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E-Book

Neue Körperwunder gegen Stress

Rituale zum Entspannen im Alltag

AutorGerd Schnack
VerlagKreuz
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl224 Seiten
ISBN9783451806346
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Die Natur schenkt uns gewaltige Erneuerungskräfte. Mithilfe der Bionik kann es uns gelingen, aus dem Teufelskreis des überoptimierten Alltags auszubrechen und dem Stress zu entkommen. Prof. Dr. Gerd Schnack klärt die medizinischen und biologischen Grundlagen und zeigt uns die entscheidenden Rituale: kleine Übungen, mit deren Hilfe wir uns Oasen der Entspannung schaffen, und die wir mühelos in unseren Tagesablauf integrieren können.

Gerd Schnack, Prof. Dr. med., Präventiv- und Sportmediziner, Facharzt für Chirurgie / Unfallchirurgie, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Präventivmedizin und Präventionsmanagement e.V., ist am Allensbacher Präventionszentrum tätig und aus zahlreichen Seminaren und Fernsehauftritten bekannt.

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Leseprobe

1. Kapitel
Die Natur – Lehrmeisterin im Stressalltag


Energieersparnis – das Überlebensprinzip der Natur


Die Natur ist voller Wunder. Der Marathon der Lachse, die tage- und wochenlang gegen eine reißende Wasserströmung anschwimmen, gleicht einem solchen Wunder, genauer: einem Energiewunder der Natur. Aus naturwissenschaftlicher Sicht offenbart sich ein Energietransfer, der uns nur staunen lässt. Zu gleichen Leistungen sind übrigens auch Forellen bei der Überwindung von Wasserfällen imstande, wenn sie bergauf alle Strömungshindernisse der Flüsse meistern. Das hat der Evolutionsbiologe James C. Liao von der Harvard University mit Kollegen vom Massachusetts Institut of Technology Cambridge mittels EMG (Elektromyografie, Messung der elektrischen Muskelaktivität) untersucht.

Hierbei zeigte sich, dass die Fische nur einen Teil der hinteren Flossenmuskeln in typischer Slalomtechnik einsetzen müssen, weil sie allein durch das ständig wechselnde Richtschwung-Gegenschwung-Prinzip einen optimalen Energietransfer gewährleisten können. Ein Vorgehen, das mit den Wendemanövern eines Segelschiffes gegen die Windrichtung durch ständiges Kreuzen vergleichbar ist.

Was würde geschehen, wenn der Mensch auf der Autobahn statt hoher Geschwindigkeit mit der Schwarmintelligenz der Tiere unterwegs wäre?

Durch den relativ geringen Muskeleinsatz beim typischen Flossenschlag sparen die Fische erheblich an Kraft. Doch damit nicht genug: Der Energieverbrauch wird zudem durch das Abstoßen an wechselnden Turbulenzen im Wasser gedrosselt, wie z. B. an Strudeln oder Wasserwirbeln, die vorrangig in Grenzflächensituationen entstehen, wenn schnelles auf langsames Wasser trifft. Treten die Tiere dann noch in Massen auf, tritt ihre Schwarmintelligenz in Erscheinung, die für zusätzliche Turbulenzen sorgt. Wie im Wasser erzeugt das Sozialverhalten im Schwarm übrigens auch in der Luft Turbulenzen, die dafür sorgen, dass die Vögel sich im Flug von diesen Luftwirbeln abstoßen und, auf diese Weise nach vorn getragen, eine Menge an Energie einsparen können. Nach vorn katapultiert können sich die Vögel von Spiralwirbel zu Spiralwirbel sogar in Frontrichtung durchhangeln.

