Moderner Biathlon – wirklich ein Sport für Jedermann
Die Anfahrt zum Wettkampf war zwar mit rund mehr als 300 Kilometern nicht kurz, aber angemessen, wenn man bedenkt, dass viele Biathlon-Fans noch viel weiter zu einem Winter-Biathlon anreisen, allein um zuschauen zu können. Aber ich war immerhin als Teilnehmer gemeldet. Der Austragungsort, ein Festplatz, war in dem kleinen süddeutschen Dörfchen schnell gefunden und dort regte sich schon sichtbare Geschäftigkeit. Das Wetter war schön, ein herrlicher sonniger Frühommertag. In aller Ruhe bauten die Helfer die „Schießstände“ auf, an denen später kein einziger echter Schuss fallen würde, weil die Ziele dann nur „gelasert“ wurden. Meine Frau und ich meldeten uns ganz unspektakulär an und gingen dann zum Festplatz, um die dort bereit liegenden Lasergewehre auszuprobieren und ein paar Fotos zu "schießen". Ganz unwichtig war dieses „Einschießen“ nicht, denn von zu Hause waren wir wesentlich sportlichere Lasergewehre gewohnt; diese hier sahen mehr aus wie die Gewehre einer Schießbude, die Abzüge gingen entsprechend "robust" und die Visierungen waren alle etwas anders eingestellt. Aber da alle Teilnehmer die gleichen Gewehre benutzen und diese auch, sehr praktisch, nach ihrer Benutzung beim Modernen Biathlon einfach liegen bleiben, dürfen sich Moderne Biathleten nicht so sensibel geben wie Biathlon-Profis, die schon bei kleinsten Änderungen am Gewehr gleich übernervös werden und dann oft schlechter treffen. Ich merkte mir trotzdem zwei Lasergewehre, die ich dann im Wettkampf vorzugsweise benutzen wollte.
Wir legten danach unsere Cross-Skates an, die wir anlässlich des Wettkampfes, mit etwas mehr Luftdruck, nämlich mit 9 bar, aufgepumpt hatten. So nahmen wir noch unsere Cross-Skating Stöcke und fuhren die Wettkampfrunde kurz ab. Sie war übersichtlich: 900 Meter bergauf, die Aussicht über die Mittelgebirgslandschaft war wunderschön, dann wenden und den gleichen Weg zurück zum Festplatz. Während wir auf unseren Start warteten, schauten wir uns um. Die Szene des Modernen Biathlon war noch klein, war sie damals doch erst seit 5 Jahren langsam gewachsen, aber sie war schon sehr vielfältig. Von Gelegenheitssportlern bis hin zu sehr Ehrgeizigen waren fast alle Kategorien vertreten: Einer hatte sogar eigene Fans zum Jubeln und zum Transparente schwenken mitgebracht, andere hatten sogar exakt die gleichen schießbuden-ähnlichen Gewehre zu Hause, die auch hier verwendet wurden, wieder andere hatten sich spontan überreden lassen hier mitzumachen. Mehr als ein Viertel der Teilnehmer waren Frauen. Vor der Veranstaltung versuchte uns noch netterweise ein älterer Herr, den Modernen Biathlon zu erklären, obwohl er, selbstbekenned, mit ihm sonst keine Berührungspunkte hatte. Seine Erläuterungen zum Schießen passten auch nicht wirklich wirklich lückenlos zum Modernen Biathlon, aber wir schätzten den Service des ausrichtenden Schützenvereins und hörten höflicherweise zu. Hauptsache, der Sport wird bekannter. Anschließend wollte er uns dann auch im Wettkampf zeigen, was er konnte - wir waren gespannt. Ein mir bekannter teilnehmender Moderner Biathlet war ein sehr ruhig und konzentriert wirkender Polizeibeamter, der immer sehr gut vorbereitet zum Wettkampf antrat.
Es starteten immer neun Biathleten in einer Gruppe, was bei acht Laseranlagen voraussichtlich keine Probleme bereiten würde, weil der Schnellste erfahrungsgemäß schon die Laseranlagen verlassen hatte, wenn der Letzte eintraf. So ging es auf der Cross-Skating-Strecke nicht zu eng zu, aber man erfuhr seine Platzierung erst am Ende, wenn alle Startgruppen ausgewertet waren.
Nach dem Startschuss verlor ich meine Frau schnell aus den Augen , denn das Teilnehmerfeld zog sich rasch auseinander. Mein ständiger Begleiter wurde aber jener Polizeibeamte, der, obwohl 7 Jahre älter als ich, sehr zähen Widerstand leistete. Am Ende der Steigung überholte ich ihn, wusste ich doch um seine Qualitäten als Schütze. Sofort ergaben sich die typische biathletischen Überlegungen, dass ich Vorsprung herausholen musste, ohne zu viel beim Schießen zu riskieren. Der Veranstalter hatte auch liegendes Schießen im Programm, jedoch die eigentlich zu leichte Variante, ohne verkleinerte Ziele, die eine simple Strategie nahe legte: Vor dem liegenden Schießen einfach das Tempo nicht herausnehmen, weil das Treffen so leicht war, dass nichts schief gehen konnte. Mit der Ausnahmen vielleicht, das falsche Lasergewehr zu erwischen.
Ich erinnerte mich an eine Veranstaltung im Jahr davor, wo sich der technische Ausrichter weigerte die nach seinem Augenmaß aufgestellten Ziele auf genau 10 Meter Entfernung zu platzieren. So standen sie in 11,5 Meter Distanz. Das Problem ist dann weniger, das kleinere Ziel zu treffen, als die zu tief zielende Visierung einzuschätzen. Folglich gingen 30 % meiner Treffer damals exakt in der Mitte weinge Millmeter über das Ziel. Heute stimmten aber die Entfernungen, was mich bei meinen Überlegungen etwas beruhigte.
