Die lange Geschichte des Heilens, oder Heilenwollens, brachte zu jeder Zeit herausragende Vordenker hervor, aus deren Erkenntnissen sich bestimmte Entwicklungen in der Medizingeschichte erklären lassen und die bis heute nachwirken.
Reduktionismus
Eine der impulsgebenden Grundlagen, auf welcher sich medizinisches Denken aufbaut, ist die Schule des Unterteilens in immer kleinere Einheiten – der Reduktionismus. Seit den Griechen und Römern interessieren sich Forscher akribisch dafür, alles bis ins Kleinste zu zerlegen. Die Liebe zum Detail, die Auflösung in immer kleinere Segmente findet man nicht nur in der Medizin und der Naturwissenschaft, sie zieht sich durch die ganze Kulturgeschichte und Philosophie bis in die darstellenden Künste.
Die Methode des Teilens in immer kleinere Teile wurde schon Galileo Galilei (1564–1642) gelehrt. Dieses höchste Bestreben forschender Menschen führte zu der irrigen Annahme, mit dem Atom zum kleinsten Teil vorgedrungen zu sein. Das Atom galt bis in die jüngste Neuzeit als kleinster, nicht mehr weiter zerlegbarer Bestandteil der Materie, bis die Quantenphysik diesem Glauben ein Ende setzte. Heute ist durch Albert Einstein (1879–1955) bestätigt, dass Energie auch ohne materielle Grundlage existiert. Nach seiner Relativitätstheorie sind Energie und Materie gleichwertig: „Der Verstand erfasst den Stoff, und alles ist teilbar. Wir kommen zuletzt zum Atom, dem Ur-Teil, und erkennen, dass selbst dieses Letzte ein Teilbares, also Zusammengesetztes ist und alles dem Gesetz der Energie unterliegt und die Materie alleine von der Energie gesteuert wird.“
Die Denkschulen des 19. Jahrhunderts und des frühen 20. Jahrhunderts haben mit ihren materialistischen Denkmustern zu der heute gelehrten „naturwissenschaftlichen Medizin“ geführt, die eine energetische Funktion im Körper weitgehend ignoriert.
Die reduktionistische Sicht der Medizin verlässt sich bis heute ausschließlich auf eine quantitative Untersuchung des Vorgefundenen. Alles, was nicht gewogen, gemessen und gezählt werden kann, existiert nicht, ist nicht wissenschaftlich. Reduktionismus verleitet zu der Annahme, dass jede Krankheit, die nicht messtechnisch oder als Organveränderung nachweisbar ist, als „funktionell“ oder „psychosomatisch“ eingestuft wird. Ist die Messbarkeit nicht gegeben, geht der schulmedizinische Denkansatz davon aus, dass sich der Patient seine Krankheit weitgehend einbildet, also „ein Problem in seinem Kopf hat“. Sehr viele Patienten fühlen sich nicht wohl, äußern diesen Umstand auch gegenüber dem Arzt, obwohl alle ihre „Normalwerte“ keine Auffälligkeiten zeigen. Das Vorgefundene gilt als das Produkt von Einflüssen und Entwicklungen, die in der Vergangenheit liegen. Dieses Denken führt zu jener Sicht der Dinge, die auch als partikularistisch oder atomistisch bezeichnet wird.
Ein „Vorwurf“ an den Reduktionismus ist, dass Patienten in Untersysteme, wie Nervensystem, Verdauungssystem, Blutkreislauf usw., eingeteilt werden. Für jedes Untersystem gibt es einen Spezialisten, der zwar enormes Fachwissen auf seinem Gebiet anhäuft, aber unter der Wissensflut Gefahr läuft, den Überblick über den gesamten Patienten zu verlieren. Patienten werden von einem Spezialisten zum anderen überwiesen, aber das umfassende Wissen der Hausärzte der alten Schule geht verloren. Man glaubt nur noch an die durch Apparate ermittelten Werte, wobei dadurch übersehen werden kann, dass es dem Patienten tatsächlich nicht gut geht.
Vor diesen Medizinern hat schon Paracelsus (1493–1541) gewarnt: „Die geteilten Ärzte sind die Zerbrecher der Arznei, einer kann dies, der andere das, doch in allem ist kein Wissen, denn wer ein Stück kann, der kann nichts, und er weiß nicht, was er kann.“
Mechanistische Philosophie
René Descartes (1596–1650) war ein herausragender Mathematiker und Philosoph seiner Zeit. Sein ganzes Streben war von dem Gedanken beseelt, ein verständliches Bild der wesentlichen Dinge zu entwickeln. Er versuchte, die Natur mathematischen Regeln unterzuordnen. Das setzte Vereinfachungen voraus. Die Epiphyse war für Descartes der Sitz der Seele, alles andere war einfach Körper. Alle Lebewesen wurden so zu einer chemisch-physikalischen Maschine degradiert, die unabhängig vom Geist funktioniert.
