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Das Ja der Dankbarkeit

In der Bibel entdeckt - heute gelebt

AutorAndrea Schneider
VerlagSCM R.Brockhaus im SCM-Verlag
Erscheinungsjahr2015
ReiheDas Jahr der Dankbarkeit 
Seitenanzahl208 Seiten
ISBN9783417228113
Altersgruppe40 – 99
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis0,99 EUR
Die ehemalige 'Wort zum Sonntag'-Sprecherin und bekannte Predigerin Andrea Schneider zeichnet in 16 Kapiteln ein inspirierendes Bild der Dankbarkeit, das Impulse und Anregungen für den Alltag gibt. Denn wer genau hinsieht, entdeckt in der Bibel unzählige Dankbarkeitsgeschichten - und jede zeigt einen besonderen Aspekt, hat ihre ganz eigene Bedeutung. Dadurch wird klar: Dank ist viel mehr als eine höfliche Floskel, sondern erstreckt sich über alle Bereiche des Lebens.

Andrea Schneider, Jahrgang 1955, hat drei erwachsene Kinder und lebt mit ihren Mann in Oldenburg. Sie hat Theologie und Germanistik studiert, arbeitet als Rundfunkpastorin und war viele Jahre Sprecherin beim 'Wort zum Sonntag' in der ARD.

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Kapitel 2


DIE ARCHE IN DER GROSSEN FLUT –
GERETTET WERDEN UND DANKEN


Für viele Menschen gibt es Zeiten im Leben, da ist das Gefühl von Dankbarkeit unendlich weit weg. Da ist die Fähigkeit, überhaupt etwas zu fühlen, weit weg. Da ist tief in der Seele nur Leere, nichts als Leere. Auch sich zu erinnern an lebendige, schöne Zeiten im Leben will dann nicht gelingen. Alles ist wie tot. „Lobe den Herrn meine Seele und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat!“ – Was er mir Gutes getan hat? Auch ein Gedanke wie dieser geht unter im Meer von Tränen und Traurigkeit. Und nur eine Frage stellt sich: Wo ist Rettung aus dieser lebensfeindlichen Düsternis und Depression?

Ich habe eine Rettungsgeschichte in der Bibel entdeckt. Sie erzählt vom Untergehen und dann doch wieder Auftauchen-Dürfen. Wie Psalm 103, den wir miteinander betrachtet haben, bezeugt auch sie die Güte Gottes, die ewig währt. Sie lockt, nicht zu vergessen, was Gott Gutes getan hat und immer wieder tut. Auch an den tiefsten Tiefpunkten des Lebens. Und so vom Ende her gesehen ist sie auch eine Dankbarkeitsgeschichte.

Ganz am Anfang


Auf den ersten Seiten der Bibel lesen wir, wie Gott aus dem chaotischen Tohuwabohu seine wunderschöne Welt erschafft. Die Erde ein Lebensraum für Pflanzen und Tiere. Die Menschen im Einklang mit der Natur und mit sich selbst. Paradiesische Zustände. Gottes Prädikat: „Sehr gut!“

Aber wir lesen auch vom Bösen, das in die Welt kommt, von Eigensinn und Sünde. Die Menschen wollen besser wissen als Gott, was gut und böse ist. Wollen unabhängig von ihm leben. Sie verscherzen sich das Paradies. Sie schauen auf sich selbst und spüren: Wir sind nackt! Ungeborgen in der plötzlich bedrohlichen Welt. Fürsorglich näht Gott seinen Menschenkindern Kleider, damit sie geschützt sind. Aber statt Liebe leben sie Konkurrenz. Aus Bruderneid wächst Brudermord. Von Generation zu Generation breiten sich Selbstherrlichkeit und Unrecht aus.

Da bereut Gott sein Unternehmen „Schöpfung“. Er vergisst seine Welt und seine Menschen und sich selbst – im Zorn. Er schickt das große Wasser. Regen von oben, Ströme von unten: die Sintflut.

Die Geschichte von der Sintflut und der Arche Noah ist eine der bekanntesten der Bibel. Unzählige Bilder und Bilderbücher, Figuren und Fantasiegeschichten gibt es von Noah, seinen Tieren, seiner Arche. Aber es ist letztlich keine anschaulich nette Kindergeschichte. Es geht um das im Innersten tief verwurzelte „arche“-typische Thema Tod und Leben. Es geht ums Untergehen, Gerettetwerden und Danken.

