5 AUSNAHME DER ÜBERLASSUNGSPFLICHT
Da § 17 Abs. 1 KrWG die Überlassungspflicht von Abfällen aus privaten Haushaltungen regelt, gilt die Ausnahme der Überlassungspflicht in Form von gewerblichen Sammlungen unter den Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 Nr. 4 KrWG ebenfalls nur für Abfälle aus privaten Haushaltungen.
5.1 Ordnungsgemäße und schadlose Verwertung
Eine gewerbliche Sammlung muss nach § 17 Abs. 2 Nr. 4 KrWG eine ordnungsgemäße und schadlose Verwertung garantieren, bevor sie als Ausnahme zur Überlassungspflicht legitimiert ist, Abfälle einzusammeln.
Bei gewerblichen Sammlungsunternehmen war der Nachweis der ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung nach alter Rechtsprechung, also bezogen auf das KrW-/AbfG, mit „keine[n] allzu hohen Anforderungen“ verbunden.53
Bestanden jedoch Zweifel daran, dass die ordnungsgemäße und schadlose Verwertung sichergestellt war, musste der Besitzer getrennt zu sammelnder Abfälle die Verwertungswege nachweisen.54
Nach der Novellierung des KrWG, ist nach wie vor strittig, in wie weit sich das Nachweisverfahren einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung verschärft hat. Laut Rainer Cosson würden momentan „übersteigerte Anforderungen“ an gewerbliche Sammlungsunternehmen in Bezug auf den Nachweis der ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung gestellt.55
Aufgrund der Komplexität des Themas wird jedoch im Folgenden nicht weiter auf den Vollzug, wozu auch das Nachweisverfahren aus § 18 KrWG gehört, eingegangen.
Zuerst muss entschieden werden, ob der Abfall als Abfall zur Verwertung anzusehen ist.
Nach alter Rechtsprechung zum KrW-/AbfG richtete sich der hier angesprochene Problemfall, ob sich Abfall als Abfall zur Verwertung deklarieren lies, danach, ob Entsorgungsweg und Entsorgungsanlage sichergestellt waren.56 Des Weiteren hatte der Abfallerzeuger oder Abfallbesitzer, die hierfür konkreten Verwertungswege sicherzustellen. Die bloße Möglichkeit einer Verwertung war somit nicht ausreichend, um den Terminus Abfall zur Verwertung gerecht zu werden.57
Heutzutage wird in § 3 Abs. 23 KrWG und in § 7 Abs. 3 KrWG genau definiert, wann eine Verwertung vorliegt und welche Anforderungen an eine ordnungsgemäße und schadlose Verwertung gestellt sind.
§ 3 Abs. 23 KrWG definiert den Begriff „Verwertung“ als jedes Verfahren, welches dafür sorgt, dass die Abfälle einem sinnvollem Zweck zugeführt werden. Dies soll gewährleistet werden, indem die Abfälle i. S. der „Substitutionswirkung“58 andere Materialien ersetzen, oder indem die Abfälle so vorbereitet werden, dass anschließend Rohstoffe hierdurch ersetzt werden können.59 Wie oben schon erwähnt findet sich in Anl. 2 des KrWG eine nicht abschließende Liste möglicher Verwertungsverfahren.
Die europarechtliche Grundlage für § 3 Abs. 23 KrWG befindet sich in Art. 3 Nr. 15 AbfRRL.60
Unter einer ordnungsgemäßen Verwertung, versteht man gemäß § 7 Abs. 3 S. 2 KrWG eine Verwertung, die im Einklang mit den Vorschriften des KrWG und anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften steht.
Demnach sind auch beispielsweise die Regelungen des öffentlichen Straßenrechts miteinzubeziehen.61
Eine schadlose Verwertung liegt dann vor, wenn nach § 7 Abs. 3 S. 3 KrWG nach Beschaffenheit der Abfälle, dem Ausmaß der Verunreinigungen und der Art der Verwertung Beeinträchtigungen des Wohls der Allgemeinheit nicht zu erwarten sind. Im Hinblick auf die Beeinträchtigungen des Allgemeinwohles, ist darauf hinzuweisen, dass es insbesondere zu keinen Schadstoffanreicherungen im Wertstoffkreislauf zu kommen hat.
§ 6 Abs. 2 S. 4 KrWG muss ebenfalls in die Überlegungen zur ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung der Abfälle miteinbezogen werden. Hiernach muss sich die Auswahl eines geeigneten Verwertungsverfahrens nach der technischen Möglichkeit, der wirtschaftlichen Zumutbarkeit und den sozialen Folgen, die damit einhergehen, richten.62
Dabei führt § 7 Abs. 4 KrWG näher aus, in welcher Art und Weise die technische Möglichkeit und die wirtschaftliche Zumutbarkeit bei der Verwertung eine Rolle spielen.
Der Gesetzgeber hat hier klar definiert, dass eine Vorbehandlung des Abfalls der technischen Möglichkeit der Verwertung nicht entgegensteht.
