In der Makrofotografie heißt es, kleine Dinge ganz groß abzulichten. Egal, ob man ein Makroobjektiv hat oder die preisgünstigere Variante der Makrolinse oder der Zwischenringe wählt, man entdeckt Dinge, die man nie zuvor gesehen hat.
Am Strand können es kleine Muscheln und Schneckenhäuser sein, im Wald vielleicht Insekten oder kleine Baumpilze, die Sie in den Bann ziehen. Aber auch Mineralien, Versteinerungen, Schmuckstücke oder Münzen zeigen sich in der Makrofotografie von einer Ihnen noch unbekannten Seite. Man entdeckt Dinge, die man oftmals mit bloßem Auge, ohne weitere Hilfsmittel wie z. B. einer Lupe, nicht oder nur sehr undeutlich wahrnehmen würde. Hierin liegt die Faszination der Makrofotografie. Es ist wie ein Ausflug in eine andere Welt, und wer einmal Feuer gefangen hat, kann nicht mehr aufhören, sich kleine Dinge ganz groß anzusehen.
Manch einer fragt sich vielleicht, ab welchem Abbildungsmaßstab genau die Makrofotografie anfängt. Ob es da eine exakte Trennung gäbe zwischen noch gerade Makro und nicht mehr Makro. Hier kann vielleicht die Definition der Deutschen Industrie Norm (DIN) weiterhelfen, die Aufnahmen mit Abbildungsmaßstäben von 1:10 bis 10:1 als Nah- und Makrobereich zusammenfasst.
Ein Abbildungsmaßstab von 1:10 bedeutet, dass das Objekt in 1/10 seiner Originalgröße aufgenommen wird. Bei einem Abbildungsmaßstab von 1:1 wäre dann das Objekt genau so groß aufgenommen, wie es im Original groß ist und bei 10:1 würde es bei der Aufnahme 10-fach vergrößert werden. So verführerisch das auch klingen mag, einen Pferdefuß hat die ganze Sache: Zu kämpfen hat jeder, der sich mit der Makrofotografie beschäftigt, mit der geringen Schärfentiefe, die umso mehr abnimmt, je größer der Abbildungsmaßstab ist.
Der Grundproblematik, nämlich dass die Schärfentiefe bei einem größer werdenden Abbildungsmaßstab immer weiter abnimmt, kann keiner ausweichen. Im Workshopteil des Buches zeigen wir Ihnen aber, wie Sie die geringe Schärfentiefe ein bisschen überlisten können (siehe Workshop „Mehr Schärfentiefe durch Kamerastandpunkt“).
Damit Sie in die Welt der Makrofotografie eintauchen können, benötigen Sie entweder ein spezielles Makroobjektiv oder die Alternativen dazu (siehe Kapitel „Alternativen zu Makroobjektiven“). Mit Makroobjektiven kann und muss man nahe an das Fotoobjekt herangehen, um es groß abzulichten, denn der Abbildungsmaßstab ist abhängig von der Entfernung zum Motiv. Je näher man mit dem Makroobjektiv herangeht – natürlich nur bis zu einem bestimmten Mindestabstand – desto größer ist der Abbildungsmaßstab. Maximal erreicht man mit Makroobjektiven einen Abbildungsmaßstab von 1:1.
Wenn wir unsere Teilnehmer fragen, was ihnen zum Begriff Makrofotografie einfällt, hört man meist „ganz nahe herangehen“ und „möglichst groß abbilden“. Im zweiten Atemzug wird dann „viel Detailschärfe“ genannt. Leider liegt darin ein gewisser Widerspruch, mit dem sich jeder, der Makroaufnahmen macht, auseinandersetzen muss. Denn mit dem „nahe Herangehen“ fangen die Probleme an. Hier treffen wir auf die Problematik der abnehmenden Schärfentiefe bei einem größer werdenden Abbildungsmaßstab. Natürlich gibt es für jedes Bild einen gewissen Grad an Unschärfe, der es auch spannend macht, denn Unschärfe ist ein schönes Gestaltungsmittel. Wird jedoch das richtige Maß überschritten, dann überlagert die Unschärfe die eigentliche Bildaussage, und der Betrachter erkennt nicht mehr sofort das, worauf es Ihnen bei der Aufnahme ankam.
Wenn die Schärfentiefe trotz weiteren Schließens der Blende (siehe Kapitel „Schärfentiefe im Bild“) nicht ausreicht, gehen Sie einfach ein kleines Stück zurück und nehmen Ihr Motiv etwas kleiner auf, dafür aber mit mehr Schärfe. Am besten also nah ran, aber nicht zu nah.
ALLGEMEIN GILT:
Je größer der Abbildungsmaßstab und je weiter geöffnet die Blende (kleiner Blendenwert), desto geringer ist die Schärfentiefe. Wenn das Schließen der Blende für die gewünschte Schärfentiefe nicht ausreicht, gehen Sie mit der Kamera einfach ein bisschen zurück. Dann wird der Abbildungsmaßstab kleiner und der Schärfentiefenbereich wächst.
