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E-Book

Windelwahnsinn

Eine junge Mutter packt aus

AutorSarah Turner
VerlagGoldmann
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl352 Seiten
ISBN9783641184599
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,99 EUR
Friede, Freude, Pustekuchen! Ist das Baby erst mal da, ist längst nicht alles rosarot und himmelblau. Sarah Turner schreibt offen und ehrlich über das Mutterdasein: den ungeschönten, chaotischen, nervenaufreibenden und zum Schreien komischen Alltag. Was sie von der Geburt über nächtliches Stillen bis Toilettentraining und Trotzanfällen erlebt, wird allen Müttern aus der Seele sprechen und sie zum Lachen bringen. Eine wunderbar direkte, äußerst witzige und sehr tröstliche Sammlung von Episoden aus dem Mutteralltag.

Sarah Turner lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Söhnen in Devon. Da sie sich in keinem Mütter-Blog wiederfand, begann sie kurzerhand damit, ihren eigenen Blog zu schreiben. Glaubte man den Erzählungen der anderen frischgebackenen Mütter, war das alles ein Kinderspiel. Doch wo waren die Geschichten der übermüdeten und überforderten Mütter? In ihrem Blog 'The Unmumsy Mum' lässt Sarah Turner nichts aus - auch nicht die ganz normalen Tiefpunkte des Mutterdaseins. Und damit spricht sie unglaublich vielen jungen Müttern aus der Seele.

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Leseprobe

Ich presse doch!

Die Geburt eines Kindes ist etwas Faszinierendes. Obwohl ich diesbezüglich leicht traumatisiert war, seit ich vor sechzehn Jahren in der Kultserie »Coronation Street« miterlebt hatte, wie Sarah-Lou ein Baby gebar, wurde ich zu einem Riesenfan der Kreißsaal-Doku-Serie »One Born Every Minute« und freute mich riesig darauf, bald von der Geburt meines eigenen Kindes berichten zu können. (Aber natürlich auch darauf, mich endlich von meinem Putzfimmel, der Morgenübelkeit und dem Eiswürfelknabbern verabschieden zu dürfen.)

Die Geburt ist ein tolles Übergangsritual in das Leben als Mutter. Egal, ob das Kind durch die Bauchdecke oder den von der Natur dafür vorgesehenen Kanal rauskommt – die Geburt ist die Eintrittskarte in den Klub der Wissenden. Ich konnte es kaum erwarten, mir den nur für andere Wissende sichtbaren »Ich habe ein Kind geboren!«-Orden anheften zu können. Ich würde ihn stolz bei Krabbelgruppen tragen, wo ich würdevoll anderen Müttern zunicken würde, die ebenfalls kleine (oder auch nicht so kleine) menschliche Wesen auf die Welt gebracht hatten.

Heute kann ich sogar von zwei Geburten erzählen, und wenn man mich fragt, »Wie war’s?«, oder »War es wirklich so schlimm?«, lautet meine ehrliche Antwort: »Kommt ganz darauf an – je nachdem, welche Geburt du meinst.« Im Grunde können meine Kinder unmöglich von derselben Frau geboren worden sein.

Hätte ich dieses Kapitel direkt nach Henrys Geburt geschrieben, wäre es sehr positiv ausgefallen. Hätte ich es direkt nach Judes Geburt verfasst, wäre es vor allem sehr kurz geworden (vermutlich hätte es lediglich aus den Wörtern »Ach du Scheiße!« bestanden). Was mich in eine heikle Lage bringt: Was soll ich in diesem Kapitel schreiben, wo ich mir doch nicht mal selbst darüber im Klaren bin?

Deshalb habe ich beschlossen, die beiden Geburten einfach so zu schildern, wie ich sie in Erinnerung habe, und zwar völlig ungeschönt. Achtung, es geht los!

