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E-Book

Da kommt noch was - Not dead yet

Die Autobiographie

AutorPhil Collins
VerlagHeyne
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl528 Seiten
ISBN9783641198350
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
'Richtig guter Stoff' - Gala
Nur drei Musiker weltweit haben als Solokünstler und mit ihrer Band jeweils über 100 Millionen Tonträger verkauft - Phil Collins ist einer von ihnen. »Another Day in Paradise«, »You Can't Hurry Love«, »One More Night«, »Sussudio« - große Songs mit großen Geschichten. Mit »In the Air Tonight« etwa hat der Ausnahmemusiker das Ende einer seiner drei Ehen in einen zeitlosen Hit verwandelt. Überhaupt - dieses Leben! Phil Collins erzählt rückhaltlos alles: von einem Filmdreh mit den Beatles, von Sessions mit Eric Clapton, Tina Turner und Adele, von der großen Zeit mit Genesis und davon, wie er auf einer Tournee heiratet, um sich später via Fax wieder scheiden zu lassen - und Jahre darauf gänzlich im Alkohol zu ertrinken. Phänomenale Höhen wie bizarre Tiefen: In diesem Buch ruft jede Zeile: »Take a Look at Me Now!«

Phil Collins, 1951 in London geboren, ist Schlagzeuger, Sänger, Produzent und Schauspieler - vor allem aber einer der einflussreichsten Musiker der Popkultur. Sowohl mit der Rockband Genesis als auch als Solokünstler prägte er wie kein Zweiter die Musik der Achtziger- und Neunzigerjahre: Über 280 Millionen verkaufte Tonträger sprechen für sich. Seit 2016 läuft nicht nur eine große Neuausgabe aller Studioalben, auch das Bühnen-Comeback steht für dieses Jahr fest.

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Leseprobe

1

Not Drowning But Waving

Oder: Meine Anfänge, meine Kindheit und wie das Verhältnis zu meinem Vater ins Wanken geriet

Wir denken, dass Mütter und Väter alles wissen. Aber in Wirklichkeit machen sie uns etwas vor. Tag für Tag wird improvisiert und aus dem Stegreif reagiert, dazu zeigt man ein freundliches – manchmal auch falsches – Lächeln. Meine ganze Kindheit über hatte ich diesen Verdacht, doch erst als Erwachsenem wurde er mir bestätigt, und das auch nur mit ein bisschen Hilfe von »der anderen Seite«.

An einem grauen Herbstabend des Jahres 1977 gehe ich zu einem Medium. Die Frau lebt im Stadtteil Victoria im Zentrum von London, einem weniger schönen Viertel hinter dem Buckingham Palace, in einer Wohnung hoch oben in einem Betonklotz. Nicht gerade ein Zigeunerwagen, aber ich nehme mal an, so ist sie dem Himmel näher.

Ich habe kein besonderes Faible für Geister – das kommt erst viel, viel später, und dann sind es eher geistige Getränke –, aber meine Frau Andy hat eine gewisse Vorliebe fürs Übersinnliche. Auch meine Mutter ist mit dem Ouija-Brett vertraut. In unserem Haus in einem Vorort am westlichen Stadtrand von London verbrachten meine Mutter, Oma und Auntie Daisy zusammen mit meinen »Onkels« Reg und Len (die gar nicht meine richtigen Onkels waren) Ende der Fünfziger-, Anfang der Sechzigerjahre so manchen fröhlichen Abend, wenn sie die lieben Verstorbenen aus dem Geisterreich riefen. Das war auf jeden Fall besser als das spärliche TV-Programm, das in Schwarz-Weiß auf dem neumodischen Fernsehgerät flimmerte.

