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E-Book

Abenteuer in Kanada

Mit Travellercheques zum Cottagetraum

AutorWolfgang Deger
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl256 Seiten
ISBN9783738678765
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis6,49 EUR
Erst war es eine verrückte Idee. Ein Cottage in Kanada, an der Grenze zwischen Zivilisation und Wildnis. Dann wurde es im Handumdrehen zur Wirklichkeit. Überzeugend entfaltet Wolfgang Deger in diesen selbsterlebten Abenteuern die Freuden aber auch die Tücken und Mühen im Umgang mit den Einheimischen, der Wildnis, und den Tieren aus seiner Sicht und auch mal aus der Sicht der Tiere.

Wolfgang Deger, geboren 1954 in Frankfurt am Main, nach einem Ingenieurstudium in Köln arbeitete er bis 2009 in einem großen Elektronikkonzern. 1995 erwarb er zusammen mit seiner Frau ein Cottage an der Georgian Bay in Ontario.

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Leseprobe

Die Tücken des Angelns


(Herbst 1995)

Endlich ging es wieder auf Urlaub nach Kanada. Seit unserem ersten Besuch hatten wir es uns jedes Jahr vorgenommen, aber immer kam etwas dazwischen. Ende August 1995 war es so weit. Der Indian Summer mit seiner prächtigen Laubfärbung war unser Ziel. Außerdem hat man im Herbst keine Probleme mehr mit Moskitos und Blackflies, die uns während des ersten Besuches im Mai 1990 schon arg gequält hatten.

Diesmal gestalteten wir unseren Urlaub von Anfang an eigenständiger. Beim ersten Besuch wurden wir die ganze Zeit von einer Verwandtschaft zur anderen weitergereicht. Deshalb besorgten wir uns gleich am Morgen nach unserer Ankunft für den kompletten Urlaub einen Mietwagen. So ausgerüstet machten wir uns auf den Weg zu unserem Traumziel, der Georgian Bay.

Wir hatten eine Einladung von Cousin Ernst und seiner Frau Ingrid bekommen. Ihre Tochter Eva war ein Jahr zuvor in Deutschland auf Schüleraustausch gewesen, kaum zwanzig Kilometer entfernt von uns und wir kümmerten uns damals um sie. Als dann Ernst und Ingrid ihre Tochter persönlich in Deutschland abholten und wir gemeinsam ein paar schöne Tage verbrachten, drängten sie uns zu einem Gegenbesuch in Kanada.

Die Fahrt ging über die Metropole Toronto gen Norden. Auch dieses Mal waren wir tief beeindruckt wie die Zivilisation abrupt endet und die Wildnis anfängt. Ein Schnitt wie mit einem scharfen Messer gezogen. Je weiter wir in den Norden fuhren desto schroffer wurden die Züge der Landschaft und wir fieberten dem ersten Blick auf die großen Wasserflächen der Georgian Bay entgegen. Kurz vor Honey Harbour fuhren wir über eine Brücke, und sahen tiefblaues Wasser bis zum Horizont. Inge sagte »Jetzt beginnt der Urlaub« und ich nickte zustimmend. Auf der weiteren Fahrt traten immer mehr Felsen zutage. Die Abwechslung zwischen blauen Wasserflächen, grünen Wäldern und Granitfelsen mit Rosenquarzstufen in den verschiedensten Rotfärbungen, durchzogen von schneeweißen Adern, faszinierte uns aufs Neue.

Nach fast vierhundert Kilometer Fahrt erreichten wir das Haus von Cousin Ernst, ein Holzhaus direkt am Waldesrand mit zwei Stockwerken und einem riesigen Balkon im ersten Stock.

Ernst, ein stämmiger Endvierziger mit braunen Lockenhaaren, und seine Frau Ingrid, dunkelblond und etwas zierlicher, kamen uns schon auf der Treppe entgegen. Ernst rief »Hi, Guys habt ihr gut hergefunden« und umarmte Inge. Während ich Ingrid umarmte fragte sie leiser und etwas sorgenvoller »War mit dem Flug und der Fahrt hierher alles ok?« Ich bestätigte ihr »Keine Probleme.«

So verbrachten wir wundervolle Tage und genossen die wildromantische Küstenformation der „30.000 Islands“.

