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Legal Highs: Ein neuer Trend auf dem deutschen Drogenmarkt?

Eine rechts- und gesellschaftspolitische Betrachtung

AutorBjörn Siebler
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl224 Seiten
ISBN9783668051034
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis39,99 EUR
Masterarbeit aus dem Jahr 2015 im Fachbereich Jura - Strafprozessrecht, Kriminologie, Strafvollzug, Note: 1,5, Ruhr-Universität Bochum, Sprache: Deutsch, Abstract: 'Badesalz' und auch sog. Kräutermischungen - hinter diesen harmlos anmutenden Begriffen verbergen sich Hinweise auf einen neuen, gefährlicher bundesweiten Trend auf dem deutschen Drogenmarkt: die sogenannten 'Legal Highs'. Diese neuen psychoaktiven Substanzen werden als Duft- oder Räuchermischung, 'Spice' oder als 'Badesalz' verkauft, um das Betäubungsmittelgesetz zu umgehen und eine strafrechtliche Verfolgung zu vermeiden. Bezeichnungen wie 'Legal Highs' verharmlosen jedoch die Gefährlichkeit dieser Drogen für ihre Konsumenten, die nach der Einnahme nicht selten in Krankenhäusern oder Entgiftungskliniken enden. Diese Arbeit widmet sich dem neuen Phänomen der 'Legal Highs' unter mehreren Gesichtspunkten. Sie untersucht juristische ebenso wie sozialwissenschaftliche Aspekte der neuen psychoaktiven Substanzen und erläutert, wie den 'Legal Highs' effektiv entgegengetreten werden kann. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Analyse von Drogenerfahrungen, Konsummotiven und des Informationsstandes der Bevölkerung über die neuen psychoaktiven Substanzen. Zu diesem Zweck führte der Autor zwei Erhebungen durch: eine bundesweit sowie eine zweite an einer niedersächsischen Schule, deren Ergebnisse abgeglichen und diskutiert werden. Die Arbeit betrachtet darüber hinaus die kurz- und langfristigen Nebenwirkungen des Konsums von 'Legal Highs'. Dabei beschäftigt sie sich auch mit der Frage nach möglichen volkswirtschaftlichen Schäden, die etwa durch den Konsum entstehen. Der Autor Björn Siebler LL.M., M.A. ist Dozent für Rechtswissenschaften an der niedersächsischen Polizeiakademie. Bereits als Sachbearbeiter im Ministerium für Inneres und Sport hat er sich mit der Problematik befasst und darauf spezialisiert: Er war für den Rauschgiftbereich zuständig und dabei selbst an der Bekämpfung von 'Legal Highs' beteiligt.

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Leseprobe

3 Juristischer Diskurs über NPS


 

Eine rechtliche Bedeutsamkeit von NPS wurde mit dem EuGH-Urteil[33] im Jahr 2014 wieder virulent und bedarf im vorliegenden Kapitel einer Erörterung, weil dieses Urteil durchaus zu „Folgeschäden“ in der Gesellschaft führen könnte.

 

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) illustrierte in seinem Urteil, dass die Herstellung und der Handel mit NPS nicht dem Arzneimittelgesetz (AMG) unterliegt, da das AMG gerade Substanzen erfasst, die eine pharmakologische Wirkung haben, den Gesundheitszustand wiederherstellen, korrigieren oder zu einer heilenden oder verhütenden Wirkung führen und nicht ausschließlich konsumiert werden, um einen berauschenden Zustand zu erhalten. Der EuGH führte diesbezüglich aus: „[Substanzen] deren Wirkungen sich auf eine schlichte Beeinflussung der physiologischen Funktionen beschränken, ohne dass sie geeignet wären, der menschlichen Gesundheit unmittelbar oder mittelbar zuträglich zu sein, die nur konsumiert werden, um einen Rauschzustand hervorzurufen, und die dabei gesundheitsschädlich sind“ fallen nicht unter das AMG.[34] Ein Einbezug der Substanzen unter das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) kann dagegen nur erfolgen, wenn diese in der Anlage I-III einbezogen wurden. In dieser Konstellation spricht man von einem sog. „Hase/Igel-Prinzip“. Dies meint, dass ein Wettlauf zwischen Verkäufern, Strafverfolgern und dem Gesetzgeber besteht, da die Hersteller ihre NPS-Produkte stets geringfügig chemisch verändern oder völlig neue Substanzen auf dem Markt anbieten, damit ihre Substanzen nicht in die Anlagen I-III des BtMG einbezogen werden und daher nicht in die Strafbarkeit fallen.[35] Bereits jetzt wird erkennbar, dass das EuGH-Urteil augenscheinlich eine strafrechtliche Regelungslücke geschaffen hat, da vor dem EuGH-Urteil die Strafverfolgungsbehörden eine Strafbarkeit nach dem AMG annahmen, vorausgesetzt das BtMG war nicht anwendbar. Diese vorliegende kursorische Illustration der rechtlichen Problematik über NPS wird nachfolgend näher verifiziert, um eine entsprechende juristische Lösung darzustellen, wie das Problem „NPS“ effektiv entgegentreten werden könnte.