Descartes entwickelte eine Methode des analytischen Denkens. Aus dieser Sichtweise entstand die mechanistische Philosophie: ein Erklärungsversuch, der davon ausging, dass ein Ding aus der Summe seiner Teile besteht. Man braucht nur einzelne Teile zu studieren, damit man Klarheit über die Funktion des Körpers erhält. Komplexe Phänomene werden in einzelne Teile zerlegt, damit man aus ihrem Verhalten das Ganze versteht. Dieses Weltbild bemüht sich um Objektivität und glaubt nur an die Erkenntnisse der fünf Sinne. Es wirkt bis heute nach, denn seit Descartes existiert die Trennung in Körper und Geist.
Descartes versteht den kranken Körper als eine aus der Bahn geworfene Maschine, die im Falle einer Störung jemanden braucht, um die Panne zu reparieren. Für die vom Körper losgelöste Seele war die Religion zuständig. Dieses Denken hat sich bis heute in den Köpfen vieler Menschen festgesetzt, die fest daran glauben, dass es ohnehin für alle Krankheiten ein Mittelchen gibt. Darüber nachzudenken, was zu tun wäre, um das Leben so umzustellen, damit man nicht krank wird, fällt schwer.
Die Trennung von Körper und Geist verleitet zu der Idee: Die in der belebten Natur existierenden Kräfte sind die gleichen, die in der unbelebten Natur walten. Eine dem Lebendigen zugrunde liegende Kraft wird abgelehnt. Ihr Hauptanliegen ist ein quantitatives Interesse. Gefragt sind die Stofflichkeit, die Quantität, die Kausalität, die gewogene, gemessene, gezählte Norm.
Analytische Medizin
Der Ansatz der analytischen Medizin ist, die geschädigten Organe auf Folgen von Krankheiten zu untersuchen, ohne die Ursachen zu hinterfragen, „Löcher vor dem Strumpf“ zu stopfen, wie es Peter Raba in seiner „Homöopathie, das kosmische Heilgesetz“ formuliert (Raba 1970).
Durch Aufklärung der Funktionen des gesunden und kranken Körpers, seiner einzelnen Organe und Zellen, nach Möglichkeit bis hin zur molekularen Ebene, hofft die analytische Medizin, kausale Therapierichtungen zu finden und entsprechende Hypothesen zu verifizieren. Analytische Medizin anerkennt nicht, was nicht gewogen, gemessen oder gezählt werden kann. Vorgefundenes ist das Produkt von Einflüssen und Entwicklungen, die in der Vergangenheit liegen. Analytisches Denken kümmert sich um die Folgen langer Entwicklungen und sieht so nur deren Auswirkungen. Die Schulmedizin hinkt, aus homöopathischer Sichtweise gesehen, dem Krankheitsgeschehen immer einen Schritt hinterher.
Viktor Schauberger (1885–1958) behauptet, dass Wissenschaft auf einer Fiktion beruht, die voraussetzt, dass es so etwas wie „stabile Zustände“ gäbe. Demzufolge müsse man nur ein Naturgesetz entdecken, eine Formel einsetzen und anwenden und schon hätte man alle Probleme im Griff. Schauberger wies auf die katastrophalen Folgen dieses Denkens auf die Zivilisation und ihr Zusammenspiel mit der Natur hin. Er vertrat die Ansicht, dass es in der Natur nur dynamische Momente gebe, alles ist permanent in Bewegung und unentwegt entstehen neue Formen und Zustände. Nirgendwo gibt es im Leben einen stabilen Gleichgewichtszustand. Deshalb sei die Forderung der Wissenschaften, dass nur das als wissenschaftlich gelten könne, was experimentell immer wieder zu dem gleichen Ergebnis führe, schlichtweg Unsinn. Alles ist immer nur in seiner dynamischen Gesamterscheinung zu betrachten. Die Natur kenne auch keine Einteilung in Biologie, Physik und Chemie. Für Schauberger sind das Einteilungen, die nur in menschlichen Köpfen und Labors existieren. Dieses Denken führt zu einer Wahrnehmung, die auf Teile reduziert ist. Für ihn ist das ein fundamentaler Irrtum der Naturwissenschaften.
Aus seinen Beobachtungen folgerte Schauberger, dass alles in einem Kraftfeld von Abstoßung und Anziehung, von Verdichtung und Ausdehnung, von Sammlung und Lösung existiert, sonst wäre es unbewegt und tot. Es gibt eine ordnende Energie, die er ESI (ewig schöpferische Energie) nannte. Sie ist überall präsent und hält das Leben in einer harmonischen Bewegung (Hahnemanns Dynamis, Lebenskraft, s. hier).
Die Erfindung des Mikroskops und dessen Verfeinerung ermöglichte beachtliche Fortschritte in der Biologie. Rudolf Virchow (1821–1902) führte den Begriff Zellularpathologie ein. Er formulierte seine Zelltheorie in moderner Form und verlagerte das Interesse vom gesamten Organismus zu den Zellen. Man legte den Schwerpunkt der Forschung auf die Wechselwirkungen der Zellen untereinander. Gesundheit wurde als das reibungslose Zusammenspiel der einzelnen Zellen und ihrer Untereinheiten, den Zellbestandteilen, gesehen.
„Jede Zelle stellt einen Elementarorganismus dar, der für sich alleine existiert und welcher durch seine eigene Funktion zum Funktionieren des Ganzen beiträgt.“ (Virchow) Virchow glaubte...