Eines Morgens beim Frühstück sprach Ingrid ihren Sohn Steffen an »Willst du nicht mal Inge und Wolfgang zum Angeln mitnehmen.« Erst suchte er nach Ausreden doch nach einigen weiteren Anstößen von Ingrid »Du weißt doch, das ist die Verwandtschaft aus Deutschland« willigte er ein. Er schaute uns an und sagte »Wie wäre es mit heute Nachmittag« wobei seine Stimmlage sich eher anhörte wie, wenn es schon sein muss, dann besser gleich. Wir willigten erfreut ein.

Als Ernst davon erfuhr fragte er mich »Bist du schon mal einen Four-Wheeler gefahren?« Ich verneinte und fragte, »Wie sieht denn so ein Fahrzeug aus?« Er schaute mich leicht schockiert an und zog mich nach draußen. Unter ihrem großen überdachten Stellplatz zeigte er mir zwei Fahrzeuge, die ich so in Natura noch nicht gesehen hatte. Beide hatten einen Motorradlenker und Ballon-Reifen mit Allradantrieb. Das eine Fahrzeug war als Dreirad konzipiert mit einem Sattel, das zweite hatte gleich sechs Ballon-Reifen zwei Sättel und hinten noch eine kleine Pritsche. Er ging zu dem sechsrädrigen Gefährt, zeigte mir wie man es startet, bremst, Vorwärts- und Rückwärtsgang einlegt und sagte »Probier es mal aus.« Er ließ mich ein paar Runden auf dem Vorplatzdrehen, winkte mich nach einer Weile zurück und meinte

»Den Rest lernst du schon im Gelände.«

Als ich Inge davon erzählte fragte sie ungläubig nochmals bei Ingrid nach, ob wir wirklich dieses Fahrzeug benötigen. Sie erklärte »Ihr fahrt mit Steffen fünf bis sechs Kilometer zu einem einsamen See und der Weg ist nur mit einem Four-Wheeler befahrbar.«

Zu dem Haus gehörte ein, für europäische Maßstäbe, riesiges Grundstück von einigen Quadratkilometern. Dieses Grundstück grenzte an einen Inlandsee der keinen Zugang über eine Straße besaß.

Nach einer kleinen Mahlzeit zur Mittagszeit trafen wir uns mit Steffen auf dem Vorplatz. Steffen war damals gerade mal fünfzehn Jahre alt und ein richtiges Naturkind, etwas schweigsam und menschenscheu aber wenn es ums Fischen, Jagen und Natur erleben ging taute er förmlich auf.

Er schwang sich auf sein Dreirad und wartete ungeduldig bis wir unser sechsrädriges Gefährt bestiegen und gestartet hatten.

Dann brauste er los und ich versuchte ihm zu folgen. Zum Glück gab es nach einigen hundert Metern nur noch eine enge Fahrspur die durch Hecken und Brombeersträucher führte und nicht zu verfehlen war.

Steffen wartete nach eineinhalb Kilometer Fahrt vor einer steilen Böschung. Sein Gesichtsausdruck zeigte deutlich was er dachte »Wie lange brauchen die denn noch für diese Strecke?« Am Rande der Böschung angekommen blickte ich erschrocken in die Tiefe. Steffen war mit unvermindertem Tempo schon unten angekommen.

Obwohl ich im Schneckentempo hinab fuhr sträubte sich alles in mir und ich hatte das Gefühl einem Überschlag nahe zu sei. Als wir Steffen erreichten hatte sich seine Laune nicht verbessert. Von hier aus ging es weiter durch leichteres Gelände und ich konnte Steffen so folgen, dass ich ihn nicht aus den Augen verlor. Es kann natürlich auch sein, dass er etwas langsamer fuhr, um nicht dauernd auf uns warten zu müssen. Am See angekommen stellten wir die Four-Wheeler ab und Steffen zeigte uns ein altes hölzernes Ruderboot.

Der See erstreckte sich über eine Fläche von einem halben Quadratkilometer, dicht umsäumt von Büschen und Bäumen lief er zu einer Seite in eine Schilf- und Moorlandschaft aus, ein wahrer Traum für Naturliebhaber.

