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E-Book

Der Glaube der Christen

AutorAnselm Grün
VerlagTopos
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl213 Seiten
ISBN9783836750240
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis11,99 EUR
Die Begegnung mit anderen Religionen gehört inzwischen zu unserem Alltag, und die Christen haben sich längst von ihrem Überlegenheitsdunkel verabschiedet. Doch glauben wir wirklich alle an denselben Gott? Was ist eigentlich das Besondere am Christentum? Anselm Grün lenkt den Blick auf das Wesentliche. Ohne andere religiöse Erfahrungen abzuwerten, zeigt er überzeugend auf, worum es im Christentum eigentlich geht.

Pater Anselm Grün, geb. 1945; Dr. theol., ist Mönch der Abtei Münsterschwarzach und der bekannteste spirituelle Autor im deutschen Sprachraum. Seine Bücher sind Bestseller. Für viele Menschen ist er Ratgeber und spiritueller Wegbegleiter.

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Leseprobe

Die Beziehung zu
Jesus Christus


Im Jahre 1938 hat Romano Guardini ein Buch mit dem Titel „Das Wesen des Christentums“ geschrieben. Er war also vom gleichen Thema berührt, das uns auch heute wieder neu beschäftigt. Aber auch er hat diese Frage nicht erfunden. Sie ist schon in der frühen Kirche aufgeflammt, war dann lange verschüttet und ist in der Reformationszeit und schließlich in der Romantik neu aufgebrochen.

Um das Jahr 1900 hat der berühmte evangelische Theologe Adolf von Harnack ein Buch mit diesem Titel geschrieben. Harnack wollte im Sinn des Liberalismus das Christentum auf die Botschaft von dem einen Vater reduzieren. Nicht Christus solle Gegenstand des Glaubens sein, sondern der Vater, an den alle Menschen glauben. „Wo der Sohn nur wenigen gehört, gehört der Vater allen und alle ihm. Wo der Glaube gespalten hat, da mag die Liebe verbinden.“ (Zit. n.: Ratzinger, Einführung 158) Doch dieser Optimismus hielt nicht lange. Er trug eher zur Verdünnung des christlichen Glaubens bei.

Romano Guardini gibt auf die Frage nach dem Wesen des Christentums diese Antwort: Nicht eine bestimmte Lehre ist das Wesen, sondern eine Person: die Person Jesu Christi.

Die Beziehung zu Jesus Christus unterscheidet sich von der Beziehung zu anderen Religionsgründern wie etwa zu Buddha, der eine wunderbare Lehre verkündet hat, die seine Schüler von allem Leid befreien will und zur Erleuchtung führt. Das Wesen des Christentums besteht in der bleibenden Beziehung zu Jesus Christus: „Das Christliche ist letztlich keine Wahrheitslehre oder Deutung des Lebens. Es ist auch das; aber darin besteht nicht sein Wesenskern. Den bildet Jesus von Nazaret, dessen konkretes Dasein, Werk und Schicksal – das heißt also eine geschichtliche Person.“ (Guardini 14)

Guardini hatte in Berlin Verbindung zum dortigen Buddha-Haus und war von manchen Lehren Buddhas fasziniert. Deshalb arbeitete er das Wesen des Christlichen gerade im Unterschied zum Buddhismus heraus. Buddha ist der Erwachte, der den Weg zur Erleuchtung und zur Befreiung aus dem Leiden dieser Welt gefunden hat. Er ist der Führer auf dem Weg des Erwachens. Aber sobald seine Anhänger selbst erwacht sind, brauchen sie den Führer nicht mehr.