 

3.1 Aus der Sicht des Betäubungsmittelgesetzes


 

Das BtMG, welches aus dem Opiumgesetz im Jahr 1972 entstanden ist, hat einen doppelten Zweck: die notwenige medizinische Versorgung der Bevölkerung sicher zu stellen und daneben den Missbrauch von Betäubungsmitteln sowie dem Entstehen oder Erhalten der Betäubungsmittelabhängigkeit entgegenzuwirken. Um diesen Prinzipien gerecht zu werden, wurde am 15.7.1992 durch Art. 2 Nr. 1 OrgKG eine sog. Eil- oder Dringlichkeitsverordnung in § 1 Abs. 3 BtMG implementiert. Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) kann ab diesem Zeitpunkt neue Substanzen (für ein Jahr)[36] in die Anlage I-III aufnehmen, ohne den Bundesrat zu beteiligen und ohne Anhörung eines Sachverständigenausschusses, wenn dies für die Sicherheit oder zur Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs oder ein unverzügliches Handeln zum Wohle der Volksgesundheit notwendig ist.[37] Bereits in der Einleitung zu dem Kapitel 3 wurde das „Hase/Igel-Prinzip“ angesprochen. Durch die Verordnungsermächtigung gemäß § 1 Abs. 3 BtMG wird versucht, dieses Prinzip auf ein Minimum zu reduzieren und schnell agieren zu können, damit neue Substanzen schnellstmöglich in den Anlagen I-III erfasst werden (vgl. 28. BtMÄndV, indem 32 gängige NPS-Wirkstoffe den Bestimmungen des BtMG unterstellt wurden).[38] Es ist davon auszugehen, dass die Hersteller schon vor dem Inkrafttreten der 28. BtMÄndV reagieren und die nun betäubungsmittelrechtlich erfassten Stoffe durch anderweitige Wirkstoffe mit einem vergleichbaren Wirkungsspektrum ersetzt haben.[39] Die dogmatische Schwäche des BtMG ist daher der ausschließliche Einbezug von individuellen Substanzen, die sich die Hersteller, aber auch Händler zunutze machen. Aufgrund der Unflexibilität des BtMG in zeitlicher sowie auch in dogmatischer Hinsicht wird aktuell eine Lockerung des verfassungsrechtlichen „Bestimmtheitsgebot“ diskutiert, um den Einbezug von ganzen Stoffgruppen in das BtMG zu ermöglichen und so alle NPS erfassen zu können.[40] Es stellt sich daher zunächst die Frage, ob eine Ergänzung des Enumerationsprinzips angezeigt ist, um die Einführung einer generischen Klassifizierung zumindest einzelner Stoffgruppen und somit die Erweiterung der Strafbarkeit auf die Herstellung und den Besitz von Derivaten der Ausgangssubstanzen mit dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot in Einklang zu bringen und so eine neue Möglichkeit der Sanktionsform für NPS zu ermöglichen.

