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E-Book

Wienerwald für Entdecker

15 Spaziergänge auf historischen Spuren

AutorBeppo Beyerl, Konrad Kramar
VerlagAmalthea Signum Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl224 Seiten
ISBN9783903083110
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis12,99 EUR
Von verschwundenen Schlössern, verträumten Feldherren und magischen Naturdenkmälern Der Wienerwald - ein altbekanntes Ausflugsziel, bei dem es nichts Neues mehr zu entdecken gibt? Mitnichten. Wussten Sie, dass das Wasser des Agnesbründls in Sievering die Lottozahlen verriet? Dass Sigmund Freuds Traumdeutung ihren Ursprung auf der Bellevuehöhe hatte? Dass sich am Mödlinger Kalenderberg einst ein vermeintlicher Mörder versteckte? Oder dass es in Österreich eine kleine Version des Matterhorns mit heilenden Kräften gibt? Dies und noch viel mehr erfahren Sie auf 15 spannenden Touren durch die unbekannten Seiten des Wienerwaldes. Mit zahlreichen Fotos, Abbildungen und Karte

Konrad Kramar, geboren 1966, Studium der Pharmazie, ist seit 1984 als Journalist tätig, seit 1999 Außenpolitik-Redakteurdes »Kurier«. Autor historischer Sachbücher, u. a. »Die schrulligen Habsburger« (mit Petra Stuiber, 1999), »Prinz Eugen. Heros und Neurose« (mit Georg Mayrhofer, 2013), »Mission Michelangelo« (2013). Beppo Beyerl, geboren 1955, Studium der Slawistik, lebt seit 1980 als freier Autor in Wien und verfasst Reportagen für verschiedene Tageszeitungen. Er veröffentlichte mehrere Bücher,u. a. »Wiener Reportagen« (2008-2012), »26 Verschwindungen. Von Arbeiterzeitung bis Ziegelbehm« (2014) und »Die Triester Straße« (2015).

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Leseprobe

1

Vom Urmeer zur Ruckerlbahn


Kahlenberg und Leopoldsberg

Eine Wanderung auf den Kahlenberg und den benachbarten Leopoldsberg ist in einem Buch wie diesem einerseits unumgänglich, andererseits ziemlich kompliziert. Nicht nur, dass es sich um die beiden Wiener Hausberge handelt, sie sind auch beide mit Geschichte und Geschichten gepflastert, und zwar in jedem Winkel. Für unsere Erkundung gilt also noch mehr, was für das ganze Buch gnädigerweise gelten möge: Auf einer Wanderung lässt sich nur ein Bruchteil von all dem entdecken, was da oben zwischen Weinbergen und Buchenwäldern verborgen liegt. So wird das, was wir uns vornehmen, immer nur eine kleine, ganz persönlich getroffene Auswahl sein.

Allein die Namensverwirrung um die beiden Waldhügel, die den westlichen Wienerwald gewissermaßen an der Donau verankern, ließe sich nur in mehreren Abhandlungen aufklären. Für den Wanderrucksack genügt vorerst einmal die Kurzversion, nämlich, dass der heutige Leopoldsberg zuerst Kahlenberg hieß und der heutige Kahlenberg ursprünglich Sauberg. Erst als der Polenkönig Jan Sobieski die Türken aus Wien – samt berühmtem Sturm vom Kahlenberg (dem damaligen Kahlenberg) – vertrieben hatte, ließ der Habsburgerkaiser Leopold auf dem (heutigen) Leopoldsberg eine Kapelle errichten. Deshalb musste ein Namenstausch her. Denn das weithin sichtbare Schmuckstück wurde natürlich dem Namensvetter des Kaisers, dem heiligen Leopold, geweiht. Der – eigentlich ein ganz konventioneller Babenbergermarkgraf – ist bis heute Landespatron von Niederösterreich und auch der Berg durfte von da an seinen Namen behalten.