Bei Christus ist es anders. Das Wesen des Christlichen besteht in der dauernden Beziehung zu Jesus Christus. Guardini zitiert die vielen Bibelstellen, in denen Jesus das Heil des Menschen von der Beziehung zu ihm abhängig macht. Vor allem im Johannesevangelium sind die Beziehung zu Jesus und der Glaube, der in ihm den Vater sieht, das Entscheidende des Christlichen: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir folgt, wird nie mehr in der Finsternis wandeln, sondern das Licht des Lebens haben.“ (Johannes 8,12)

Jesus vergleicht sich mit dem Weinstock und uns mit den Reben. Nur wenn wir als Reben an ihm bleiben, bringen wir Frucht. Ja, er sagt es noch radikaler: „Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht; denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen.“ (Johannes 15,15) Jesus ist der innerste Grund, aus dem wir leben. Er führt uns in das Potenzial unserer Seele hinein. Und nur wenn wir aus dieser inneren Quelle leben, wird unser Leben fruchtbar. Im ersten Johannesbrief wird die Beziehung zu Jesus als die Bedingung von Heil gesehen: „Jeder Geist, der bekennt, Jesus Christus sei im Fleisch gekommen, ist aus Gott. Und jeder Geist, der Jesus nicht bekennt, ist nicht aus Gott.“ (1 Johannes 4,2f) Und kurz darauf formuliert Johannes noch deutlicher: „Wer bekennt, dass Jesus der Sohn Gottes ist, in dem bleibt Gott, und er bleibt in Gott.“ (1 Johannes 4,15)

Nachdem er all diese Bibelstellen aufgeführt hat, zieht Guardini den Schluss: „Es gibt keine Lehre, kein Grundgefüge sittlicher Werte, keine religiöse Haltung und Lebensordnung, die von der Person Christi abgelöst, und von denen dann gesagt werden könnte, sie seien das Christliche. Das Christliche ist ER SELBST; das, was durch Ihn zum Menschen gelangt und das Verhältnis, das der Mensch durch Ihn zu Gott haben kann.“ (Guardini 68) Für Papst Benedikt führt der christliche Glaube von bloßen Ideen weg, hin zum Ich Jesu. Jesus ist Wort Gottes und Sohn Gottes. Das bedeutet für Joseph Ratzinger „völlige Offenheit“. So fasst er das Wesen des christlichen Glaubens zusammen: „Christlicher Glaube ist nicht auf Ideen, sondern auf eine Person, ein Ich bezogen, und zwar auf ein solches, das als Wort und Sohn, das heißt als totale Offenheit, definiert ist.“ (Ratzinger, Einführung 169)

Wenn die Werte des Guten, Schönen und Wahren sowie echte Humanität auch anderswo verwirklicht werden, so muss man dennoch die Beziehung zu Jesus Christus als das entscheidend Christliche ansehen. „Christentum ist … nur dort, wo die Erinnerung an Jesus Christus in Theorie und Praxis aktiviert wird.“ (Küng, Christ sein 118)

Für Hans Küng ist die Frage wichtig, welchen Christus wir als Grundlage unseres Glaubens und unserer Existenz nehmen. (Vgl. ebd. 119ff) Denn in der Kirchengeschichte gab es viele Christusbilder, die dann immer auch zu Einseitigkeiten oder gar Verfälschungen des Christlichen geführt haben. Daher müssen wir die Bibel genau studieren, um dem wahren Jesus zu begegnen, wie ihn uns die Evangelien und die Briefe des Neuen Testaments beschreiben.

Aber auch da werden wir wahrnehmen, dass jedes Evangelium uns ein anderes Christusbild zeichnet. Wir können Jesus also nicht festlegen. Er ist und bleibt offen für viele Bilder. Daher ist auch das Christentum eine offene Religion. Sein Wesen besteht darin, dass es stets danach sucht, wer dieser Jesus war und heute für uns ist, was er gelehrt und wie er gelebt hat und wie er Gott verstanden und verkündet hat.

Auch für uns Christen ist Gott das eigentliche Ziel unseres Lebens. Aber der bleibende Weg zu diesem Gott ist für uns der menschgewordene Gott Jesus Christus. In ihm wird Gott Mensch. Er verkündet uns das wahre Gottesbild und befreit uns immer wieder von unseren eigenen Projektionen, die wir auf Gott werfen.

