Wer ist Jesus? – Das ist die bedeutendste Frage, die das Neue Testament aufwirft und beantwortet. Aber es ist nicht nur eine Frage der Bibel oder der Kirche – es ist eine Frage unseres Lebens. Was ist das Besondere an diesem Jesus von Nazareth? Ist er nur eine herausragende Person der Weltgeschichte, oder hat er darüber hinaus eine Bedeutung für unser Leben heute? Wer sich auf diese Spurensuche begibt, wird immer wieder neu fragen: Was ist das für ein Mensch?
Seine Worte gehen zu Herzen
Eindrücklich ist zunächst, was Jesus gesagt hat. Seine als Bergpredigt bekannt gewordenen Sätze zählen zu den bedeutendsten Reden aller Zeiten. Dazu gehören auch die sogenannten Seligpreisungen. Sie finden Sie in Ihrer Bibel in Matthäus 5,1-12:
Als er aber das Volk sah, ging er auf einen Berg und setzte sich; und seine Jünger traten zu ihm. Und er tat seinen Mund auf, lehrte sie und sprach: Selig sind, die da geistlich arm sind; denn ihrer ist das Himmelreich. Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden. Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen. Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden. Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen. Selig sind, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott schauen. Selig sind die Friedfertigen; denn sie werden Gottes Kinder heißen. Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihrer ist das Himmelreich. Selig seid ihr, wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen und verfolgen und reden allerlei Übles gegen euch, wenn sie damit lügen. Seid fröhlich und getrost; es wird euch im Himmel reichlich belohnt werden. Denn ebenso haben sie verfolgt die Propheten, die vor euch gewesen sind.
Jesus stellt alles auf den Kopf: Nicht die Reichen und Starken, nicht die Großen und Mächtigen sind glücklich zu nennen, sondern die Armen und Schwachen, die Kleinen und Leidenden. Diejenigen, die Unrecht erleiden, werden Gerechtigkeit erfahren. Nicht die Gnadenlosen werden die Oberhand behalten, sondern die Barmherzigen.
Das sind Worte gegen unsere Erfahrung. Wir erleben es allzu oft anders in dieser Welt. Das gilt für die große Politik und für die großen Geschäfte: Die Supermächte und die Wirtschaftsmächte setzen sich durch und geben den Ton an. Die Starken machen die Musik. Die armen Länder, die Bauern in Afrika und Südamerika werden an den Rand gedrängt – und weiter hinaus: Sie werden hinausgedrängt aus der Geschäftswelt und aus dem Kreis derer, die an Fortschritt und Wohlstand teilhaben. Aber auch in unserem kleinen Leben erfahren wir das: Es sind immer die Gleichen, die groß rauskommen und gut dastehen, und es sind auch immer die Gleichen, die untergehen. – Jesus setzt sein Wort dagegen und sagt: »Nein, es ist anders. Die Weltgeschichte und auch eure Lebensgeschichte soll anders ausgehen.«
Dafür steht er mit seiner Person. Diese Worte sind nicht nur eine Utopie, die uns ermutigen soll, unsere Ideale beherzt zu verwirklichen. Dafür wären sie viel zu vollmundig. Jesus setzt ein Versprechen gegen unsere Erfahrung: »… das Himmelreich gehört ihnen.« Er verspricht Großartiges für die, die kleingemacht und kleingehalten werden. Dafür steht er mit seinem Namen. Er selbst tritt auf als der, der nicht nur die großen Sehnsüchte der Menschen erfüllen wird, sondern auch sein eigenes Versprechen. – Genau darum lässt er seinen Worten auch Taten folgen.
Seine Wunder bewegen die Welt
Jesus erregt nicht nur Aufsehen durch seine Worte, sondern auch durch seine wundersamen Taten. Er macht Kranke gesund. Lahme lässt er gehen, Blinde können sehen, sogar Tote erweckt er zum Leben. Manche Leser zweifeln, ob das jemals so stattgefunden hat. Diese Zweifel sind so alt wie die Geschichten selbst: Könnten das nicht alles auch Legenden sein? – Natürlich könnte das so sein, aber es ist äußerst unwahrscheinlich, dass die verschiedenen Autoren der Schriften, die im Neuen Testament der Bibel zusammengefasst sind, einfach nur gelogen und Geschichten erfunden hätten, die so nie geschehen wären. Dafür sind die Schriften zu alt, zu nahe an der Zeit des Geschehens entstanden und zu zahlreich. Zu viele Augenzeugen lebten noch, als die Geschichten verbreitet wurden. Aber auch unabhängig davon, wie man die Schilderungen zunächst historisch bewertet, fordern sie uns heraus und sprechen uns an.
