Einleitung
Als Journalist mit medizinischer Ausbildung stoße ich häufig auf Behauptungen, die zu gut scheinen, um wahr zu sein – und es oft auch sind. Manchmal beginne ich nach ersten Recherchen meine ursprüngliche Position zu überdenken und komme zu dem Schluss, dass etwas, was auf den ersten Blick undenkbar schien, eventuell doch nicht ganz von der Hand zu weisen ist. Wie der Ökonom John Maynard Keynes einst sagte: »Wenn sich die Fakten ändern, ändere ich meine Meinung.«
So erging es mir, als ich Anfang 2012 erstmals von »intermittierendem Fasten« hörte. Zunächst war ich skeptisch. Ich nahm an, es würde sich um eine Art Entgiftung oder einen anderen heute weitgehend entkräfteten Erklärungsversuch dafür handeln, wie der Körper funktioniert. Dennoch hatte es mein Interesse geweckt, umso mehr, als ich kurz zuvor festgestellt hatte, dass ich unter Prädiabetes litt und zu viel viszerales Fett (Fett im Bauchraum) besaß. Mein Vater war an einer Diabetes-Folgeerkrankung gestorben, und ich sah mich auf dem gleichen Weg.
Also nahm ich die Behauptung, dass man durch eine Veränderung des Essrhythmus´ Gewicht verlieren und gesundheitliche Vorteile erzielen kann, vor allem Verbesserungen des Insulinhaushalts, näher unter die Lupe. Ich stieß bald auf Studien aus den USA und dem Vereinigten Königreich, die auf einen raschen Fettabbau und andere Vorteile durch Kalorienreduktion an einigen Tagen der Woche verwiesen.
Ich interessierte mich näher dafür und stellte fest, dass der Erfolg von intermittierendem Fasten durch umfangreiche Forschungen an Tieren und Menschen belegt war. Ich sprach mit vielen namhaften Experten, testete die Methode selbst und entwickelte eine Dokumentation für die BBC. Dann, im Januar 2013, schrieb ich gemeinsam mit Mimi Spencer ein Buch, The Fast Diet, in dem wir all diese Studien zu einer sogenannten 5:2-Diät zusammenfassten (normal essen an fünf Tagen pro Woche, Kalorien reduzieren an zwei Tagen). Allein mit dieser Methode verlor ich mehr als neun Kilo Fett, mein Blutzucker normalisierte sich. Wenngleich das nur meine Erfahrungen waren (und persönliche Anekdoten nun mal unwissenschaftlich sind), standen sie doch im Einklang mit einer Reihe klinischer Studien zu verschiedenen Formen des intermittierenden Fastens.
Noch wissen wir nicht, welcher Rhythmus für das intermittierende Fasten ideal ist, welches echte Langzeitvorteile sind und wo es mögliche Fallstricke gibt, aber seit dem Erscheinen des Buches hielten sich Tausende von Menschen an die 5:2-Diät, verloren Gewicht und berichteten mir, wie einfach es sei. Es freut mich auch, dass mittlerweile neue Studien eingeleitet wurden.
Beim Schreiben der Fast Diet befasste ich mich auch mit dem Thema Bewegung. Ernährung und Bewegung ergänzen einander, sie gehören zusammen wie Fred Astaire und Ginger Rogers, wie Batman und Robin. Und wie wir sehen werden, bestehen interessante Parallelen darin, wie die Wissenschaft unsere Einstellung zu beiden Bereichen revolutioniert.
Vor meiner Sendung über das Fasten war ich bereits auf einen sich rapide entwickelnden neuen Bereich der Sportwissenschaft gestoßen, der als High Intensity Training (HIT) bezeichnet wird.
Einer der Pioniere dieses radikal anderen Zugangs zu Training ist Jamie Timmons, Professor für Systembiologie an der Universität Loughborough. Loughborough ist Sitz des Centre for Olympic Studies and Research, sein sportwissenschaftliches Department gehört zu den führenden Einrichtungen Großbritanniens.
Als wir uns trafen, stellte Jamie eine für mich unerhörte, beinahe unglaubliche Behauptung auf: Er sagte, ich könnte viele wesentliche Vorteile sportlicher Betätigung schon mit drei Minuten intensiven Trainings pro Woche erzielen. Er sagte, wenn ich bereit wäre, es zu versuchen, wäre er zuversichtlich, dass ich in nur vier Wochen maßgebliche Veränderungen in meiner Biochemie erzielen würde. Mir erschien das zwar höchst unwahrscheinlich, aber auch ungemein faszinierend. Also unterzog ich mich all den erforderlichen Tests und legte los. Die Ergebnisse kamen einer Offenbarung gleich.
Seit meinem ersten Gespräch mit Jamie im Jahr 2011 ist die Forschung zum Thema HIT explosionsartig angewachsen, es werden ständig neue Erkenntnisse bekannt. Selbst in den 18 Monaten, die ich an diesem Buch arbeitete, wurden zahlreiche neue Studien veröffentlicht, die immer mehr Nachweise dafür lieferten, dass man wirklich viele der Vorteile traditioneller Trainingsansätze auch mit kurzen, intensiven Trainingseinheiten erzielen kann, vielleicht sogar mehr. Zu den Vorteilen gehören:
Verbesserte aerobe Fitness und Ausdauer
Weniger Körperfett
Mehr Kraft in Ober- und Unterkörper
Bessere Insulinwirkung
Diese Forschungsergebnisse bilden die Grundlage dessen, was ich als Fast Fitness bezeichne, eine praktische und angenehme Methode, in kürzester Zeit maximale Wirkung zu erzielen.
