Macht die Stadt gesund?
Wald macht gesund
Wenn ich Sie fragen würde, ob der Wald gesund macht, würden Sie das doch bestimmt ohne Bedenken bejahen, bejubeln und mir sicher voller Begeisterung von Ihren Wunderheilungen durch Waldspaziergänge erzählen? Nein, ich übertreibe nicht! In letzter Zeit häufen sich die wissenschaftlichen Beweise dafür. Eigentlich wussten wir das doch intuitiv schon immer.
Bei einer Studie in Korea wurden Blutdruck und Lungenkapazität von Frauen verglichen, die einen einstündigen Spaziergang entweder durch den Wald oder durch die Stadt gemacht hatten. Sie ahnen das Ergebnis, oder? Bei den Waldspaziergängern sank der Blutdruck, die Lungenkapazität nahm zu, die Elastizität der Adern verbesserte sich. Bei der Stadtgruppe veränderte sich nichts.
Geliebte T-Killerzellen
Eine weitere Studie ergab, dass das Gehen im Wald die sogenannten T-Killerzellen aktiviert. Hört sich ja gefährlich an! Das sind meine und Ihre weißen Blutkörperchen (eine spezielle Sorte Lymphozyten), die Krebszellen abtöten. Ursache für die Aktivierung sind laut dieser Untersuchung Stoffe, die von Bäumen in die Luft abgegeben werden und die Bäume selbst vor Krankheitserregern schützen.
Spaziergänger atmen diese Wirkstoffe, sogenannte Phytonzide, ein, und dadurch verbessert sich ihr Immunsystem. So einfach kann Gesundheit sein! Krebsvorbeugung in seiner einfachsten Form: Ab in den Wald. Oder hier besser: Bäume in die Stadt!
Bei einer weiteren Studie, einer Befragung bei 335 Reha-Patienten, gaben mehr als drei Viertel der Befragten an, dass die Spaziergänge im Wald am meisten zu ihrer Gesundung beigetragen hätten. (Alle Infos stammen aus: Natur und Heilen, 11/2014.)
Nun, das war der Wald. Bei der Stadt würden Sie das nicht so einfach bejahen. Ein Ort ohne WLAN-Spot, ohne Straßenlärm, ohne Hauptverkehrsstraße, Abgase, Hundehinterlassenschaften …? Ist in der Innenstadt ja nicht so leicht zu finden. Prof. Dr. med. Stadt? Doch!
Grünanlagen tun uns gut! Solche wie am Apothekenteich in Andernach.
Prof. Dr. med. Stadtpark
Parks machen auf jeden Fall gesund! Die Forscher um Christian Krekel vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) haben 2015 erstmals in Deutschland untersucht, wie sich die Grünanlagen der Großstädte auf die Bewohner der Nachbarschaft auswirken. Ausgewertet wurden die Fragebögen von Menschen, die in den 32 größten Städten Deutschlands leben.
Ich denke, Sie ahnen das Ergebnis schon: Je näher die Befragten an einer Grünanlage oder einem Park leben, desto zufriedener waren sie und desto besser war ihre körperliche Gesundheit. Besonders ältere Menschen profitieren davon. Menschen, die in der Nähe von Parks oder Grünanlagen leben, litten seltener an Diabetes, Schlafstörungen und Gelenkschmerzen. Vielleicht liegt dieser Effekt daran, dass Parks zu Bewegung animieren. (Quelle: natur.de/parks, März 2015)
Blüten vom Spitzahorn – ein gelber Sonnenschein, schön und lecker zugleich.
Schöne Umgebung macht gesund
Eine niederländische Studie von 2009, bei der die Daten von 345 000 Menschen untersucht wurden, kam zu dem Ergebnis, dass 15 von 24 untersuchten Krankheitsbildern, beispielsweise psychischen Erkrankungen, in Gegenden mit hohem Grünflächenanteil seltener auftraten.
Den stärksten positiven Einfluss hatte das Grün auf Depressionen und Angststörungen. Dabei war die größte positive Wirkung zu verzeichnen, wenn die Grünflächen weniger als einen Kilometer vom Wohnort des Studienteilnehmers entfernt waren. (Quelle: Journal of Epidemiology and Communitiy Health, »Morbidity is related to a green living environment«, 2009.)
Glückstraining
Jeden Morgen, wenn ich auf die Autobahn in Richtung Arbeit fahre, grüße ich ihn. »Hallo Bäumchen! Wie schön du wieder bist!« Und wirklich, jedes Mal ist er anders schön, mal mit Herbstlaub in Gelb, dann in Rot, dann in Braun, mal mit hellgrünen Spitzchen, mal mit gelben Blüten, mal windgepeitscht, im Winter mit der ebenmäßigen Silhouette, der schönen rundlichen Kronenform ... Ob er die Maße des goldenen Schnittes hat? Ein Baum an der Autobahn, den ich fast täglich sehe. Ich hatte einmal den Eindruck, dass er mich anschaut – und natürlich auch alle anderen Autofahrer hier an der Zufahrt zur A43. Nur gucken die anderen nicht zurück. Tatsächlich könnte man an seinem Stamm so etwas wie eine Nase und zwei Augen sehen, etwas gnomenhaft. Ich finde ihn immer viel schöner und mit viel mehr Laubblättern gesegnet als die beiden anderen Bergahorne, die neben ihm stehen. Als ich einmal mit Nail Al Saidi unterwegs war, einem Redakteur vom Deutschlandfunk, und ihm den Baum zeigte, meinte er, er hätte noch niemals jemanden getroffen, der sich so viele Gedanken über einen Baum an der Autobahn macht.