Der eine Kilometer auf Cross-Skates zur Laseranlage war keine lange Strecke mehr, doch ich war etwas überrascht, dass mein Sportsbekannter nur zwei Sekunden hinter mir zum liegenden Schießen eintraf. Ich traf sicher, fehlerfrei und schnell, aber mein Nachbar schoss noch schneller, einfach unglaublich schnell! Meine nur drei Sekunden Rückstand zeigten sich dann als fast 20 Meter Abstand zu ihm. Jetzt steckte ich in der Zwickmühle, ich musste ihn nach Möglichkeit wieder überholen ohne es zu riskieren, beim anschließenden anspruchsvolleren stehenden Schießen zu viel zu wagen. Nach 2 Kilometern auf den Cross-Skates ist man noch frisch, aber das waren wir noch beide und mein Kollege legte ein Tempo vor, das ich kaum mithalten konnte. Trotz theoretisch gleicher Überlegungen war er sich offenbar sicher dieses Tempo aushalten zu können. Am Wendepunkt der Strecke hatte ich ihn zwar wieder eingeholt, wollte bergab aber kein Überholmanöver riskieren und blieb hinter ihm. Also versuchte ich mich „taktisch klug“ zu verhalten, mich etwas zu erholen und es auf ein schnelles und fehlerfreies stehendes Schießen anzulegen. Kurz vor der Laseranlage kam uns meine Frau entgegen, die uns Heißsporne fröhlich und entspannt begrüßte und anfeuerte.
Diesmal rechnete ich mit einem größeren zeitlichen Rückstand nach dem Schießen, konzentrierte mich aber darauf unbedingt fehlerfrei zu bleiben. Das kostete etwas Zeit, doch auch neben mir wurde langsamer geschossen. Rund 5 Sekunden bzw. rund 30 Meter war mein Rückstand, allerdings wäre es keine Schande gegen einen so perfekten Schützen das Nachsehen zu haben. Doch nach dem Cross-Skating stand als Nächstes liegendes Schießen bevor, so dass meine Strategie wieder „Vollgas“ lautete. Schneller als erwartet hatte ich meinen Mitstreiter eingeholt und sogar überholt, vielleicht, weil er eine andere Strategie verfolgte oder aber seine Kräfte schonen musste. Meine Stimmung kippte sofort in eine andere Richtung. Diesmal kam uns, kurz bevor wir den Festplatz erreichten, ein anderer Teilnehmer entgegen, jener ältere Herr, der uns noch vorher Erklärungen über das Schießen geben wollte. Nur noch eine gute Minute aufzuholen, dann würden wir ihn überrunden. Ich hatte ungefähr 40 Meter Vorsprung vor meinem Mitstreiter erkämpft, ziemlich genau der Abstand, den ich mindestens benötigte.
Mein liegendes Schießen ging wieder schnell und fehlerfrei, nebenan aber auch und so sprangen wir fast gleichzeitig auf. Doch ich beschleunigte schneller und lag wieder knapp vorne. Ich war zwar nun derjenige, der den Windschatten spendete, aber damit auch derjenige, der das Tempo vorgab. Ganz langsam wuchs mein Vorsprung, allerdings nicht schneller als auf den letzten drei Abschnitten. So hatte ich nach den 1,8 Kilometern wieder nicht mehr als 50 Meter Vorsprung – es war noch nichts entschieden. Zwar war dieser Wettkampf extrem wenig schießlastig, weil es keine Strafen für Fehlschüsse gab, man musste einfach nur alles „wegballern“, aber jede Sekunde, die man dadurch verlor, konnte trotzdem entscheidend sein.
Als ich zum letzten Schießen kam, lag der ältere Herr noch zum Schießen auf seiner Gummimatte, ich musste schon stehend schießen. Jetzt musste ich mir mehr Zeit nehmen, bekam aber dennoch mit, wie der ältere Herr zwei oder sogar drei Schüsse verschoss und immer noch liegend versuchte zu treffen, während ich schon fertig war. Seine eigenen Schieß-Tipps funktionierten offenbar beim Biathlon nicht so gut. Irgendwie tat er mir leid.
Und wieder hatte ich alles getroffen, wenn auch etwas langsamer. Ich war erleichtert, denn wieder sprang ich gleichzeitig mit meinen Wettkampfbegleiter auf. Wenn er im Training nicht eisenhart an besonderen Endspurt-Qualitäten gearbeitet hatte, sollte ich, auf Grund meines bisher minimal höheren Tempos, nun eigentlich die besseren Karten haben. Aber so etwas ist nie sicher, bevor man nicht im Ziel ist, und ich wollte das so früh wie möglich klar machen. Ein knallharter Endspurt wäre mir auch zu gefährlich gewesen, es darauf ankommen zu lassen. Wenn Moderne Biathloeten fallen, dann auf harten Boden und nicht auf Schnee! Ab nun also Vollgas bis ins Ziel. Bis zum Wendepunkt konnte ich rund 60 Meter Vorsprung herausfahren, das sollte ausreichen, aber im leichten Gefälle zum Ziel schlotterten mir bereits die Knie erheblich und ich fuhr lieber auf Nummer sicher ab. Meinem Verfolger ging es wohl ähnlich, aber größer wurde mein Vorsprung nicht. Die Abbiegung zur kurzen Zielgeraden nahm ich dann flüssiger, als ich befürchtet hatte, und nahm noch viel Schwung mit ins Ziel. Mein Vorsprung im Ziel vor meinem sportlichen Konkurrenten betrug im Ziel nur knappe zehn Sekunden! Bei einem rund 28-minütigem...