Henrys Geburt

Am 13. Februar, dem errechneten Geburtstermin, herrschte erst mal falscher Alarm. So richtig begannen die Wehen am Valentinstag, und das zunächst noch recht gemütlich. Während James meine Kontraktionen mit der Wehen-Timer-App auf seinem iPhone überwachte, wippte ich auf meinem Gymnastikball auf und ab und zog mir das Frühstücksfernsehen rein. Dabei diskutierten wir immer wieder, ob die Krankenhaustasche vollständig war, die ich x-mal aus- und wieder eingepackt hatte, auch, weil ich irgendwo im Internet gelesen hatte, dass man zwei Packungen Wochenflussbinden mitnehmen sollte, und das konnte doch unmöglich stimmen, oder? Dann ging der Schleimpfropf ab – das klingt und ist ziemlich eklig, und James war nicht sehr begeistert, als ich ihn zwang, das Ding anzuschauen. Schließlich platzte die Fruchtblase. Bis dahin lief eigentlich alles noch ziemlich glatt.

Doch auf einmal musste ich mich heftig übergeben. James versuchte, unser neues Sofa in Sicherheit zu bringen, während ich ihn mit meinen Blicken schier erdolchte, weil er sich Sorgen über unseren Sofabezug machte, während ich kurz davorstand, ein dreieinhalb Kilo schweres Baby aus meinem Allerheiligsten zu pressen. Dass das, was aus dem Allerheiligsten gerade herausfloss, farblich irgendwie seltsam aussah, trug auch nicht gerade dazu bei, die Lage zu entspannen.

»Oh Gott, ich glaube, das Baby hat ins Fruchtwasser gekackt – haben die bei der Geburtsvorbereitung nicht so etwas erwähnt?!«

Kein Wunder also, dass wir fast direkt nach Betreten des Geburtshauses (das wir sorgfältig ausgewählt hatten, um eine harmonische natürliche Geburt in heimeliger Umgebung zu erleben), sofort ans Krankenhaus weiterverwiesen wurden.

Das Baby hatte nämlich nicht nur eine Stinkbombe in meinem Uterus platzen lassen, nein, auch mein Blutdruck spielte verrückt. Nach der ersten Untersuchung im Krankenhaus stand fest, dass ich an Präeklampsie litt.

Scheiße!

Präeklampsie ist eine ernste Komplikation, was auch erklärte, warum sich auf einmal zig wichtige Leute um mich scharten und besorgt die Stirn runzelten. Doch abgesehen von den Wehen, die inzwischen so heftig waren, dass ich mit James nicht mehr gemütlich über die Snacks plaudern konnte, die in seiner (!) Krankenhaustasche steckten, ging es mir eigentlich ganz gut. Ich fand die Situation erträglicher als gedacht. Nach mehreren dank einer PDA herrlich schmerzfreien Stunden wurde ich plötzlich von dem höchst unangenehmen Gefühl übermannt, eine Kanonenkugel kacken zu müssen. Und so kam Baby Henry auf natürlichem Weg und ohne viel Tamtam zur Welt. Die Geburt wäre ein Musterbeispiel für die oben erwähnte Doku-Serie gewesen.

»Du hast das wunderbar gemacht, mein Schatz!«, lobte mich James. Womit er tatsächlich recht hatte. Ich hatte es geschafft, keinen Scheiß zu bauen (und zwar nicht nur im übertragenen Sinne!), sodass ich anschließend jedem, der es hören wollte, erzählte: »Eigentlich war es gar nicht so schlimm …«

Judes Geburt

Zwei Jahre und sieben Monate später lag ich erneut in den Wehen … und drehte total durch. Hätte ich für das erste Mal eine Tapferkeitsmedaille bekommen, hätte man sie mir beim zweiten Mal gleich wieder aberkannt. Ich war noch tausendmal schlimmer als die schlimmste Gebärende, die ich jemals in meiner Lieblings-Doku-Serie gesehen hatte. Ich weiß noch, wie ich damals gemütlich mit einer Tasse Tee und fünf Cremeschnittchen vor dem Fernseher saß und dachte: »Meine Güte, gute Frau, jetzt reiß dich doch endlich mal zusammen!«

Es fällt mir schwer, den Moment zu benennen, ab dem alles aus dem Ruder lief, denn im Gegensatz zur ersten Geburt war mit mir medizinisch gesehen eigentlich alles in bester Ordnung. Alle im Krankenhaus machten einen sehr gelassenen Eindruck. Bis auf meine Wenigkeit.

