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Die Angst vor dem Scheintod: Eine Äußerungsform der Todesangst um 1800

AutorSabrina Dietrich
VerlagBachelor + Master Publishing
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl52 Seiten
ISBN9783958207677
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis16,99 EUR
Das Lebendigbegrabenwerden aufgrund von Scheintod war bereits den alten Griechen bekannt und hielt sich als Motiv in der Literatur über Jahrhunderte, nie aber erhitzte es die Gemüter so wie um 1800. Vor allem in Deutschland katapultiert sich das Randphänomen schlagartig ins Zentrum öffentlichen Interesses und lässt eine Hysterie entstehen, die mit einem Konvolut an Veröffentlichungen von Monographien einherging, und schließlich ebenso plötzlich wieder abebbte. Sabrina Dietrich beleuchtet und diskutiert ausgewählte Ansätze der Sekundärliteratur anhand von medizinischen Schriften aus der Jahrhundertwende des 18. zum 19. Jahrhunderts, vor allem von Frank und Hufeland. Essentiell sind dabei die Auswirkungen der Aufklärung auf die Gesellschaft und die Wechselwirkung von neuem (medizinischen) Wissen und Todesverständnis. Dabei wird eine wissenschaftsübergreifende Deutung gefunden, die aufzeigt, dass sowohl die anthropologische Transformation und Kontingenzerfahrung, aber vor allem die vorher schon existierende, der Menschheit immanenten elementaren Todesangst zu dem außergewöhnlichen Angstphänomen 'Scheintod' führen.

Sabrina Dietrich (geb. Rücker), B.A., wurde 1984 in Berlin geboren. Ihr Studium der Kulturwissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin schloss sie im Jahre 2014 erfolgreich ab.

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Leseprobe
Textprobe: Diskussion: Die Angst vor dem Scheintod - Dem Menschen immanent oder spezifisch für den Menschen um 1800?: Warum der Scheintod gerade zu Zeiten der Aufklärung seine Blüte erlebt, soll im aktuellen Kapitel ausführlich diskutiert werden, denn die um 1800 in Deutschland zeitweise sehr leidenschaftlich geführte Debatte zeigt sich als sehr vielschichtiges Phänomen. Wie bereits erwähnt, war das Phänomen schon in der Antike bekannt, hinterließ aber nicht den Eindruck einer Gefahr für die gesamte Menschheit. Wohl versuchten die Ärzte schon damals die Ursache zu ergründen, allerdings sah man in der Regel solche Vorkommnisse als ein göttliches Zeichen oder sonst einem Wunder. Auch im Mittelalter fand man keine andere Lösung, da die scholastische Medizin, wie oben beschrieben, starr an kirchlichen Autoritäten und der Abneigung gegen anatomische Studien festhielt, zumal die Medizin sowieso ausschließlich in den Händen des Klerus lag. Chirurgie wurde als Schlächterei herabgesetzt, der plötzliche Tod galt als göttliche Strafe und wer nach den Ursachen suchte, wurde als Ketzer verdammt. So schwelt das Thema Scheintod ungelöst durch die Jahrhunderte. Wandlung der Seelenvorstellung: Die Geschichte des Scheintods beginnt mit der Geschichte der Auflösung der Seelenvorstellung, die mit einer anthropologischen Transformation einhergeht. Bereits in der Renaissance wird um die Unsterblichkeit der Seele gestritten: Höhepunkt bildet hier die Aussage des Italieners Pietro Pomponazzi (1462 - 1525), der die Frage nur mit Argumenten der Vernunft überprüfe und dies schließe alle Gründe für die Annahme einer Unsterblichkeit der Seele aus. Damit bestreite er keine Glaubenswahrheiten, fordere aber das Recht ein, eine Seelenlehre als Wissenschaft unabhängig von Theologie zu betreiben, die rein rationalen Argumenten verpflichtet sei. Das systematische Interesse der Seelenlehre dieser Zeit liegt darin, Grundfragen des Erkennens verstärkt zu überdenken, das Zustandekommen individueller Wahrnehmung, ihr Verhältnis zum Allgemeinheitsanspruch des Erkennens sowie dessen Sicherung und Geltungsbereich. Erkenntnistheorie als spezifische Wissenschaft vom Wesen, den Prinzipien und Grenzen des Erkennens kennt die Renaissance allerdings noch nicht. Dennoch markiert die Diskussion dieser Zeit bereits ein erkenntnistheoretisches Dilemma, welches Michael Stadler zusammenfasst: 'Soll der Allgemeinheitsanspruch des Wissens aufrechterhalten werden, mit seiner Konnotation zeitlicher und räumlicher Unabhängigkeit, so scheint die Annahme einer intellektiven Seele mit den gleichen Qualitäten notwendig zu werden. Sie muß als Subjekt der Erkenntnis universell, unvergänglich, immateriell sein. Soll aber die Erkenntnis als kausaler Prozeß, der bei der sinnlichen Wahrnehmung anhebt, rekonstruiert werden, so ist der gesamte Mensch, das konkrete Individuum Subjekt und die intellektive Seele wird als forma corporis [(in Form der Körper)] verstanden.' Folglich kann Seele nicht losgelöst vom Körper gedacht werden und vergeht mit ihm.
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