Wir ahnen also jetzt schon, während wir uns noch im D-Wagen Nußdorf nähern, dass sich da oben einiges abgespielt hat. Kahlenberg und Leopoldsberg haben Türkenbelagerungen erlebt, ebenso wie die wildesten Auswüchse des Technikwahns im späten 19. Jahrhundert. Hier haben äußerst geschäftstüchtige Mönche ihre Spuren hinterlassen, ebenso wie ziemlich skrupellose Spekulanten. Man stößt auf legendär-verruchte Schönheiten aus der Zeit Napoleons, kann einiges über einen »rosaroten Prinzen« erfahren und findet Erinnerungen an Hitlers seltsame Hassliebe zu Wien, schamvoll verborgen in einem bemerkenswert seltsamen Denkmal. Leider versperrt heute ein Bauzaun den Weg dorthin.

Am einfachsten, zumindest nach Meinung der Autoren, ist es noch, sich für den richtigen Ausgangsort zu entscheiden. Denn es geht kaum bequemer, als mit dem bereits erwähnten D-Wagen nach Nußdorf zu zuckeln, so wie das schon die Ausflügler vor mehr als hundert Jahren taten, wobei die meist die Franz-Josefs-Bahn wählten. Die hatte damals schon einen eigenen Bahnhof vor Ort. Wir sehen das typische Bahnhofsgebäude aus der Spätzeit der Monarchie rechter Hand, wenn wir die letzte Kurve zum Nußdorfer Platz nehmen.

Die leichte Erreichbarkeit macht also Nußdorf als Ausgangspunkt zur ersten Wahl. Doch wenn wir einmal am Nußdorfer Platz die Bim verlassen haben, wird uns recht bald klar, dass für den Start unserer Wanderung hier noch einiges mehr spricht. In dem uralten Weinbauerndorf hat sich an mehreren Stellen die mittelalterliche Struktur weitgehend erhalten. Wir reden nicht nur von den wuchtigen, geduckten Winzerhäusern der Weinbauern, sondern von jenen Gebäuden, die die ersten Großgrundbesitzer, die es in diesen Weinorten gab, errichtet haben: die katholischen Orden. Von Nußdorf, wie von so vielen anderen heutigen Vororten Wiens, wurde der Wienerwald bewirtschaftet, wurden Weinbau und Forstwirtschaft im großen Stil vorangetrieben. Wenn wir vom Nußdorfer Platz aus ein Stückerl die Greinergasse bergauf gehen, zweigt rechts die Hackhofergasse ab und gleich am Eck steht ein Wirtschaftshof der Dominikanermönche aus dem späten Mittelalter.

Bevor wir unseren Weg in der Hackhofergasse auf der Spur der Mönche fortsetzen, sollten wir einen Blick auf ein Stück jüngere Vergangenheit werfen. Einen kleinen Umweg ist es allemal wert. Aus dieser jüngeren Vergangenheit ist heute in Nußdorf deutlich weniger zu sehen als aus dem Mittelalter. Die Zahnradbahnstraße beginnt ein paar Schritte oberhalb des Nußdorfer Platzls und auf Nummer 8 steht das Gebäude, das die Erklärung zum Straßennamen liefert. Das »Gasthaus zur Zahnradbahn« trägt diesen Namen auch ganz zu Recht, ist es doch die ehemalige Talstation ebendieser Zahnradbahn. Da es denkmalgeschützt ist, betritt man heute noch die nur geringfügig umgebauten Räumlichkeiten, in denen sich Kartenschalter und Wartesaal befanden. Ruckerlbahn haben sie die Wiener genannt, weil sich die Züge aufgrund des gewaltigen Kraftaufwands, den die Dampfmaschinen der Lokomotiven zu leisten hatten, immer mit einem ordentlichen Ruck in Bewegung setzten. Schon das machte das imposante technische Spielzeug aus der fortschrittsverliebten Gründerzeit zu einem Liebling der Wiener. Fast 200 000 Personen traten in den Jahren nach der Eröffnung jährlich mit der Zahnradbahn die Reise auf den Kahlenberg an. Das lag natürlich auch daran, dass Ausflüge in die Natur und vor allem in die Berge damals gewaltig in Mode waren. Und wer es aus finanziellen, konditionellen oder anderen Gründen nicht so richtig in die Berge schaffte, der leistete sich zumindest am Wochenende die auch nicht ganz billige Fahrt auf den Kahlenberg. Auf dem war also damals schon fast so viel Trubel wie heute.