Allein der Evangelist Johannes berichtet uns sieben Wunderzeichen, die Jesus getan hat. Wir werden sie in diesem Buch noch einmal nacherleben: Bei einer Hochzeit im galiläischen Dorf Kana macht er Wasser zu Wein. Im gleichen Ort heilt er den Sohn eines königlichen Beamten, der ihn flehentlich um Hilfe bittet. Ein Mann, der 38 Jahre krank am Teich Bethesda liegt, einsam und allein, abseits des gesellschaftlichen Lebens, wird gesund. Fünftausend Menschen werden satt von fünf Broten und zwei Fischen. Zwölf Körbe voll bleiben sogar übrig. In der Nacht nach dieser wundersamen Brotvermehrung begegnet Jesus seinen Freunden auf dem See Genezareth: Ein Sturm tobt, das Boot der Fischer droht unterzugehen, aber Jesus geht zu Fuß über die Wellen. Später heilt er einen Blindgeborenen, der noch nie die Sonne und die Farben der Welt gesehen hat. Und in Bethanien nahe bei Jerusalem geschieht das Unglaublichste: Jesus ruft seinen verstorbenen und schon von der Verwesung ergriffenen Freund Lazarus aus dem Grab heraus. – Immer wieder stehen wir staunend vor dem, was Jesus tut, und fragen: Wer ist dieser Mann?
Es ist doch erstaunlich: Vor 2 000 Jahren sind diese Wunder geschehen – und immer noch erzählen sich Menschen auf der ganzen Welt diese Geschichten. Mehr noch: Sie erzählen und erleben dabei, dass diese Wunder wahr sind. Gott tut heute noch Wunder. Nicht immer, nicht überall, schon gar nicht als Beweis unseres Glaubens – aber doch immer wieder, überraschend, auf seine ganz eigene Weise. Jesus ist nicht nur ein Wundertäter – er ist bis heute wundersam und wunderbar. Seine Wunder bewegen die Welt.
Sein Wesen ist einzigartig
Wer ist Jesus? An dieser Frage kommen wir nicht vorbei. Sie stellt sich immer wieder neu. Der vollmundige Redner und der spektakuläre Wundertäter passen in kein Schema. Immer wieder entzieht er sich dem Starkult des Volkes. Die Leute sind begeistert. Der Mann aus Nazareth ist auf dem besten Weg, ein Volksheld zu werden. Die Massen laufen ihm hinterher. Jesus ist ein Promi der Antike, aber entzieht sich immer dem Starkult. »Jesus Christ Superstar« – das ist nie sein Ding. Nie lässt er sich zum Star machen. Wenn sie ihn feiern wollen, zieht er sich in die Stille zurück. Es geht ihm nicht um Heldentum, Ruhm und Ehre. All seine Wunder sollen nur Zeichen sein für sein Wesen. Hinweise auf die Person, die er in Wahrheit ist.
Im Neuen Testament wird Jesus darum mit vielen Bezeichnungen benannt, die sein Wesen zum Ausdruck bringen.
⬣ Er ist der Menschensohn. Diesen Titel verwendet er am häufigsten für sich selbst. Damit macht er deutlich: Er ist der kommende Weltenrichter, der von Gott gesandt werden wird und vom Propheten Daniel im siebten Kapitel seines Buches bereits angekündigt ist. Er ist der, der Gerechtigkeit schaffen wird. Er ist nicht nur ein Mensch, er ist vielmehr von Gott, dem Höchsten, gesandt und bevollmächtigt.
⬣ Er ist der Sohn Gottes. Er vollbringt Taten, die nur Gott tun kann und die nur Gott zustehen. Das betrifft nicht nur die Heilungen und spektakulären Wunder. Das gilt auch für die Vergebung der Sünden, die er anderen zuspricht. Dem Kranken, den vier Freunde zu Jesus bringen, spricht er das zuerst zu, bevor er ihn heilt: »Dir sind deine Sünden vergeben« (vgl. Markus 2). Jesus ist der Sohn Gottes, der schon vor aller Zeit war, der diese Welt mit geschaffen hat und dann in diese Welt hineinkommt und als Mensch geboren wird. »Wahrer Mensch und wahrer Gott« haben die frühen Christen in ihrem Bekenntnis festgehalten. Unbegreiflich – und doch zum Greifen nah.
⬣ Er ist der Messias, das heißt übersetzt: der Gesalbte. Auf Griechisch schlicht: Christos, im Lateinischen: Christus. Dieser Titel ist zu seinem Namen geworden, Jesus Christus. Der Messias ist der Retter, auf den das Volk Israel seit David wartet. Ein Sohn Davids soll geboren werden, ein König, einer, der auch von Gott gesalbt und eingesetzt ist. Dieser Messias wird Frieden bringen und ein Reich der Gerechtigkeit aufrichten. Das wird für Israel und schließlich auch für die ganze Welt gelten. Die Juden warten heute noch auf den Messias; Christen erkennen ihn in Jesus, dem Christus.
Viele weitere Bezeichnungen umschreiben ihn: Jesus ist das Wort Gottes, das von Gott ausgeht und Fleisch wird. Jesus ist das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt trägt. Jesus ist der, der den Heiligen Geist trägt und weitergibt. Die Bibel stellt uns Jesus vor als den, über den nicht hoch genug gedacht werden kann: Er ist der verheißene Retter und Erlöser der Welt, der Heiland. Was er ist – das ist er für uns.
Mehr geht nicht
Jesus stellt sich selbst vor in seinen »Ich bin«-Worten. Wieder ist es der Evangelist Johannes, der uns diese Selbstvorstellungen Jesu berichtet: »Ich bin«, sagt Jesus, »das Brot des Lebens.« Er macht satt, er stillt unseren Hunger nach Leben, unsere Sehnsucht nach Erfüllung. – »Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht im Dunkeln wandeln, sondern das Licht des Lebens haben.« – »Ich bin die...