 

3.1.1 Bedeutung des Bestimmtheitsgrundsatzes


 

Das Bestimmtheitsgebot wird auf verfassungsrechtlicher Ebene aus Art. 103 Abs. 2 GG und den dort verbrieften Grundsätzen der Tatbestandsbestimmtheit „nullum crimen sine lege“ und der Strafandrohungsbestimmtheit „nulla poena sine lege“ entwickelt.[41] Darüber hinaus findet sich dieses Gebot in Art. 49 Europäische Grundrechtecharta, in dem Art. 7 Abs. 1 EMRK und im einfachen nationalen Recht in § 1 StGB wieder. Das Bestimmtheitserfordernis hat den Zweck einer zunächst freiheitssichernden Funktion. Niemand darf in die Gefahr einer Bestrafung geraten, wenn die entsprechende Strafnorm nicht bereits im Zeitpunkt der Tatbegehung erlassen und in Kraft getreten ist. Die Anforderungen an die Bestimmtheit von Strafgesetzen (u.a. das BtMG) sind wegen Art. 103 Abs. 2 GG höher als in anderen Rechtsgebieten, die die Grundrechtsausübung weniger tangieren.[42] Eine nähere Betrachtung des Bestimmtheitserfordernisses führt weiterhin zu einer zweiteiligen Unterscheidung:

 

 Eine Schutzfunktion für den einzelnen Rechtsunterworfenen und

 eine kompetenzrechtliche Seite, die allein dem Gesetzgeber, nicht der Exekutive oder Judikative die Festlegung der Strafbarkeit eines Verhaltens zuweist.[43]

Die Schutzkomponente gegenüber dem Individuum soll den individuellen Rechtsunterworfenen vor und bei seinem Handeln vergewissern können, ob dieses Tun unter Strafe steht oder nicht.[44] Damit schützt der Bestimmtheitsgrundsatz die grundrechtlich verbürgten Freiheiten.[45] Das BVerfG führte diesbezüglich wie folgt aus: „Art. 103 Abs. 2 GG gewährleistet, dass eine Tat nur bestraft werden kann, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. Dies verpflichtet den Gesetzgeber, die Voraussetzungen der Strafbarkeit so genau zu umschreiben, dass Tragweite und Anwendungsbereich der Straftatbestände für den Normadressaten schon aus dem Gesetz selbst zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln und konkretisieren lassen.[46] Das Grundgesetz will auf diese Weise sicherstellen, dass jedermann sein Verhalten auf die Strafrechtslage eigenverantwortlich einrichten kann und keine unvorhersehbaren staatlichen Reaktionen befürchten muss.[47] Mit der strengen Bindung der strafenden Staatsgewalt an das Gesetz gewährt das Bestimmtheitsgebot Rechtssicherheit und schützt zur Wahrung ihrer Freiheitsrechte das Vertrauen der Bürger, dass der Staat nur dasjenige Verhalten als strafbare Handlung verfolgt und bestraft, das zum Zeitpunkt der Tat gesetzlich bestimmt war.“[48]

 

Die kompetenzbegrenzende Funktion hat die Aufgabe, die Strafgewalt des Staates zu begrenzen. Das strafwürdige Verhalten soll nur durch die unmittelbar nach Art. 38 GG legitimierte Legislative festgelegt werden.[49] Der Gesetzgeber muss selbst über den Umfang der Strafbarkeit bestimmen. Der Funktion kommt daher eine Art Selbstkontrolle der Legislative über ihr bevorstehendes Handeln zu.

 

3.1.2 Bestimmtheitsgebot vs. Blanketttatbeständen


 

Unter Berücksichtigung der allgemeinen Ausführungen zum Bestimmtheitsgebot stellt sich die Frage, ob eine Auflockerung des BtMG zum Nachteil der zugesprochenen Schutzfunktion möglich ist. Die Diskussion über die Lockerung des Bestimmtheitsgrundsatzes wurde durch ein Rechtsgutachten der Philipps-Universität Marburg, beauftragt durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG), in die dogmatische Diskussion eingeführt, denn so würde es möglich, Stammsubstanzen mithilfe des Bestimmtheitsgrundsatzes grundsätzlich mit einzubeziehen.[50] Ein Vorschlag dieses Gutachtens ist u. a. eine neue Ermächtigungsgrundlage (§ 1 Abs. 5 BtMG) als Anlage IV „Betäubungsmittel ähnliche bzw. verwandte Substanzen“ in das BtMG einzubeziehen. In die Anlage IV soll nicht mehr ein konkreter Stoff, sondern eine Stoffgruppe einschließlich deren Derivate dem BtMG unterstellt werden.[51]...

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