Bei der Entscheidung, ob die wirtschaftliche Zumutbarkeit gegeben ist, sind die Verwertungskosten mit den Kosten zu vergleichen, die für die Beseitigung anfallen würden. Stehen die Verwertungskosten gemäß § 7 Abs. 4 KrWG „nicht außer Verhältnis“ zu den Beseitigungskosten, so ist die Verwertung zu präferieren.
Die o. g. Gesetzespassage bezieht sich zwar auf die Entscheidung, ob eine Verwertung oder eine Beseitigung gewählt werden sollte, jedoch liegt der Schluss nahe, dass bei der Auswahl eines geeigneten Verwertungsverfahrens ebenfalls das Verfahren ausgewählt werden sollte, welches im Vergleich zu anderen Verwertungs- oder Beseitigungsverfahren am kostengünstigsten ist. Nur wenn ökologische Aspekte die Durchsetzung von kostenintensiveren Maßnahmen verlangen, sollten teurere Verfahrensweisen gewählt werden.63
Des Weiteren muss die technische Möglichkeit des Verfahrens am Stand der Technik nach § 3 Abs. 28 KrWG und Anl. 3 des KrWG gemessen werden. Dabei steht nicht die Wahl des optimalen Verfahrens im Vordergrund, sondern die Praktikabilität der verwendeten Technologie. Tritt jedoch der Fall ein, dass in der Praxis bei einer bestimmten Verfahrensart schon mehrere Verfahrenstechniken vorhanden sind, muss bei der Auswahl der Verfahrenstechnik dem „allgemein hohen Schutzniveau[…] für die Umwelt“ aus § 3 Abs. 28 KrWG auf jeden Fall Rechnung getragen werden. Es ist dann die Technologie auszuwählen, bei der das Schutzniveau für die Umwelt am höchsten erscheint.64
Soziale Folgen bei der Auswahl eines Verwertungsverfahrens sind sehr oft eng an die wirtschaftliche Unzumutbarkeit einer Maßnahme gekoppelt. Wenn eine teure Verwertungsmaßnahme dazu führt, dass die Wirtschaft beeinträchtigt wird, kann das wiederrum dazu führen, dass Arbeitsplätze verloren gehen. Steigende Müllgebühren, die durch teure Verwertungsmaßnahmen hervorgerufen werden können, werden ebenfalls unter sozialen Folgen zusammengefasst.65
5.2 Öffentliche Interessen
Durch die umfassende Entsorgungspflicht aus den §§ 17 Abs. 1, 20 KrWG, obliegt es dem örE, eine flächendeckend einwandfreie Abfallentsorgung zu gewährleisten. Die Möglichkeit einer Beeinträchtigung in die Entsorgungsverantwortung des örE durch gewerbliche Sammlungsunternehmen ist anzunehmen.66
Aus Gründen überwiegenden öffentlichen Interesses, ist der örE demnach auf Grundlage des § 17 Abs. 2 Nr. 4 KrWG in der Lage gewerbliche Sammlungen nach Bedarf gänzlich zu unterbinden.
Frühere Gerichtsbeschlüsse gingen davon aus, dass unabhängig davon, in welcher Weise das Entgegenstehen öffentlicher Interessen begründet würde, in jedem Fall „konkrete[…], nicht mehr hinnehmbare[…] Beeinträchtigungen“ für den örE nachzuweisen wären.67
Die Entscheidungen des OVG Thüringen und des OVG Hamburg können an dieser Stelle als Vorreiter der Regelungen der heutzutage geltenden Gesetzgebung des KrWG bezeichnet werden. Diese sprachen schon zu Zeiten des KrW-/AbfG von einer Verknüpfung des öffentlichen Interesses mit der Funktionsfähigkeit des örE.68 Die o. g. Oberverwaltungsgerichte vertraten die Ansicht, dass die Funktionsfähigkeit der örE eher durch schwerwiegendere Beeinträchtigungen gefährdet werden würde.69
Dies würde in Übertragung der Rechtsprechung, die sich auf § 13 Abs. 3 Nr. 3 KrW-/AbfG des früher geltenden Rechts bezog, auf das heute geltende Äquivalent des § 17 Abs. 2 Nr. 4 KrWG bedeuten, dass ein überwiegendes öffentliches Interesse nur dann vorhanden wäre, wenn schwerwiegende Beeinträchtigungen vorlägen.
Clemens Weidemann ist der Meinung, dass mit der Novellierung des KrWG sich dem örE die Möglichkeit bietet praktisch konkurrenzlos zu agieren.70 Tatsache ist, dass der örE durch die Unterbindung gewerblicher Sammlungen, eine monopolähnliche Stellung, oder gar ein Monopol zur Sammlung getrennt zu verwertender Abfälle einnimmt.
Die starke Position der örE im KrWG geht u. a. auf das sogenannte „Altpapier-Urteil“ des BVerwG zurück, welches sich auf das damals noch geltende KrW/AbfG bezog. Nach dem Urteil des BVerwG konnten entgegenstehende überwiegende öffentliche Interessen nicht zwangsläufig nur bei einer Existenzgefährdung der örE geltend gemacht...