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Tod und Jenseits in der Kunst

AutorVictoria Charles
VerlagParkstone-International
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl384 Seiten
ISBN9781783106813
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis11,95 EUR
Seit Grabdenkmäler auf den Gräbern errichtet wurden, hat die Vorstellung vom Tod und vom Leben nach dem Tod einen wichtigen Stellenwert in der Kunstwelt erlangt. Der Tod, eine unbegrenzte Inspirationsquelle, in der Künstler nach dem Ausdruck des Unendlichen suchen können, ist das Motiv zahlreicher mysteriöser und unterschiedlicher Darstellungen. Das antike ägyptische Totenbuch, die für immer schlafenden Grabfiguren auf mittelalterlichen Gräbern sowie die Strömungen der Romantik und des Symbolismus des 19. Jahrhunderts sind der Beweis für das unaufhörliche, die Produktion von Kunstwerken zum Thema Tod und Jenseits antreibende Interesse. In diesem Buch untersucht Victoria Charles, wie die Kunst im Laufe der Jahrhunderte der Spiegel dieser Fragestellungen zum Jenseits geworden ist.

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Leseprobe

 

Bestattungsurne in der Form einer Mater Matuta,

um 430 v.Chr., Nekropole von Pedata, Chianciano.

Terrakotta. Archäologisches Nationalmuseum, Florenz.

 

 

Die Etrusker


 

 

Auch wenn der Großteil der Archive aus Etrurien schon vor sehr langer Zeit verschwunden ist, haben Ausgrabungen etruskischer Überreste Einblicke in ihre Religion und ihr Verständnis vom Tod und Jenseits verschafft. Mit Hilfe der Gräber, Grabstätten und anderen archäologischen Fundstücken konnten Historiker die Geschichte der Etrusker von der Wiege bis in das Grab rekonstruieren. Sie vermittelten ihnen die Kenntnisse über Häuser, Möbel, Namen, Ränge, Spiele, Grabfeiern, Sterbeszenen, Verwandtschaften, Beschäftigungen, ihr genaues Aussehen, verschiedene Nationalkostüme, Bestattungsprozessionen und das Leben im Jenseits.

Die Etrusker trieben ihre Gräber in den Fels der Berge und Hügel oder schufen massives Mauerwerk. Sie bemalten oder bearbeiteten die Wände mit anschaulichen und symbolischen Szenen und überhäuften die Innenräume mit Kelchen, Spiegeln, Urnen, Vasen, Sarkophagen und vielen anderen Gegenständen, die wiederum mit Gemälden und Skulpturen und damit reich an Informationen über ihre Autoren versehen waren. Die Untersuchung dieser in großen Mengen im 19. Jahrhundert freigelegten Artefakte ist die Grundlage für das gesamte Verständnis dieser Zivilisation. Wenn das Leben erlischt, eröffnet sich eine düstere, die Vergangenheit offenlegende und die Zukunft bestimmende Welt.

Die Etrusker beerdigten ihre Verstorbenen außerhalb ihrer Stadtmauern, und demzufolge war manchmal die Stadt der Lebenden von einer riesigen Stadt der Toten umgeben. Unter den Äckern und Hügeln wurden ganze Felder dieser gemeißelten Steingräber gefunden. Die Häuser der Toten sollten den Häusern der Lebenden in kleinerem Format entsprechen, und die Inneneinrichtung wurde so genau imitiert, dass man vermutete, dass das Leben und die Geräusche nachgeahmt werden sollten. Bei den auf die die Grabstätten ausfüllenden Urnen und Sarkophage gemalten oder radierten Bildern handelt es sich um Porträts der Verstorbenen von unterschiedlichem Alter, Ausdruck, Geschlecht und sonstigen Merkmalen. Diese persönlichen Porträts sollten an die Toten erinnern. Wenn man heute die Gräber betrachtet, schauen uns dort tausende verewigte Gesichter mit stummer Bitte an. Jegliche Spur ihrer Namen und Persönlichkeiten ist für immer verloren, und ihr Staub in alle Winde verweht.

