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E-Book

Plädoyer für die Milch

AutorMalte Rubach
VerlagHerbig
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl208 Seiten
ISBN9783776682441
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
'Milch macht dick und ist verantwortlich für viele Zivilisationskrankheiten.' Obwohl es für diese Behauptungen keine wissenschaftlichen Belege gibt, ist seit einigen Jahren eine Hetzkampagne gegen die Milch in vollem Gange, von der auch zahlreiche Produzenten alternativer Produkte profitieren. Inzwischen gilt es als 'in', die Milch zu verteufeln. Dabei erhöht sie keineswegs das Risiko für Erkrankungen. Milch und Milchprodukte sind die wichtigsten Kalziumlieferanten, wirken sich positiv auf die Darmflora aus und haben eine schützende Wirkung bei einer Vielzahl von Krankheiten. Mit anderen Worten: Die Vorteile überwiegen bei Weitem. Malte Rubach beweist: Die Milch macht's! Mit einem Vorwort von Dr. Gerd Leipold (Vorsitzender von Greenpeace International 2001-2009)

Der Ernährungswissenschaftler Dr. Malte Rubach beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren mit den Themen Ernährung, Gesundheit und Nachhaltigkeit. In zahlreichen Fachpublikationen, Buchbeiträgen und Interviews in Funk, Fernsehen und Print nimmt er immer wieder zu aktuellen Themen wie Lebensmittelverschwendung oder Nahrungsmittelunverträglichkeiten Stellung. Nach Beendigung seiner Forschungstätigkeit am Leibniz-Institut für Lebensmittelchemie und Forschungsaufenthalten in den USA und der Türkei war er zunächst als Projektleiter am Kompetenzzentrum für Ernährung in Bayern tätig, bevor er an das dortige Ernährungs- und Landwirtschaftsministerium wechselte. Neben seiner beruflichen Tätigkeit ist Dr. Malte Rubach als Referent und Autor aktiv.

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Leseprobe

Vom Bauernhof bis auf den Küchentisch – die Milchwirtschaft

Milch ist nicht nur ein wichtiges Nahrungsmittel, sondern auch ein bedeutender Wirtschaftsfaktor in vielen Ländern. Deutschland ist innerhalb der Europäischen Union der größte Milcherzeuger, gefolgt von Frankreich. Eine Überproduktion von Milch führte 1984 zur sogenannten Milchquote, die die produzierten Mengen in der EU regulierte. Zum 1. April 2015 lief diese Regelung aus, sodass nun jeder Erzeuger unabhängig von der Quote Milch produzieren darf, wobei er das auch zuvor durfte, nur führte das dann eben zu einer Quotenabgabe.

Als Handelsgut sind mit der Milch Aspekte der Wirtschaftlichkeit ihrer Erzeugung, Verarbeitung und Vermarktung verbunden, schließlich wollen sowohl die landwirtschaftlichen Betriebe als auch die Molkereien einen Erlös erzielen. Das geht selbstverständlich nur mit Produkten, die den hohen Qualitätsanforderungen der Konsumenten entsprechen und nicht deren Geldbörse sprengen. Zugrunde liegt ein komplexes System, das bei den Erzeugungsstrukturen im landwirtschaftlichen Bereich beginnt, sich mit der Verarbeitung in Molkereien fortsetzt und schließlich bei der Produktvielfalt wie auch den Konsumgewohnheiten der Verbraucher endet.

Die landwirtschaftliche Erzeugung – eine anhaltende Entwicklung

Europa ist weltweit der Wirtschaftsraum mit der höchsten Milcherzeugung. Innerhalb Europas nimmt Deutschland mit über 32 Millionen Tonnen seit Jahren den Spitzenplatz ein, knapp vor Frankreich mit über 25 Millionen Tonnen, und liegt damit alleine genommen immerhin noch in den TOP 5 weltweit. Das Vereinigte Königreich erzeugt schon nur noch halb so viel Milch, gefolgt von den Niederlanden, Polen und Italien.

Zwei deutsche Bundesländer liegen in der Milcherzeugung deutlich vorne: Bayern mit etwa 8 Millionen Tonnen und Niedersachsen mit mehr als 6,5 Millionen Tonnen. In den letzten 8 Jahren hat Niedersachsen seine Produktionsleistung um fast 30 Prozent gesteigert, während sie in Bayern mit leichteren Schwankungen auf ähnlichem Niveau liegt wie in den letzten 20 Jahren. Nennenswerte Mengen werden außerdem in Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg erzeugt, wohingegen die restlichen Bundesländer, ausgenommen die Stadtstaaten, unterhalb von 2 Millionen Tonnen im Jahr liegen.