Meine Mitautorin Peta Bee, eine führende Sport-Journalistin und Trainerin, machte Karriere, indem sie die Behauptungen der Sport- und Fitnessbranche zu hinterfragen begann. Im Gegensatz zu mir liebt sie Bewegung. Sie brachte ihre wertvollen Erfahrungen ein und half damit, die Theorie in die Praxis umzusetzen.
Der Dynamo und das Faultier
Michaels Motivation
Peta und ich gehen sehr unterschiedlich an das Thema Training heran. Sie ist seit frühester Jugend äußerst sportlich. Sie läuft liebend gerne Marathons und genießt ein gutes, hartes Workout. Die vergangenen 20 Jahre hat sie damit zugebracht, andere durch Denken, Schreiben und Training dazu zu bringen, ihre Leidenschaft zu teilen.
Ich dagegen bin ein Sportmuffel. Ich erlebe kein Hochgefühl, wenn ich trainiere oder mich fordere; ich schließe mich eher dem Astronauten Neil Armstrong an, der einmal sagte: »Ich glaube, dass jeder Mensch eine begrenzte Menge von Herzschlägen zur Verfügung hat. Ich habe nicht die Absicht, auch nur einen davon mit Sport zu vergeuden.« Oder dem Schauspieler Peter O‘Toole, der meinte: »Ich betreibe nur Bewegung, wenn ich hinter den Särgen von Freunden hergehe, die Sport getrieben haben.«
Nun, das ist vielleicht ein wenig übertrieben. Mit nunmehr 56 Jahren sehe ich ein, dass Bewegung notwendig und wertvoll ist. Ich vertrete außerdem die Vorstellung, dass wir geboren werden, um uns zu bewegen. Während meines Medizinstudiums war ich in einigen Sportmannschaften, ging laufen und schwamm. Als ich jedoch zu arbeiten begann, fand ich keine Zeit mehr dafür.
Verstehen Sie mich nicht falsch; ich bin nicht wirklich ein Faultier. Ich gehe gerne Ski fahren, spazieren, im Meer schwimmen, ich mag es, aktiv zu sein. Doch ich betrachte nichts davon als »Training«, als etwas, das man tun sollte.
Training assoziiere ich mit Fitnessstudio. Es bedeutet für mich, lange zu laufen, auch wenn es nass und kalt ist, oder auf dem Laufband dahinzutraben; Training klingt nach stundenlangem Schwitzen auf einem Heimtrainer oder Heben von schweren Gewichten, gefolgt von dem ungläubigen Staunen, wenn Sie auf die Waage steigen und feststellen, dass sich kaum etwas verändert hat. Training bedeutet für mich durchhalten, weil ich es muss, nicht weil ich es möchte.
Wenn ich schon trainiere, soll es kurz, intensiv, einfach und bald vorbei sein. Neben dem wissenschaftlichen Interesse war es genau das, was mir an HIT so attraktiv erschien. Peta kam, wie erwartet, aus ganz anderen Gründen zu HIT.
Petas Motivation
Im Gegensatz zu Michael liebe ich Bewegung und das Gefühl, das sie mir vermittelt. Ich genieße es, meine Ausdauer und Kraft auf die Probe zu stellen und anschließend körperlich völlig erschöpft zu sein.
Meine Liebe zur Bewegung zeigte sich, als ich mich in der Grundschule für Leichtathletik entschied. Schließlich lief ich später in meiner Jugend und in meinen frühen Zwanzigern viele Halbmarathons. Meine Leidenschaft bestand darin herauszufinden, wie der Körper auf intensive Anstrengungen reagiert, wie er seine Leistung immer wieder noch weiter steigern kann, was mich letztlich direkt zu einem Studium der Sportwissenschaft an der Universität führte. Dabei erwarb ich mein Wissen über die Grundprinzipien der Physiologie und der Biomechanik und entwickelte eine fixe Vorstellung von Fitness und dem Weg dorthin. Fitness stellte den Fokus meiner Karriere dar. Ich schreibe seit 20 Jahren über Sport und Fitness und deren Auswirkungen auf Gesundheit und Lebenserwartung.
Was HIT angeht, so habe ich in all den Jahren des Trainierens sowie dessen wissenschaftlicher Erforschung während des Studiums nichts gefunden, das nur annähernd so lohnend wäre – körperlich und seelisch. Ich vermute, ich bin in gewisser Weise die Verkörperung der lebenslangen Fast Fitness – ohne dass es mir bewusst gewesen wäre. Erste Erfahrungen mit dem Konzept der kurzen intensiven Anstrengung, gefolgt von kurzer Erholung, machte ich, als ich mit dem Training begann. Mehrmals pro Woche joggte ich mit kurzen Sprinteinheiten – und dabei bin ich geblieben. Ich variiere die Intensität der Belastung, sprinte z. B. einen Hügel hinauf, eine Seite eines Fußballfeldes entlang, zwischen Laternenmasten oder einer Reihe Bäume entlang.
Mit 45 Jahren bin ich nun eine ziemlich beschäftigte berufstätige Mutter und habe, ehrlich gesagt, weder Zeit noch Lust, mehr als eine Stunde pro Tag mit Training zu verbringen. Ja, ich möchte der Gewichtszunahme im mittleren Alter entgegenwirken, mich gut fühlen und,...