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Der Große Krieg 1914-1918 in 92 Kapiteln

AutorRolf Steininger
VerlagLau-Verlag & Handel KG
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl264 Seiten
ISBN9783957681782
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis10,99 EUR
Der Krieg von 1914-1918 war der Große Krieg, die 'Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts'. Dieser Krieg war ein Weltkrieg, der in Europa, im Nahen und Fernen Osten, in Afrika und zur See ausgetragen wurde und zum Untergang der Monarchien in Deutschland, Österreich-Ungarn und Russland und zum Zerfall des Osmanischen Reiches führte. Er brachte Millionen Menschen Tod und Elend und legte den Grundstein für etliche der nachfolgenden Katastrophen. Von Februar 2014 bis Dezember 2015 hat der bekannte Zeithistoriker Rolf Steininger an 92 Wochenenden in den Dolomiten - Tagblatt der Südtiroler - über diesen Krieg berichtet. Im vorliegenden Band werden diese Beiträge nun gesammelt vorgelegt.

Rolf Steininger, Dr. phil., geb. 1942 in Plettenberg/ Westfalen, ist ordentlicher Universitätsprofessor; er war von 1984 bis zu seiner Emeritierung 2010 Leiter des Instituts für Zeitgeschichte der Universität Innsbruck; er ist Senior Fellow des Eisenhower Center for American Studies der University of New Orleans und Jean Monnet-Professor; seit 2008 auch an der Freien Universität Bozen; zahlreiche Veröffentlichungen sowie preisgekrönte Fernseh-, Film- und Hörfunkdokumentationen zur Zeitgeschichte; Arbeitsschwerpunkte sind Erster Weltkrieg, Kalter Krieg, Holocaust, Israel, Naher Osten, Österreich, Deutschland, USA und Südtirol. rolfsteininger.at

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Leseprobe

Der Große Krieg 1914–1918 in 92 Kapiteln


1. Der Balkan als Krisenherd


Vor dem Ersten Weltkrieg: Wunschtraum Groß-Serbien – religiös und ethnisch große Unterschiede.

Mit einem „Mord in Belgrad“ beginnt der australische Historiker Christopher Clark sein spannendes Buch „Die Schlafwandler“ über Europas Weg in den Ersten Weltkrieg. Es geht um die Ermordung des serbischen Königspaares am 11. Juni 1903 durch revoltierende Offiziere. Clark erspart dem Leser keines der grausamen Details:

„Das Paar wurde in einem Kugelhagel aus nächster Nähe niedergeschossen. […] Die Leichen wurden […] mit Säbeln zerstochen, mit einem Bajonett aufgerissen, teilweise ausgenommen und mit einer Axt zerhackt, bis sie zur Unkenntlichkeit verstümmelt waren.“

Bei dieser Verschwörung, die Peter I. auf den Thron brachte, spielte schon ein junger Leutnant der serbischen Armee eine Schlüsselrolle:

„Dragutin Dimitrijević, der später wegen seiner massigen Gestalt ‚Apis‘ genannt wurde, weil seine Anhänger ihn mit dem Stiergott des alten Ägyptens verglichen, war unmittelbar nach seinem Examen an der serbischen Militärakademie auf einen Posten im Generalstab befördert worden, ein untrügliches Zeichen für die hohe Meinung, die seine Vorgesetzten von ihm hatten.“

Er wurde 1903 zum Volkshelden. Daneben wurde Nikola Pašić der dominierende Politiker, der bis 1918 mehrfach Regierungschef war.