Die große Flut


Sintflut und Arche – diese Bilder aus der Urgeschichte der Bibel sind Ur-Bilder des Lebens. Obwohl viele das assoziieren, hat das Wort „Sintflut“ übrigens eigentlich nichts mit „Sünde“ zu tun, es meint nicht „Sünd-Flut“. „Sintfluot“ ist althochdeutsch und bedeutet „immerwährende, umfassende Überschwemmung“.

Die Sache selbst allerdings, die große Flut, die alles Leben zerstört, hat durchaus zu tun mit der Sünde der Menschen. Ihre Wurzel ist letztlich Undankbarkeit – Undankbarkeit für die lebensschaffende Beziehung zu Gott. Aus ihr bricht der Mensch selbstverantwortlich aus. So ist er im Letzten selbst dafür verantwortlich: Alles, was wächst und wimmelt auf der Erde, wild ist oder zahm – alles Leben wird vernichtet vom Schöpfer des Lebens, der seine Welt doch erst so wunderbar erschaffen hat. Nur Noah, der einzige „Gerechte“ weit und breit, seine Familie und von den Tieren je ein Paar werden gerettet – in der Arche, die Gott Noah bauen lässt als Geschenk zum Überleben.

Nach schier endlos langer Zeit und schier bodenlos tiefem Untergang erinnert sich Gott an Noah und die Arche. Er schließt die Himmelsschleusen. Langsam sinkt der Wasserspiegel. Die Arche setzt auf einem Berg auf. Und Noah öffnet eine Luke, lässt zuerst einen Raben, dann eine Taube fliegen. Sie kehrt zurück. Noch ist die Erde kein Lebensraum. Nach sieben Tagen ein erneuter Versuch. Die Taube kehrt zurück mit einem Ölzweig im Schnabel. Das ist ein kleines Zeichen: frisches Grün, neues Leben auf der Erde! Nach wieder sieben Tagen darf die Taube noch einmal losfliegen. Sie kommt nicht mehr zurück. Das ist ein großes Zeichen: Die Erde ist wieder Lebensraum. Menschen und Tiere können die Rettungsarche verlassen. Alles kann nun wieder wimmeln und wachsen, fruchtbar sein und Früchte ernten.

Da baut Noah Gott einen Dankaltar. Er opfert ihm das beste an Tieren, was er hat. So dankt er Gott für das Leben, das noch einmal beginnen kann. Gott sieht und riecht und versteht die duftende und ehrliche Dankbarkeit des Menschen. Und er fasst einen Beschluss – trotz aller tief verwurzelten Fehler und aller Bosheit der Menschen: Er will und wird seine Welt und seine Menschen nicht mehr vernichten:

Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.

1. Mose 8,22

Eine neue alte Geschichte


Untergehen und gerettet werden, am Ende sein und noch einmal neu beginnen dürfen – das ist eine uralte Geschichte. Aber auch eine Ur-Geschichte des Menschen. Und deshalb ist sie immer wieder neu. Auch heute. Und es ist eine Dankbarkeitsgeschichte. Zum Beispiel für Hanne. Sie hat mir erlaubt, von ihr zu erzählen.

Hanne ist Anfang 60. Blaue Augen schauen freundlich durch eine randlose Brille. Dichte, früher blonde, jetzt graue Locken kräuseln sich widerspenstig um das Gesicht. Sie liebt es, kreativ zu sein und schöne Dinge zu basteln. Auch für andere. Vor Kurzem wurde die ehemalige Grundschullehrerin pensioniert. Sie hat allen Grund, dankbar für ihr Leben zu sein: Finanziell gut abgesichert, glücklich verheiratet, mit nettem Kontakt zu Kindern und Enkelkindern, engagiert sie sich ehrenamtlich in der Kirchengemeinde. Vor einiger Zeit hat sich das Ehepaar entschlossen, noch einmal umzuziehen, ein altersgerechtes Haus neu zu bauen. Und eigentlich hätte alles so schön sein können für Hanne …

Es machte ihr viel Freude, zu planen, zu entwerfen, auszusuchen. Das Richtfest war noch ein fröhliches Fest. Aber je näher die Fertigstellung des Baus rückte, desto stärker spürte sie: „Ich kann da nicht einziehen! Das Haus ist eine Bedrohung!“ Sie fand die Fenster zu hoch, die Räume zu offen, das ganze Haus zu groß. Panik packte Hanne, sobald sie nur das Grundstück betrat – erst recht im Haus.