Aber damit, die Blende einfach weit zu schließen, um auf die gewünschte Schärfentiefe zu kommen, ist es leider auch noch nicht getan. Denn jetzt kommt die Belichtungszeit ins Spiel (siehe Kapitel „Blende“), die dann für einige Aufnahmen, insbesondere draußen, wenn Bewegung mit im Spiel ist, zu lang wird.
Doch keine Sorge, diese Schwierigkeiten haben alle, die im Makrobereich fotografieren. Wenn Sie erst einmal ein bisschen Erfahrung gesammelt haben, werden Sie schnell erkennen, was machbar ist und wo die Grenzen der Fotografie bzw. der Optik liegen. Wir werden Sie unterstützen, das Mögliche aus der Makrofotografie herauszuholen.
Lassen Sie sich auf jeden Fall genügend Zeit, um die Möglichkeiten und Grenzen der Makrofotografie zu entdecken und auszuprobieren.
Motive für die Makrofotografie finden Sie eigentlich überall. Ob draußen in freier Natur, im Garten oder auf dem Balkon oder auch drinnen in der Wohnung, in der Küche oder im Keller – lassen Sie den Blick schweifen und Sie entdecken zahlreiche Motive. Die Rahmenbedingungen, die Sie bei der Makrofotografie draußen und drinnen erwarten, sind teilweise identisch, wie z. B. die geringe Schärfentiefe, teilweise aber auch sehr unterschiedlich, wie z. B. die Lichtsituation und der Einfluss des Windes.
Makrofotografie draußen: Für viele ist es eine ganz große Freude, draußen in der Natur auf Motivsuche für Makrofotos zu gehen. Typische Makromotive, die Sie draußen in der Natur finden, sind beispielsweise im Wald kleine Schnecken, winzige Baumpilze, Moose oder Flechten. Am Strand können es Muscheln, Sandkörner und Bewuchs auf angespülten Holzteilchen oder auf Seetang sein, die Ihre Neugierde wecken. Und natürlich auch Insekten und Spinnen. Wer hat noch nicht einmal versucht, eine flink auf der Blüte umhereilende Biene oder Hummel zu fotografieren, oder eine scheinbar so langsam kriechende Schnecke. Die Erfahrungen, die Sie gemacht haben, sind sicher vielfältig, doch vielleicht werden Sie das eine oder andere von dem, was wir im Folgenden beschreiben, wiedererkennen.
Libelle mit Schlupfhaut, siehe Workshop: „Genaues
Hinsehen lohnt sich“.
Im Gegensatz zur Fotosituation drinnen, müssen Sie draußen im Großen und Ganzen mit dem Vorliebnehmen, was da ist. Das beginnt mit der Motivsuche. Wenn Sie gerne Insekten fotografieren, sollten Sie zur richtigen Jahreszeit unterwegs sein und im Wald, auf den Wiesen oder im botanischen Garten Ausschau halten. Je nach Habitat werden Sie die verschiedensten Insekten finden: Bienen auf Blüten, Heuschrecken auf Wiesen und Libellen an Waldrändern oder an Fließ- und Stillgewässern. Einige der Insekten lassen sich nicht so schnell stören, doch andere fliegen bei der kleinsten Beunruhigung davon. Deshalb sollten Sie sich den Insekten möglichst langsam annähern, fast so, als würden Sie sich in Zeitlupe bewegen. Dann haben Sie gute Chancen, nahe genug heranzukommen. Auch wenn wir für die Makrofotografie ein Stativ für unbedingt erforderlich halten, bei der Insektenfotografie kann es sich als hinderlich und sperrig erweisen. Eine Möglichkeit, trotzdem auf eine sehr kurze Belichtungszeit zu kommen, ist, den ISO-Wert höher zu stellen (siehe Kapitel „ISO und das Tauschgeschäft“). Schwierig wegen des oftmals hohen Kontrastes sind dunkle Hummeln auf hellen Blüten. Hier wird die im Verhältnis zur Hummel relativ große helle Blüte meist richtig belichtet, die dunklere Hummel dagegen lässt keine Details erkennen. Bitte blitzen Sie die Insekten bei der Aufnahme nicht an, denn es schadet ihren Facettenaugen. Lernen Sie lieber die von uns „Geheimtaste“ genannte Taste zur Belichtungskorrektur kennen und einzusetzen (siehe Kapitel „Die Geheimtaste zur Belichtungskorrektur“).
Ein anderer typischer Faktor im Freien ist der Wind, der einige der Motive zum Wackeln bringen kann, z. B. Blumen, Gräser und Insekten auf Blüten. Hier helfen nur sehr kurze Belichtungszeiten und ein wenig Geduld, denn die Windstärke variiert. Mal ist sie stärker, dann wieder schwächer, bis hin zum kurzen Stillstand. Und diesen Moment gilt es abzuwarten und dann auszulösen.
Dann wäre da noch die Lichtsituation draußen zu nennen, auf die man allerdings bedingt Einfluss nehmen kann. Je nachdem, ob die Sonne scheint oder ob es bewölkt ist, ob Sie auf einer freien Wiese oder im belaubten Wald fotografieren, haben Sie unterschiedliche Lichtsituationen. Die pralle Mittagssonne lässt Farben gerne ausbleichen. Reflexionen machen das Motiv weiß, oder am dunklen...