Die Zielvorstellung einer „Vereinigung aller Serben“ – von ihnen lebten fünf Millionen außerhalb der Staatsgrenze, überwiegend im Habsburger und im Osmanischen Reich – hatte von nun an „Hochkonjunktur“, verbunden mit jener Loslösung von Österreich-Ungarn, die Frankreich seit 1906 durch umfangreiche Kredite erleichterte. Auf die Annexion von Bosnien-Herzegowina (seit 1868 besetzt) durch Österreich-Ungarn 1908 reagierte Serbien mit Forderungen, auf die es Ende März 1909 verzichten musste. Dies führte zur Gründung der Gruppe „Vereinigung oder Tod!“ Sie wurde unter dem Namen „Schwarze Hand“ bekannt. Ihr Ziel war die Bildung Groß-Serbiens. Das konspirative Netzwerk der Königsmörder blieb auch in den folgenden Jahren eine wichtige Kraft in der serbischen Politik. Aus ihm rekrutierten sich die Verschwörer, die den Mord an dem österreich-ungarischen Thronfolger Erzherzog Franz Ferdi nand am 28. Juni 1914 planten. Für Christopher Clark waren die Serben von damals die Schurken in diesem Drama. Die Serben von heute waren nicht erfreut – und das Buch war denn auch in Serbien kein Erfolg.

Der Balkan war vor 1914 Europas Krisenherd Nr. 1. Die dortigen religiös und ethnisch sehr unterschiedlichen Völker strebten nach Unabhängigkeit oder einer Ausweitung ihrer Staatsgebiete. Zwei Imperien beherrschten das Gebiet: das Osmanische Reich und Österreich-Ungarn. Im Vorfeld von 1914 gibt es zwei Kriege auf dem Balkan: 1912 greifen Bulgarien, Serbien, Griechenland und Montenegro das Osmanische Reich an, 1913 greift Bulgarien Serbien an. Durch diese Kriege werden zwar die Grenzen auf dem Balkan neu gezogen, aber beide Kriege bleiben regional begrenzt: die Großmächte halten sich – noch – zurück. Die Serben strebten dabei nach einem Hafen an der Adria. Sie wurden zwar vom Zarenreich und Frankreich unterstützt, aber Sankt Petersburg machte letztlich einen Rückzieher. „Wir werden uns nicht in einen Krieg treiben lassen, nur weil Serbien einen Hafen an der Adria haben will“, sagte der russische Außenminister Sergei Sasonow. Österreich-Ungarn wäre im zweiten Krieg gern an die Seite Bulgariens getreten, um die serbische Macht ein für alle mal zu brechen, aber ohne deutsche Unterstützung war das nicht machbar. Das „Problem“ Serbien blieb ungelöst.

Mit der Ermordung Franz Ferdinands bot sich eine Lösung an. Das Attentat am 28. Juni 1914 war wie der Terroranschlag auf das World Trade Center in New York am 11. September 2001. Clark: „Es hat die Chemie der damaligen Politik grundlegend verändert.“ 37 Tage später befand sich Europa im Krieg und die „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ – so der US-Diplomat George F. Kennan – nahm ihren Lauf.

2. Der Blankoscheck


Zum Krieg entschlossen:

Deutschland an der Seite Österreich-Ungarns.

Nach dem Attentat am 28. Juni 1914 zweifelte in Wien niemand an der Mitwisserschaft, wenn nicht gar Mittäterschaft des serbischen Staates. Gegen den sollte jetzt ein Exempel statuiert werden. Natürlich dachte man nicht an einen Weltkrieg, wohl eher an eine zu lokalisierende, kurze Strafexpedition. Kaiser Franz Joseph I. (geb. 1830) war dazu von Anfang an entschlossen. Nur zwei Tage nach dem Attentat kam er mit dem entsprechenden Entschluss von Bad Ischl nach Wien zurück. Am 30. Juni sagte Österreichs Außenminister Leopold Graf Berchtold (geb. 1863, seit 1912 Außenminister) dem deutschen Botschafter in Wien, Heinrich Graf von Tschirschky, zum ersten Mal, dass gegen Serbien etwas geschehen müsse. Der berichtete nach Berlin, dass er vor übereilten Schritten gewarnt habe. Kaiser Wilhelm II. schrieb an den Rand dieses Berichtes:

„Wer hat ihn dazu ermächtigt? Das ist sehr dumm! Geht ihn gar nichts an, da es lediglich Österreichs Sache ist … Tschirschky soll den Unsinn gefälligst lassen! Mit den Serben muss aufgeräumt werden, und zwar bald.“