Der Anteil von Biomilch, die in Deutschland erzeugt wird, liegt laut Milchindustrieverband bei gut 2 Prozent, was über 700 000 Tonnen im Jahr entspricht. Über die Hälfte der erzeugten Biomilch stammt dabei aus Bayern, wobei der Konsum und die Produktion von Milchprodukten aus Biomilch derart hoch sind, dass insbesondere aus Dänemark und Österreich Zulieferungen notwendig sind.

Entsprechend der hohen Milcherzeugung weist Deutschland den höchsten Milchkuhbestand innerhalb der Europäischen Union auf: 4,3 Millionen Tiere im Jahr 2014, was etwa 18 Prozent der Milchkühe der Europäischen Union entspricht. Fast 30 Prozent der Tiere in Deutschland befinden sich in Bayern, weitere 20 Prozent in Niedersachsen und noch mal jeweils 9 Prozent in NRW und Schleswig-Holstein. In Bayern überwiegt der Anteil des Fleckviehs, einer Doppelnutzungsrasse, deren Fleisch ebenfalls verwertet wird, während in NRW, Niedersachsen und Schleswig-Holstein mit überwiegendem Anteil von Holstein-Schwarzbunt eine reine Milchrasse vorherrscht. Die Kühe werden deutschlandweit in rund 78 000 Betrieben gehalten, von denen mehr als drei Viertel Herdengrößen zwischen 10 und 99 Kühen halten. Fakt ist aber auch, dass 11 Prozent aller Betriebe gut 40 Prozent aller Milchkühe auf sich vereinen, mit Herden von über 100 Tieren. Diese Konzentrierung ist ein Trend, der sich schon länger abzeichnet: 2005 führten gerade mal etwa 4 Prozent der Betriebe Herdengrößen von über 100 Tiere. Insgesamt hat zeitgleich die Anzahl der Milcherzeugerbetriebe von über 110 000 Bertrieben im Jahr 2005 bis heute um 28 Prozent abgenommen. Um die Jahrtausendwende waren es sogar einmal an die 150 000 Betriebe.

Kühe können nur Milch geben, wenn sie gekalbt haben. Da in der modernen Nutztierhaltung in der Regel künstliche Besamung durchgeführt wird, werden Zuchtbullen nicht direkt für die Besamung der Milchkühe eingesetzt. Dieser Praxis sind sich die meisten Konsumenten nicht unmittelbar bewusst, doch sie ist die Voraussetzung dafür, dass eine Milchkuh im Laufe ihres Lebens möglichst viel Milch liefert. Ein Milchkuhleben dauert etwa 5 bis 6 Jahre, zum ersten Mal trächtig wird sie in der Regel nach 15 bis 18 Monaten und bekommt nach 9 Monaten ihr erstes Kalb. Die durchschnittliche Milchmenge, die eine Kuh pro Jahr gibt, lag 2014 bei 7541 Kilogramm Milch. Die Milchleistung hat zwar seit den 90er-Jahren in fast allen Bundesländern stark zugenommen, was auf bessere Futtermittel, effizientere Verwertung und gezielte Züchtungen zurückzuführen ist, doch je nach vorherrschender Kuhrasse lassen sich unterschiedliche Niveaus erkennen. In den Bundesländern mit reinen Milchviehrassen erreicht die Milchleistung pro Kuh daher teilweise deutlich mehr als 8000 Kilogramm, in Thüringen findet sich gar der Spitzenwert mit 8999 Kilogramm. In Bayern hingegen liegt die Milchleistung bei 6714 Kilogramm und in Baden-Württemberg bei 6750 Kilogramm. Beide Bundesländer nutzen überwiegend Fleckvieh, das sich neben der Milcherzeugung auch für die Fleischverwertung eignet.

Man sieht also, dass sich »die Hochleistungskuh« nicht ohne Weiteres pauschalisieren lässt, auch wenn die Milchleistung insgesamt in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen hat. Vereinzelt gibt es Kühe mit einer Milchleistung von über 10 000 Kilogramm im Jahr, was aber nicht die Regel ist. Neben Züchtungserfolgen spielen ein verbessertes Herdenmanagement, neue Futtermittel und die tierärztliche Versorgung eine wichtige Rolle. Landwirte können bei den geringen Milchpreisen nur rentabel arbeiten, wenn sie mit optimaler Stallhaltung und Melktechnik eine hohe Milchleistung ihrer Kühe erzielen.