Nachdem wir in dem wackeligen Boot Platz genommen hatten, warf Steffen seine Angel und einige andere Utensilien ins Boot, stieß es vom Ufer ab und sprang elegant hinterher. Trotz seiner Jugend merkte man gleich, dass er es gewohnt war sich selbstständig in der freien Natur zu bewegen. Nach ein paar Ruderschlägen hielt er inne, versah die Angel mit einem Köder, übergab sie an Inge die ihm am nächsten saß, mit der Aufforderung sie auszuwerfen. In unserem ganzen Leben hatten wir noch nicht geangelt. Inge holte, wie mit einem Federballschläger, schwungvoll aus. Ich schaute erwartungsvoll auf die ruhige Seeoberfläche um mir die Eintauchstelle des Hakens nebst Köder zu merken. Es ging ein Ruck durch das Boot und ich hörte ein qualvolles Stöhnen von Steffen. Was war passiert?

Inge hatte mit der Angel so schwungvoll ausgeholt, dass der Haken nach hinten losgegangen war und da wir uns noch in Ufernähe befanden, hatte er sich in den herunterhängenden Ast eines Baumes verhakt. Steffen ruderte zu dem Ast hin, löste den Haken und versah ihn erneut mit einem Köder. Er nahm das Ruder und sagte »Wir rudern jetzt zur Seemitte.« Dort angekommen forderte er mich auf den Anker auszuwerfen. Ich schaute mich in dem kleinen Boot um, konnte aber beim besten Willen keinen Anker entdecken. So fragte ich ihn »Wo ist denn der Anker?« Er antwortete mürrisch »Der Stein.« Tatsächlich lag da ein großer Stein, an dem ein Tau befestigt war, vor meinen Füßen. Also nahm ich den etwa fünfzehn Kilo schweren Stein und warf ihn über den Bootsrand in den See. Er verschwand und zu meinem Entsetzen auch das angebundene Tau. Es war nur an dem Stein befestigt nicht aber am Boot und der See wies hier wohl eine besondere Tiefe auf. Stein und Tau waren auf nimmer Wiedersehen verschwunden. Als Steffen mich fragte, ob ich das Tau festgehalten hätte und ich dies verneinte war sein Stöhnen nicht mehr steigerungsfähig.

Er ruderte noch an zwei andere Stellen des Sees und warf selbst die Angel aus. Aber heute wollte ihm kein Fisch die Laune verbessern. So ruderte er, nach einer Stunde auf dem See, mit den Worten »Heute haben wir wohl kein Glück« zum Anlegeplatz zurück. Er packte missmutig seine Sachen und schwang sich auf sein Dreirad. Dann fragte er uns noch »Findet ihr den Weg zurück?« Als wir dies bejahten brauste er davon. Deprimiert von unserem Unvermögen machten wir uns auch auf den Heimweg.

Steffen traute uns noch nicht mal den Rückweg zu. Er wartete immer weit voraus an den Schlüsselstellen des Weges und wenn er uns kommen sah fuhr er weiter. Was mir noch Sorgen bereitete war die steile Böschung, doch an ihr angekommen gab ich Vollgas und das sechsrädrige Gefährt zog uns, ohne schlingern und rutschen, in gleichmäßigem Tempo die Böschung hoch. Oben angekommen, ich hatte langsam Vertrauen zu unserem Fahrzeug gewonnen, spürte ich einen leichten Widerstand auf der rechten Seite des Lenkers. Auf der weiteren Wegstrecke nahm der Widerstand beständig zu.

Steffen war jetzt endgültig unseren Blicken entschwunden, da er uns wohl den Rest der Strecke allein zutraute. Zugegeben, die restliche Wegstrecke war zwar kurvenreich und unübersichtlich aber an sich nicht schwer zu befahren. Ich stoppte das Fahrzeug und schaute es mir rundherum an. Der vordere rechte Reifen hatte Luft verloren. Bei dieser Art von Niederdruck-Ballonreifen fällt das optisch nicht gleich auf, aber der Fahrwiderstand in unebenem Gelände nimmt erheblich zu. Ich fuhr langsam und vorsichtig weiter, froh um jeden Meter den wir dem Ziel näher...

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