Entlang einer Grabkammer gab es massive Steinregale, gelegentlich auch Bänke und Tische, auf denen die Toten abgelegt wurden, um sie für das Jenseits vorzubereiten. Bei den Körpern wurden mit den Särgen vergrabene Helme, Waffen, Beinschienen, Bruststücke, Siegelringe, eine Auswahl an Schmuck und andere Dekorationen entdeckt; die Armreifen, Halsketten, Ohrringe und anderer Schmuck der Frauen befanden sich alle an ihrem jeweiligen Platz, auch wenn von dem Körper, den sie einst geschmückt hatten, nichts mehr erhalten war.

Ein Altertumsforscher, der einmal auf der Spurensuche war, brach durch die Decke eines Grabes, schaute hinein und berichtete:

 

Ich sah einen auf einem Steinbett platzierten Krieger, der innerhalb weniger Minuten vor meinen Augen verschwand, da Luft in das Grab eindrang und die Rüstung durch die Oxidation in kleinste Partikel zerfiel. Innerhalb kürzester Zeit war kaum noch eine Spur dessen übrig, was ich auf dem Steinbett gesehen hatte. Es ist unmöglich, auszudrücken, welche Wirkung dieser Anblick auf mich hatte.

 

 

Reliquien der Toten

 

Eine spezielle, besondere Aufmerksamkeit verdient die etruskische Vase die den Kanopenkrügen ähnelt, in denen die Ägypter die Eingeweide ihrer Mumien aufbewahrten. Die etruskischen Kanopen sind oft Darstellungen menschlicher Figuren, bei denen die häufig auf ägyptische Weise verzierten Köpfe als Deckel der Gefäße verwendet wurden. Die Augen sind manchmal Einlegearbeiten, und die Frauenköpfe besitzen lange, bewegliche Ohrringe und andere Verzierungen.

Es war üblich, in den Gräbern auf runden Holz-, Bronze- oder Terrakottastühlen Vasen zu platzieren. Ein gutes Beispiel ist hierfür die in Gräbern in Chiusi (Provinz Siena, Toskana) gefundene Urne mit Menschenkopf. Historiker sehen den Ursprung dieser Kanopen in den über die Köpfe der Toten platzierten, in frühen etruskischen Gräbern gefundenen Bestattungsmasken. Diese Tradition stammt wahrscheinlich aus Mykene (in der Ebene von Argos, Griechenland). Dort hatte der Kaufmann und Archäologe Heinrich Schliemann (1822-1890) in den Schachtgräbern von Agora Goldmasken gefunden. In Etrurien waren diese Werke jedoch aus Bronze oder Terrakotta gefertigt worden. Man erkennt den graduellen Übergang der Masken, die zuerst über und dann an den Körpern angebracht wurden und schließlich die mit Asche gefüllte Urne bedeckte. Anfänglich schmückte der Kopf lediglich die Gefäße, schließlich entwickelte er sich aber auf den Deckeln der Sarkophage zu liegenden Abbildern (1, 2, 3). Auch wenn die Etrusker die Einbalsamierung nicht im gleichen Maß ausübten wie die Ägypter, ähnelte die Methode, die sterblichen Überreste einer Person in ihre eigene Darstellung zu legen, den Sarkophagen Altägyptens.

Beschreibungen zweier der in den Gräbern gefundenen etruskischen Sarkophage.

Der Sarkophag des Ehepaares (Ende 6. Jh. v.Chr.) ist ein außergewöhnliches Monument. Es handelt sich um eine Urne oder einen Sarkophag aus Caere, dem heutigen Cerveteri (Provinz Rom, Latium) einer in der archaischen Periode für ihre Tonskulpturen bekannten Stadt. Zu jener Zeit war Terrakotta eines der beliebtesten Materialien in den Werkstätten der Region und wurde für Grabmonumente und architektonische Verzierungen eingesetzt. Die Formbarkeit des Tons erlaubte den Künstlern zahlreiche Möglichkeiten und kompensierte den Mangel an Stein im Süden Etruriens.