Wie ich die Welt sehe …
Ich weiß nicht, wie Sie die Welt sehen. Einige sehen vielleicht die Werbung in den Schaufenstern, ein Malermeister sieht vielleicht, dass hier eine Hausfassade gestrichen werden müsste, ein Straßenbauer die Makel am Gehweg, eine Mutter die Kinder der anderen … Ich sehe, welches Wildkraut zwischen den Pflastersteinen wächst, wo welche Hausfassade schön begrünt werden könnte, habe Ideen, wie die leeren Baumbeete bepflanzt werden können, und Visionen von Spaliersträuchern an Hauswänden und Beerenhecken im Stadtpark. Ich sehe, dass dieser Strauch krank und jener besonders prächtig ist, nehme wahr, unter welcher Baumkrone ich stehe und ob es gerade essbare Kräuter am Wegesrand gibt, ob ein Baum eine besondere Kraft ausstrahlt und vielleicht einen Ort beschützt – und ständig denke ich: Wie wunderbar! Welche Schönheit! Dieses Blatt! Diese Blüte! Dieses Moos, die Biene, die Wespe, der Rüsselkäfer, die Flechte auf dem Bruchstein, die bunten Blumen auf der Baustelle … Sie könnten das auch Glückstraining nennen.
Ich habe vor Jahren einmal ein Glücksseminar besucht. Eine Übung war, immer dann, wenn wir einen negativen Gedanken haben, einen positiveren zu suchen und diesen bewusst zu denken. Im grauen Städtedickicht ist der Gedanke »Welch hübsche Vogelmiere zwischen den Pflastersteinen!« eine durchaus alternative Glücksvariante!
Asphaltblüte: Stiefmütterchen dürfen komplett in den Salat.
Sich zu Hause fühlen macht gesund
Was bedeutet für Sie Heimat? Für die meisten Menschen, die auf dem Land groß geworden sind, ist das ein bedeutungsvoller Begriff. Für Stadtmenschen weniger. Nur ein kleiner Teil des Hauses (Mehrfamilienhaus) oder des Grüns (»Gartenmitbenutzung«) gehört da zu mir. Und wenn man das ändern könnte? »Teilhabe« ist das neue Schlagwort in den Städten: Gemeinschaftsgärten und Nutzung von städtischen Flächen durch die Bewohner schaffen auch hier ein Heimat- und Zugehörigkeitsgefühl. Es wird gepflegt, sich gekümmert, geerntet, Kontakt mit den Nachbarn angeregt. Das alles gehört mit zum sozialen Wohlbefinden, das nach Definition der WHO neben dem physischen und psychischen Wohlbefinden unbedingt Teil der Gesundheit ist!
Löwenzahn für alle! Auf diesem aufgegebenen Stadtgrundstück kann ihn jeder ernten.
Gemeinschaft!
Gerade so ein gemeinsames Planen, Pflanzen, Jäten, Ernten und Kochen fördert ein Gemeinschaftsgefühl, das in der Stadt viel zu oft ganz verlorengegangen ist. Es gibt Ökodörfer, Mehrgenerationenprojekte und Gemeinschaftsgärten in den Städten, die eine neue, gesunde Art des Miteinanders vermitteln. Zusammen mit der Natur ist dies noch einfacher umzusetzen: Denn hier kann jeder etwas tun, säen oder jäten, ernten oder auch solange auf die Kinder aufpassen, den Rasenmäher reparieren oder (im Rollstuhl) die geernteten Kartoffeln schälen.
Im Ruhrgebiet gibt es eine Initiative, die sich »Ökodorf Ruhrgebiet« nennt, mit genau dem Ziel: Jeder kann etwas, das für die anderen nützlich ist. Allen voran steht das friedliche und hilfsbereite Miteinander, das gemeinsame Gärtnern und das ökologische Leben. So sind viele herrliche neue Freundschaften und eine Menge Gemeinschaftsgärten entstanden (siehe auch www.oekodorf-ruhrgebiet.de).
So könnte ein Öko-Schrebergarten aussehen: geplantes Bio-Gemüse, dazwischen ungeplantes Bio-Wildkraut. Und dann? Alles zusammen in die Pfanne …
Grünflächen in der Stadt machen das Stadtklima gesund
Haben Sie auch Angst davor, dass die Klimaveränderung eines Tages die Stadtsommer so heiß werden lässt, dass Sie das Haus nicht mehr in normaler Bürokleidung verlassen können, ohne zu denken: »Bikini wäre das einzig Sinnvolle?« Ich gebe Ihnen recht. Die Tropenhitze in einigen der letzten Sommer war in der Stadt kaum zu ertragen. Dort ist es wärmer und trockener als auf dem Land. Der Asphalt heizt sich auf und speichert die Wärme. Über den heißen Flächen steigt die Luft nach oben und nimmt den Staub mit. So atmen Sie in der Stadt heiße, trockene, staubige Luft ein.
Dagegen lässt sich leicht etwas unternehmen: Mehr Grün in der Stadt! Mehr Alleen, grüne Dächer, bewachsene Hausfassaden, berankte Balkone! Dort bleibt die Luft im Sommer viel kühler, weil die Pflanzen Wasser an die Luft abgeben. Zum Beispiel verdunstet eine einzige Birke pro Tag 200 Liter! Wenn Sie an einem Sommertag in den Park gehen, merken Sie den Unterschied...