Stellen Sie sich einmal vor, der Mensch würde in seinem Fahrverhalten auf der Straße die Schwarmintelligenz der Fische und Vögel entwickeln. Plötzlich wären wir nicht mehr in einem ständigen Gegeneinander auf der Autobahn unterwegs, sondern miteinander in Kohorten zu viert oder zu sechst, in der das Führungsfahrzeug ständig abwechselte, wie man das vom Radsport kennt. Durch dieses Windschattenfahren könnten wir viel an Kraft, Nerven und Benzin einsparen – und das bei deutlich vermindertem Unfallrisiko. Ein völlig neues soziales Miteinander wäre die Folge, das nicht mehr von der Stärke des Motors, sondern von einer bestimmten Form der Schwarmintelligenz bestimmt wäre. Nicht mehr die Größe des Autos mit möglichst vielen Pferdestärken wäre das Maß aller Dinge, sondern diese spezielle Form emotionaler Intelligenz. Und ganz automatisch würde sich die allgemeine Geschwindigkeit auf moderate Drehzahlen des Motors reduzieren, ohne dass der Gesetzgeber mit neuen Verordnungen eingreifen müsste.

Im Gegensatz zum Menschen ist das Überlebensprinzip in der Natur die Energieersparnis. Bei natürlichen Bewegungen geht es – im Gegensatz zum Menschen – nie um Maximalkraft, sondern um gerade so viel Energieeinsatz, wie es die momentane Situation unbedingt verlangt.

In der Natur hat die Energieeinsparung absolute Priorität! Das Beispiel der Forellen zeigt zudem, dass bei der Bewegung nur so viel Muskulatur eingesetzt wird, wie unbedingt nötig. Fische nutzen zum Antrieb nur einen Teil ihrer Flossenmuskeln, der Mensch dagegen strebt stets das Maximum seines Kraftpotenzials an.

In diesem Zusammenhang interessant: Insekten weisen den höchsten Stoffwechseltransfer aus, denn bei ihnen gelangt der Sauerstoff über Atmungsröhren (Tracheen) direkt ins Gewebe. Diese optimale Versorgung ist nötig, weil Insekten beim Fliegen viel Energie verbrauchen, so steigert eine Biene ihren Stoffwechsel um das Zwanzigfache, der Mensch schafft beim Laufen nur das Fünffache. Hierin liegt der Grund, warum die Insekten in ihrem Überlebenskampf so erfolgreich sind.

Für Bewegungs- und Wachstumsprozesse in der Natur gelten grundsätzlich andere Regeln als in der menschlichen Gesellschaft:

  • Nicht Energieverbrauch, sondern Energieeinsparung um jeden Preis hat oberste Priorität.
  • Nicht die Maximalleistung steht im Mittelpunkt, sondern das Optimum, das mit dem geringsten Einsatz erreicht werden kann.
  • Die Bewegung lebt nicht allein vom Antriebsmotor, das gesamte Umfeld wird beim Energietransfer mit genutzt.

Nur durch dieses komplexe und intelligente Energiekonzept sind die gewaltigen Leistungen in natürlichen Prozessen zu verstehen. Wie schwer tut sich dagegen der Mensch! Was hat er in seiner bedingungslosen Anpassung an die moderne Zivilisation eigentlich alles falsch gemacht?

Eines ist sicher, der Lachs ist in der Entwicklung seiner Fischnatur immer treu geblieben. Die oberste Maxime des Menschen dagegen war in allen Epochen auf die Beherrschung und Ausnutzung aller natürlichen Ressourcen ausgerichtet. Unter Verleugnung seiner natürlichen Anlagen ging der Handlungsbedarf des Menschen sogar so weit, für die Erhaltung seiner eigenen Gesundheit ganz auf das Prinzip der Selbstorganisation natürlicher Prozesse zu verzichten. Ohne Wenn und Aber hat man auf eine Medizin gesetzt, die vorrangig symptomatisch ausgerichtet ist und Handlungsbedarf erst dann für gegeben ansieht, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist, der Erkrankungsfall also schon vorliegt. Die vorherrschenden Leitlinien dieser aktuellen Hightech-Medizin, deren Erfolge ich sehe und anerkenne, werden vorrangig von moderner Technik in Verbindung mit Mechanik und in enger Kooperation mit der Pharmaindustrie bestimmt. In dieser betont »naturwissenschaftlichen« Strategie hat der Mensch in fast allen Bereichen seine natürlichen Anlagen aufs Spiel gesetzt, insbesondere sind durch die einseitige Anpassung an die Technik die natur-richtigen Bewegungen vollständig in Vergessenheit geraten.