Wer sich für die Zahnradbahn näher interessiert, kann sich in dem übrigens sehr gut und kulinarisch ambitioniert geführten Gasthaus nicht nur zum Essen niederlassen, sondern auch die zahlreichen Ausstellungsstücke zum Thema Zahnradbahn in den Gasträumen inspizieren. Da gibt es Fotos, alte Fahrpläne und vieles andere, das einem dieses Eisenbahnprojekt ziemlich lebendig vor Augen führt. Und das ist gut so, denn erstaunlicherweise ist von dem groß angelegten Unternehmen, das immerhin von 1874 bis in die Zwanzigerjahre des letzten Jahrhunderts lief, kaum etwas übrig geblieben. Es ist dem engagierten Döblinger Heimatkundler Wolfgang Schulz und seinem Döblinger Heimat-Kreis zu verdanken, dass die Erinnerung an diese technische und touristische Meisterleistung heute wieder gepflegt wird. Eisenbahnenthusiasten und ambitionierte Lokalhistoriker erfahren mehr auf Schulz’ Homepage (www.döbling.com) und in einer eigens produzierten DVD, auf der er sich auf die Zahnradbahn-Spurensuche begibt. Dafür muss man aber nicht nur gut zu Fuß, sondern vor allem phantasiebegabt sein, denn es sind wirklich nur noch recht schäbige Reste der Bahn zu finden. Wer sich eine der vielleicht noch deutlichsten Spuren der alten Bahn gleich hier in Nußdorf anschauen will, der muss die Zahnradbahnstraße weitergehen. Sie folgt der alten Bahntrasse. Nach ein paar Hundert Metern quert die inzwischen zum Zahnradbahnweg degradierte Straße die Kahlenberger Straße, oder, besser gesagt, sie würde es, wäre die alte Eisenbahnbrücke über die Kahlenberger Straße heute nicht längst abgebrochen. Immerhin kann man dort noch die alten Brückenfundamente deutlich sehen.

Abfahrt vom Kahlenberg: Die Ruckerlbahn war über Jahre ein wahrer Tourismusmagnet, kam aber dann rasch aus der Mode.

Auf dem Kahlenberg kann man heute noch einen Waggon der alten Zahnradbahn bewundern. Viel mehr ist von der imposanten Anlage nicht geblieben.

Wer nicht so viel Gehzeit für Errungenschaften der Gründerzeit vergeuden will, kann gleich bei der ehemaligen Talstation kehrtmachen und wieder zum Anfang der Hackhofergasse und dem dortigen Dominikaner-Domizil zurückkehren. Wir wollen ohnehin in der Hackhofergasse weitergehen, ist sie doch eine jener Gassen, in der sich – wie vorher erwähnt – die alte Baustruktur weitgehend erhalten hat. Auf den Nummern 17 und 18 liegen einander zwei weitere Gebäude gegenüber, in denen die Geschichte von Nußdorf und den umliegenden Wäldern steckt. Links liegt der Zwettlhof, ein prächtiges barockes Schlösschen, dessen Geschichte weit ins Mittelalter zurückreicht. Denn schon damals erkannten die geschäftstüchtigen Mönche des nicht umsonst wohlhabenden Zisterzienserstifts Zwettl im Waldviertel, was es hier zwischen Wienerwald und Donau zu holen gab. Man war im Wettlauf der Orden lange vor den Dominikanern da, denen wir vorher begegnet sind. (Es gibt übrigens direkt am Stephansplatz ebenfalls einen Zwettlhof, nur als weiteren Beweis für die Finanzkraft dieses Stiftes.) Auch heute noch ist der Zwettlhof im kirchlichen Besitz, er gehört dem Schottenstift.

Das sogenannte Lehár-Schlössl auf Nummer 18 ist weit kleiner, aber ebenfalls von einem Orden als Wirtschaftshof gegründet worden. Ansonsten steckt, wie der Name deutlich macht, in diesem Haus eher Musikgeschichte. Dass der Komponist Franz Lehár hier einige Jahre lebte und ein paar ziemlich populäre Operetten verfasste, ist bei diesem Namen wenig überraschend. Deutlich früher aber wohnte hier schon Mozarts...

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