Aber hinter Serbien stand nach wie vor die Schutzmacht Russland. Würde Österreich mit den Serben „aufräumen“, würde das Zarenreich mit Sicherheit intervenieren. Entscheidend für jede Aktion war daher von Anfang an die Reaktion des Bündnispartners in Berlin. Ohne Unterstützung Deutschlands würde es kein „Aufräumen“ geben. Am 5. und 6. Juli entsandte Berchtold seinen Sonderberater Alexander Graf von Hoyos nach Berlin – im Gepäck ein Schreiben von Kaiser Franz Joseph an Wilhelm II., in dem der deutlich machte:

„Das Bestreben Meiner Regierung muss in Hinkunft auf die Isolierung und Verkleinerung Serbiens gerichtet sein“, das „als politischer Machtfaktor am Balkan ausgeschaltet“ werden müsse.

Am 6. Juli gab Wilhelm die Antwort: er könne zum Serbienkonflikt keine Stellung nehmen, Franz Joseph könne sich aber darauf verlassen, so berichtet Hoyos nach Wien, „dass seine Majestät im Einklang mit seinen Bündnisverpflichtungen und seiner alten Freundschaft treu an der Seite Österreich-Ungarns stehen werde“. Am Tag zuvor hatte Wilhelm II. dem österreichischen Botschafter in Berlin, Graf Szögyény, die Zusicherung gegeben, dass „Deutschland in gewohnter Treue an unserer Seite stehen werde“.

Der deutsche Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg (geb. 1856, seit 1909 Reichskanzler) bestätigte am 6. Juli gegenüber dem Botschafter die kaiserliche Zustimmung, die er damit auch politisch und formal effektiv machte. Er gab grünes Licht für das weitere Vorgehen. Es liege an Österreich-Ungarn, zu beurteilen, was zu geschehen habe, um das Verhältnis zu Serbien zu klären, Wien könne aber „wie auch immer unsere Entscheidung ausfallen möge – mit Sicherheit darauf rechnen, dass Deutschland als Bundesgenosse und Freund der Monarchie hinter ihr stehe“. Der Botschafter berichtete weiter nach Wien, er habe im weiteren Verlauf der Unterredung festgestellt, dass der Reichskanzler, genauso wie Wilhelm II., „ein sofortiges Einschreiten unsererseits gegen Serbien als radikalste und beste Lösung unserer Schwierigkeiten am Balkan ansieht. Vom internationalen Standpunkt hält er den jetzigen Augenblick für günstiger als einen späteren“.

Das war der vielzitierte „Blankoscheck“, die bedingungslose deutsche Rückendeckung, verbunden mit dem deutschen Drängen zum sofortigen Krieg gegen Serbien. Dies hinterließ in Wien eine tiefe Wirkung. Erst jetzt entschied sich Berchtold für ein energisches Vorgehen gegen Serbien. Und auch der Chef des Generalstabes, Conrad von Hötzendorf, sah nun, wie er später schrieb, „den Moment zur Lösung der serbischen Frage“ gekommen.

3. Wer war schuld am Ersten Weltkrieg? (1)


„Ein Krieg aller gegen alle wird entbrennen, wie ihn die Welt noch nicht erlebt hat.“

Mit Berlins „Blankoscheck“ im Rücken arbeitete Wien mit aller Konsequenz auf den Krieg gegen Serbien hin. Belgrad sollte mit einem unerfüllbaren Ultimatum konfrontiert werden. Am 23. Juli, Donnerstag, wurde es überreicht. Der serbischen Regierung wurde eine Frist von 48 Stunden gelassen: Antwort bis Sonnabend, 25. Juli, 18:00 Uhr. Die serbische Regierung sollte auf der ersten Seite ihres offiziellen Organs u. a. erklären, dass sie die „gegen Österreich-Ungarn gerichtete Propaganda (verur teilt), das heißt die Gesamtheit jener Bestrebungen, deren letztes Ziel es ist, von der österreichisch-ungarischen Monarchie Gebiete loszutrennen, die ihr...

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