Ich hatte mich seelisch einfach nicht auf eine schwierige Geburt vorbereitet, sondern mich voll und ganz auf den Mythos verlassen, dass es beim zweiten Mal deutlich einfacher ist. Ich zweifelte keine Sekunde daran, dass ich die Sache perfekt meistern würde – was im Nachhinein betrachtet ein Riesenfehler war. In Wahrheit sollte Judes Geburt fast doppelt so lange dauern wie Henrys und deutlich schmerzhafter sein. Die tiefenentspannte Frau von der ersten Geburt ließ sich bei der zweiten nicht blicken; stattdessen schickte sie ihre hysterische Zwillingsschwester.

James sagte hinterher nur: »Du bist völlig ausgeflippt. So etwas habe ich noch nie erlebt.« (Was sein überschwängliches Lob nach Henrys Geburt etwas überschattete.)

Ich war die ganze Zeit über entweder völlig hysterisch oder total apathisch. Ich sprang ins Becken für die Wassergeburt, rechnete damit, friedlich dahindümpelnd ein paar Wehen zu haben, aber es dauerte keine Stunde, und ich hievte mich schon wieder wenig elegant an Land und verlangte nach etwas, das gefälligst funktioniert! Als James es wagte vorzuschlagen, ich solle doch noch etwas länger im Becken bleiben, fuhr ich ihn an, dass ich mehr bräuchte als ein verdammtes Planschbecken.

Ich inhalierte reinen Sauerstoff, bis mir schwindlig wurde und spuckte dann beleidigt das Mundstück aus. Ich wollte eine PDA. Was man mir ausredete. Meine heißgeliebte (und bestgehasste) Hebamme (ich glaube, sie hieß Trish, nennen wir sie Trish) versprach uns, dass das Baby bestimmt in den nächsten zwei Stunden kommen würde. Die PDA würde das nur verzögern und deshalb einen verlängerten Krankenhausaufenthalt nach sich ziehen. James pflichtete ihr bei – bestimmt war ich bloß gerade völlig erschöpft, und unser Junge würde im Nu da sein.

Ich bekam Diamorphin. Nach zwei Dosierungen wurde ich so schläfrig, dass ich gar nicht mehr reagierte. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich seit vierundzwanzig Stunden nicht geschlafen und war dermaßen erschöpft, dass ich im Sitzen zwischen den Wehen wegnickte und ansonsten stöhnte wie ein verwundetes Tier. Irgendwann, so James, hätte ich mich geweigert, überhaupt noch zu kommunizieren, sondern hätte mich nur noch auf dem Bett vor- und zurückgewiegt – aber nicht, ohne ihn und die arme Trish zwischenzeitlich anzubrüllen. Zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass ich ernsthaft befürchtete, an den Schmerzen zu krepieren. Ich weiß noch, dass ich den Tod als Erlösung empfunden hätte. Sprich, ich war mehr als nur irrational. Die Wehen ließen nach, weil mein Blutzuckerspiegel sank, ich brauchte also ein süßes Getränk. Doch ich lehnte das süße Getränk ab.

Der unrühmliche Höhepunkt meiner Geburts-Performance kam jedoch, als ich in den sinnlosesten Streik meines Lebens trat: Obwohl der Muttermund schon zehn Zentimeter geöffnet war, weigerte ich mich zu pressen.

»Ich will eine PDA!«, jammerte ich immer wieder, was man jedoch geflissentlich überhörte. Dieser Zug war bereits vor fünf Zentimetern abgefahren.

»Ich will einen Kaiserschnitt!«

»Ich will nur noch sterben!«

Ja, genau.

So langsam begann man, sich Sorgen zu machen. Trish redete ein ernstes Wörtchen mit mir. James zufolge gab ich wohl bloß vor zu pressen und murmelte: »Ich presse doch!«, obwohl ich mich nicht im Geringsten bemühte, irgendetwas durch den Geburtskanal zu schieben. Irgendwann muss ich aber dann doch noch Ernst gemacht haben, denn nach drei Stunden und dem schon vertrauten Gefühl, eine Riesenkanonenkugel zu scheißen, kam endlich Jude zur Welt.

Was für eine Riesenerleichterung!

Ich weiß noch, wie ich ihn in den Armen wiegte und dachte: Wie niedlich rosa er doch aussieht – genau so, wie es sein soll! (Die Weigerung seiner Mutter, ihm...

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