Dieses besondere, 1861 während der Regierungszeit Napoleons III. (1808-1873) entdeckte Monument wird wegen seiner Dimensionen oft als Sarkophag bezeichnet. Es zeigt die beiden Verstorbenen, die, in Übereinstimmung mit dem Stil Kleinasiens, verschlungen in einer halb sitzenden Stellung auf einem Bett angeordnet sind. Man erkennt die rituelle Geste des Parfümdarbietens, die, neben dem Ausschank von Wein, Teil der traditionellen Beisetzung war. Der Sarg und sein Deckel wurden mit nun zwar teilweise verblassten, ehemals aber leuchtenden und die Eleganz der Verzierungen sowie die Details der Haare und Kleidung noch betonenden Malereien versehen.

Der Stil dieser besonderen Skulptur zeigt einen starken, an den lächelnden Gesichtern und vollen Formen der beiden Figuren erkennenbaren Einfluss aus dem Osten Griechenlands, besonders aus Ionien. Es gibt aber auch auffällige etruskische Merkmale, wie etwa den Mangel an formaler Kohärenz, oder die Art, wie die Beine bildhauerisches Volumen aufweisen und die Gesten der Verstorbenen betont wurden.

Der Sarkophag der Larthia Seianti befindet sich im Archäologischen Museum in Florenz und stammt, dem Prägedatum folgend, wahrscheinlich aus den Jahren 217 bis 146 v. Chr., und da eher gegen Ende dieser Zeit, da die Münzen der Grabbeigaben meistens recht abgegriffen sind. Die Figur der Frau wurde in zwei Teilstücken gegossen, wobei sich die Verbindungsstelle unterhalb der Hüfte befindet. Sie wird als Matrone mittleren Alters dargestellt, ihr Kopf ist mit einem Tuch verhüllt, das sie mit der rechten Hand zur Seite schiebt. In der linken Hand hält sie einen Spiegel in einem offenen Gehäuse. Am rechten Arm trägt sie Armreifen und an der linken Hand sechs Ringe mit karneolroten Fassungen sowie Ohrringe, die wie in Gold gefasster Bernstein aussehen. Die Akte sind fleischfarben, die Farben wurden frei aufgetragen, die Kissen in Streifen gemalt. Diese Skulptur besitzt keine Vorderreliefs, sondern wurde mit Pfeilern, Triglyphen und Vierpässen ausgestattet.

 

 

Etruskische Glaubenslehren von Tod und Jenseits

 

Man kann annehmen, dass die Etrusker nach dem Tod ein einem System von Belohnung und Bestrafung gleichendes Urteil erwarteten. Die etruskischen Darstellungen in den Gräbern geben jedoch keinen Aufschluss über irgendwelche Strafprozesse und weisen auch keine Entsprechungen zum Verfahren des Osiris zum Wiegen der Seele auf, der auf den ägyptischen Monumenten so verbreiteten Belohnung und Bestrafung.

Ein wichtiges Element in der Religion Etruriens war der Glaube an die Genii, ein System von Hausgöttern oder Wächtergeistern, die auf das Schicksal der Familien und Individuen aufpassten und in den Gravuren der Gräber oft als lenkende Gestalten gezeigt werden, die daran interessiert sind, was mit ihren Schützlingen geschieht. Jede Person besaß zwei ihr zugewiesene Genii, die eine, die sie zu guten, die andere, die sie zu schlechten Taten animierte. Beide begleiteten sie auch nach dem Tod, um das Schicksal des Verstorbenen mitzuentscheiden. Die guten und die bösen Geister kämpfen in der Unterwelt um den Besitz der Seele; die bösen Genii drohen, quälen oder verfolgen sie; die guten Genii beschützen sie vor den dunklen Dämonen, die versuchen, sie an den Ort der Bestrafung zu führen.

Die Genien (lat.: Genii), die natürlichen, über ihre männlichen...

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