Aus seinem natur-richtigen Urverhalten wurde der Mensch durch die einseitige Anpassung an die Technik in ein natur-unrichtiges Verhalten geführt:

  • Aus dem Laufwesen wurde ein Sitzwesen.
  • Die allseitig tätige Aktivität in Wald, Feld und Wiese wurde auf die Monotonie der Bedienung technischer Hilfsmittel reduziert.
  • Damit büßte der Mensch seine Elastizität ein, das wichtigste Energiekonzept aller natürlichen Prozesse, analog zu einem wogenden Kornfeld im Wind. Ein einzelner Kornhalm ist ein Wunder natürlicher Flexibilität, das auch die kühnste Architektur in ihrem Wettlauf um das höchste Gebäude dieser Welt nicht erreichen kann.
  • In der Natur gibt es keine geraden Wege. Der Mensch in seinem Vorwärtsdrang setzte bevorzugt auf die pfeilgerade Dynamik, um schnell und auf kurzem Wege ans Ziel zu gelangen. Aus Sicht der Bionik (Biologie und Technik) hätte sich die Menschheit den Irrweg der linearen Mechanik ersparen können.
  • Die Kraft kommt aus der Stille, die allerdings dem lauten Zeitgeist geopfert wurde.

Goethe und unser Stressszenario


Bereits vor mehr als 200 Jahren hatte Goethe diese Entwicklung im zweiten Teil des Faust thematisiert. Faust erscheint im 5. Akt als Ingenieur und »Weltverbesserer«. In seinem Vorwärtsdrang bricht er in die heile Welt von Philemon und Baucis ein. Dieses alte Paar lebt noch gottesfürchtig und im Einklang mit seiner natürlichen Landschaft am Meer. Faust dagegen möchte dem Wasser Land abgewinnen, das einfache Leben von Philemon und Baucis passt so gar nicht in das Faust’sche Weltbild:

Die Sonne sinkt, die letzten Schiffe,

Sie ziehen munter hafenein.

Ein großer Kahn ist im Begriffe,

Auf dem Kanale hier zu sein.

Die bunten Wimpel wehen fröhlich,

Die starren Masten stehn bereit;

In dir preist sich der Bootsmann selig,

Dich grüßt das Glück zur höchsten Zeit.

In diesem Moment klingt das kleine Glöckchen der Kapelle und erinnert Faust an Philemon und Baucis in ihrer engen Verbindung zur Schöpfung, und er ruft zornig aus:

Verdammtes Läuten! Allzu schändlich

Verwundet’s, wie ein tückischer Schuss;

Vor Augen ist mein Reich unendlich,

Im Rücken neckt mich der Verdruss.

Faust ist ganz auf Gewinnmaximierung eingestellt. Bescheidenheit, Natürlichkeit in Verbindung mit einem urwüchsigen Gottvertrauen, wie Philemon und Baucis es vorleben, ist für Faust ein unnützes Abschweifen in die Ewigkeit, wenn er ausruft:

Dem Tüchtigen ist diese Welt nicht stumm.

Was braucht er in die Ewigkeit zu schweifen!

Was er erkennt, lässt sich ergreifen.

Diese technische Welt entspricht der linearen Mechanik, sie ist schnell, direkt, sie peilt ihr Ziel auf geradem Wege an. Dynamische Prozesse sind der Natur fremd, natürliche Landschaftsformen kennen nicht die diretissima. Ein ursprünglicher Fluss schwingt in Mäandern großzügig in Zeit und Raum durch die Landschaft, die der Mensch inzwischen jedoch nachhaltig im Sinne der linearen Mechanik verändert hat. Kanalisierung statt Mäander, lautete das Motto, das Wasser floss schneller, und die Hochwassergefahr ist gewachsen.

Die logarithmische...


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