Wenn das Christentum vor allem eine persönliche Beziehung zu Jesus Christus ist, kommt für mich darin etwas Wesentliches zum Ausdruck, das mir gerade im Dialog mit anderen Religionen wichtig erscheint. Heute ist es ja modern, vom apersonalen Gottesbild zu sprechen, das uns vor allem die östlichen Religionen verkünden. Sicher weisen uns diese Religionen darauf hin, dass wir Gott nicht zu eng in unseren menschlichen, westlich geprägten Personbegriff hineinzwängen dürfen: Gott ist auf andere Weise Person, als wir das von Menschen annehmen.

Gott ist immer beides zusammen: Er ist persönlich und zugleich überpersönlich. Auch die christliche Theologie sagt, dass alle Begriffe von Gott immer zugleich bestätigt und verneint werden müssen. Gott ist jenseits unserer Begriffe: Er ist nicht Person, aber er ist auch nicht weniger als Person. Hans Küng bringt aus der Physik den Begriff der Komplementarität ins Spiel. Gott ist „bei aller Überpersönlichkeit ein echtes Gegenüber, das menschenfreundlich und unbedingt verlässlich ist“. (Küng, Das Christliche 223)

In Jesus hat Gott ein persönliches Antlitz bekommen. In Jesus wird Gott als Du erfahrbar, das mir begegnet und mich anspricht. Und dieses Du prägt meinen Glauben. Glaube – so sagt Joseph Ratzinger – ist „das Finden eines Du, das mich trägt und in aller Unerfülltheit und letzten Unerfüllbarkeit menschlichen Begegnens die Verheißung unzerstörbarer Liebe schenkt“. (Ratzinger, Einführung 53)

Die Beziehung zu Jesus Christus sagt etwas Wesentliches über unsere Gottesbeziehung aus. Ich erlebe viele spirituell Suchende, die vom apersonalen Gott sprechen und diese Sicht als befreiend erleben. Aber oft verdecken sie damit nur ihre eigene Beziehungslosigkeit. Weil sie unfähig zu wirklich persönlichen Beziehungen sind, brauchen sie ein Gottesbild, das die Beziehung ausschließt oder überspringt. Sie sprechen vom Einssein mit dem Göttlichen. Das genügt ihnen. Doch sie öffnen sich nicht, um einem anderen wirklich zu begegnen.

Auch für uns Christen ist das Einswerden mit Gott das letzte Ziel. Aber es ist ein personales Einswerden, ein Einswerden mit einem Du – es ist die Erfüllung unserer tiefsten Sehnsucht nach Liebe.

Für mich hat das Gottesbild immer auch mit dem Selbstbild zu tun. Wenn wir Christen unsere Beziehung zu Jesus als Wesen unseres Glaubens ansehen, dann sagt das auch etwas über unser Menschenbild.

Das christliche Menschenbild ist vom Verständnis des Personseins geprägt. Und zum Personsein gehört wesentlich die Begegnung. „Ich werde am Du“ (vgl. Buber), beschreibt der jüdische Philosoph Martin Buber die in der Begegnung geschehende Entwicklung der Person. Buber bezieht das nicht nur auf das Du eines anderen Menschen, sondern auch auf das Du Gottes.

Natürlich dürfen wir Christen nicht von uns behaupten, dass wir beziehungsfähiger sind als andere. Der Glaube allein befähigt den Menschen noch nicht zu einer persönlichen Beziehung zu anderen Menschen oder zu...

Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Cover1
Titel4
Impressum5
Inhalt6
Einleitung8
Die Beziehung zu Jesus Christus20
Die Menschwerdung Gottes36
Der Tod und die Auferstehung Jesu54
Der Weg der „Vergöttlichung“ durch die Sakramente66
Geschichtliche Religion78
Die Erlösung durch Jesus Christus92
Die neue Ethik108
Christliche Spiritualität120
Das Christentum im Dialog mit anderen Religionen138
Der Absolutheitsanspruch des Christentums166
Schlusswort180
Literatur188
Weitere topos Taschenbücher191
Über das Buch194
Über den Autor195
Hinweis des Verlages196
LESEPROBE197

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