese elende weibliche Sozialisation wohl noch in mir drin. Meine Mutter ist ja auch immer so picobello.

Deshalb sollst Du endlich zur Kenntnis nehmen: Ich habe überhaupt kein dickes Fell. Ich bin auch nicht so selbstbewußt, daß solche Übergriffe an mir abgeprallt wären. Es war mir absolut keine Hilfe, wenn Du an mein Selbstwertgefühl appelliert hast. Ich fühlte mich von Deiner Mutter abgeurteilt und nicht akzeptiert. Und damit ging es mir ziemlich schlecht. Du bist da immer so einfach drüberweggegangen, als sei es mein Problem. Klar, ich konnte mir meine Zeit ja wirklich besser einteilen als Du. Jedenfalls hat Deine Mutter erreicht, daß ich mich plötzlich unwohl fühlte, wenn ich getrocknete Regenspritzer auf den Fenstern sah, wenn ich um elf immer noch im Bett lag, wenn ich die ganze Woche nicht gesaugt hatte, wenn eine Staubflocke herumflog, wenn sich Deine ungebügelten Hemden stapelten … Und darüber war ich wütend. Bis dahin hatte ich gedacht, sie muß sich an mich gewöhnen. Aber da wurde mir klar, sie hat mir den Kampf angesagt. Sie akzeptiert mich nicht, und das zeigt sie mir auf ihre...

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