Etwa 300 Tage im Jahr kann eine Kuh Milch geben. Die Milchleistung steigt ab der Geburt eines Kalbes an, erreicht ihr Maximum nach zwei Monaten und bleibt etwa zwei weitere Monate auf diesem Niveau, bevor sie wieder abnimmt. Zwei bis drei Monate nach der Geburt wird die Kuh bereits wieder befruchtet, was die Milchleistung nochmals steigert. Kurz vor der Geburt des nächsten Kalbes, also 9 Monate nach der Befruchtung, wird die Kuh trockengestellt, d. h., sie gibt keine Milch mehr, um das Euter zu schonen. Diese Praxis steht in der Kritik, da sie für die Kuh eine hohe Stoffwechselbelastung darstellt, was zu behandlungsbedürftigen Symptomen führen kann.

In der ersten Woche der Laktation wird die sogenannte Biestmilch oder Kolostralmilch direkt an das Kalb verfüttert, da sie besonders reich an Eiweiß, Mineralstoffen, Vitaminen und Schutzfaktoren ist, die eine gute Entwicklung des Kalbes fördern. Danach wird die Milch der Mutterkuh als Rohmilch verkauft. Während dieser Zeit wird das Kalb in der Regel von der Mutterkuh getrennt und in einer Kälberbox untergebracht. Dieser Vorgang geht meistens nicht ohne vehementen Protest der Mutterkuh vonstatten, da der Nachwuchs wie bei jeder Tierart mit Leib und Seele verteidigt wird. Doch diese Maßnahme dient bei Stallhaltung auch dem gesundheitlichen Schutz des Kalbes, da sein Immunsystem noch nicht vollständig entwickelt ist und es im Falle einer Infektion besonders gefährdet wäre.

Nach zwei Wochen kommen die Kälber in einen gemeinsamen Kälberstall und werden an Wasser, Struktur- und Kraftfutter gewöhnt. Im Kontext dieser landwirtschaftlichen Praxis wurden in der Vergangenheit in den Medien immer wieder die Haltungsbedingungen und die Zuchtpraxis in Milchviehbetrieben angeprangert. Unter anderem wurde über das vorsätzliche »Entsorgen« männlicher Kälber in einschlägigen Beiträgen berichtet, da sie keinen Wert für die Milchproduktion aufweisen. Eine differenzierte Betrachtungsweise ist auch hier sinnvoll.

Zunächst verstößt eine solche Vorgehensweise gegen das geltende Tierschutzgesetz. Vorsätzliche Verstöße können natürlich nicht ausgeschlossen werden, doch ist ein großflächiger Verstoß anhand verschiedener Aspekte in Deutschland höchst unwahrscheinlich. Zum einen ist im Bundesland mit der größten Milcherzeugung überwiegend Fleckvieh vertreten, das nicht alleine auf Milch-, sondern auch auf Fleischleistung ausgelegt ist. Gerade männliche Jungtiere werden daher als Ochsen in die Fleischwirtschaft weiterverkauft und nicht einfach »entsorgt«.

Des Weiteren werden seit der BSE-Krise sämtliche neu geborenen und nach Deutschland eingeführten Rinder in einer zentralen Datenbank erfasst, dem Herkunftssicherungs- und Informationssystem für Tiere. Die Meldefrist für neugeborene Rinder beträgt 7 Tage. Spätestens dann muss das Kalb mit einer Ohrmarke an jedem Ohr ausgestattet sein. Die korrekte Meldepraxis wird jährlich in 10 Prozent der Betriebe überprüft, wobei auch kontrolliert wird, ob alle Tiere vorschriftsmäßig gekennzeichnet sind, ob tatsächlich für alle Tiere ein Rinderpass vorliegt, ob das Bestandsregister ordnungsgemäß geführt ist und ob die Meldungen an die Datenbank korrekt und fristgereicht erfolgen. Diese Kontrollen sind für den Tierbesitzer kostenlos. Verstöße gegen die Kennzeichnungsvorschriften werden allerdings kostenpflichtig geahndet und können zum Verlust oder zur Kürzung von betrieblichen Subventionen seitens des Staates führen.

Die Meldefrist von 7 Tagen ist ein kritischer Zeitraum, da auch für die Kontrollorgane nicht direkt ersichtlich ist, was in diesem Zeitraum passiert. Ein Kalb, das verstirbt und nicht registriert wird, hat offiziell nie existiert. Doch es lässt sich zumindest für Deutschland anhand der Informationen des...

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