Immer wieder redete sie auf sich ein: „Du hast das doch alles gewollt, geplant, gemacht. Warum jetzt diese negativen Gedanken?“ Sie verstand es selbst nicht – dieses Gefühl: Ich kann da nicht einziehen. Und fand sich so ungerecht und unendlich undankbar.

Der Einzugstermin kam und Hanne war wie gelähmt. Angekommen im neuen Haus, verkroch sie sich im kleinsten, dunkelsten Raum. Angst. Panik: „Ich kann hier nicht leben.“

Depressive Phasen kannte Hanne schon seit vielen Jahren. Regelmäßig im Herbst kamen dunkle Tage für sie. Manchmal war es richtig schlimm: Sie musste auf der Fahrt zur Schule mit Ängsten kämpfen, wollte fast das Auto gegen einen Baum fahren. Aber sie lernte, dass diese Phasen auch wieder vorbeigingen. Jedes Jahr im Frühjahr pflanzte sie Herbstastern. Sie wusste: Wenn die blühten, nahte die Schwermutszeit. Aber die Blumen sagten ihr auch: Die dunklen Monate werden vorübergehen. Es wird wieder heller werden.

Doch dieser Depressionsschub war ungleich heftiger als sonst. Unkontrollierbar. Hanne konnte nicht schlafen, aber auch nicht wach sein. Ihr Kopf war voll mit ewig kreisenden Gedanken und gleichzeitig entsetzlich leer. Sie konnte nicht zur Schule, aber auch nicht alleine zu Hause sein. In Wellen packten sie Panikattacken. Mit letzter Kraft rief sie in der Klinik an und bat um Aufnahme.

Depression ist eine Volkskrankheit. Ca. fünf Prozent der Bevölkerung, 4 Millionen Menschen sind betroffen – mit steigender Tendenz. Die Ursachen einer Depression sind vielfältig. Eine Störung des komplizierten Zusammenspiels der Botenstoffe im Gehirn spielt ebenso eine Rolle wie genetische Veranlagung, traumatische Erfahrungen in der Kindheit oder aktuelle Belastungen und Schmerzerfahrungen.

Jedenfalls ist eine Depression erheblich mehr als der graue Schleier der Tristesse. Gut gemeinte Appelle, doch auch die schönen, hellen Seiten des Lebens zu sehen und dafür Dankbarkeit zu empfinden, können nicht durchdringen. Auch Versuche von Christen, bei Betroffenen irgendwie Dankbarkeit für die Liebe Gottes auszulösen, sind in der Regel nicht förderlich. Und richtig schädlich sind Forderungen, doch dankbar sein zu „müssen“ für das Gute im Leben, das Gott tut … Menschen schließen sich ab, sind „zu“. Es besteht Lebensgefahr für den ganzen Menschen – für Seele, Geist und Körper.

Die Zuflucht in der Sintflut


So lag Hanne also in dem kahlen Zimmer auf ihrem Klinikbett. Mit heftigsten Kopfschmerzen und eingeschränktem Gesichtsfeld. Sie konnte nicht lesen, kaum etwas essen: „Nicht nur mein Körper, meine Seele tat mir weh. Jeden Abend freute ich mich auf die Schlaftablette, auf die paar Stunden losgelöst sein von Fühlen und Denken. Und ich wusste, ich würde am nächsten Morgen wieder verkrampfen, wieder in diesem Hamsterrad der Grübelei gefangen sein: Ich kann nicht in mein Haus. Ich kann nirgendwo hin.

Ich weinte. Endlich konnte ich es. Es hat mich richtig geschüttelt. Tage und Nächte habe ich durchgeweint. Das Wasser stand mir bis zum Hals. Wie eine Sintflut...

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