Aber warum suchen Andy und ich Madame Arcati in ihrem Heim über den Wolken auf? Der Grund ist ein unartiger Hund. Ben, unser prächtiger Boxer, hat die schlechte Angewohnheit, einen Stapel Heizdecken unter dem Bett hervorzuzerren. Die Heizdecken haben wir, weil unsere Kinder Joely, fünf, und Simon, ein Jahr alt, vielleicht einmal ein bisschen Wärme brauchen – wenn erst die Zeiten kommen, wo sie nicht mehr ins Bett machen. Mir ist nicht klar, dass in zusammengelegten Heizdecken mehr stecken kann als kuschlige Bettwärme – die geknickten Heizdrähte können durchbrennen und ein Feuer verursachen. Vielleicht weiß Ben das. Doch Andy kommt zu dem Schluss, dass Bens abendliches Ritual auf etwas Übernatürliches hinweist. Unser Hund wird nicht unbedingt hellseherische Fähigkeiten haben, aber vielleicht verbirgt sich hinter seiner Marotte etwas, wovon wir Menschen keine Ahnung haben.

Ich bin damals völlig mit Genesis und unserer Tour beschäftigt – wir haben gerade das Album Wind & Wuthering veröffentlicht, und ich habe erst vor Kurzem die Rolle des Sängers von Peter Gabriel übernommen. Daher stehe ich als Ehemann und Vater nur selten zur Verfügung und fühle mich ständig in der Defensive, wenn es um häusliche oder familiäre Angelegenheiten geht. Also erhebe ich lieber keine Einwände gegen dieses unorthodoxe Unternehmen.

Und so machen wir uns auf den Weg und besuchen ein Medium. Durch die geschäftigen Straßen von Victoria, hinein in den Fahrstuhl des Wohnblocks, ein Klingeln an der Wohnungstür und ein bisschen Small Talk mit dem Ehemann, der sich gerade Coronation Street ansieht. Das alles wirkt nicht gerade spirituell. Endlich reißt er sich vom Fernseher los und nickt mir zu: »Sie empfängt Sie jetzt …«

Eine gewöhnlich aussehende Hausfrau hockt hinter einem kleinen Tisch. Keinerlei Anzeichen übersinnlicher Gaben. Tatsächlich wirkt sie völlig normal, irgendwie sachlich. Das bringt mich völlig aus dem Konzept und enttäuscht mich auch irgendwie. Zu meiner Skepsis gesellt sich nun Verwirrung, gepaart mit einem Hauch von Verdruss.

Laut Andys I-Ging-Lektüre sind es die Geister auf meiner Seite der Familie, die den armen Hund beunruhigen, daher liegt es nun an mir, mich dem Übernatürlichen zu stellen. Mit zusammengebissenen Zähnen erzähle ich dem Medium von Bens nächtlichen Mätzchen. Die Dame nickt ernst, schließt die Augen, legt eine bedeutungsvolle Pause ein und antwortet schließlich: »Es ist Ihr Vater.«

»Wie bitte?«

»Ja, Ihr Vater, und er möchte, dass Sie ein paar Sachen von ihm bekommen: seine Uhr, seine Brieftasche, den Cricket-Schläger der Familie. Möchten Sie, dass ich seinen Geist bitte, durch mich zu sprechen? Dann können Sie seine Stimme hören. Aber manchmal wollen die Geister nicht mehr gehen, das kann dann ein bisschen lästig werden.«

Ich stottere ein Nein. Die Kommunikation mit meinem Vater war schon schwierig genug, als er noch lebte. Jetzt mit ihm zu reden, fünf Jahre nach seinem Tod an Weihnachten 1972, noch dazu mithilfe einer Hausfrau mittleren Alters als Medium, in einem befremdlich biederen, banalen häuslichen Umfeld in einem Wohnblock mitten in London, wäre einfach zu seltsam.

»Tja, er sagt, Sie sollen Ihrer Mutter Blumen bringen und ihr ausrichten, dass es ihm leid tut.«

Als ziemlich rationaler 26-Jähriger, der es bodenständig und reglementiert liebt – schließlich bin ich Schlagzeuger –, hätte ich das Ganze einfach als Bauernfängerei mit ein bisschen Hokuspokus abtun sollen. Aber ich muss zugeben, dass ein Hund, der jeden Abend elektrische Heizdecken unter einem Bett hervorzerrt, nicht unbedingt von dieser Welt ist. Noch dazu hat Madame Arcati Sachen über meinen Dad gesagt, die sie eigentlich nicht wissen konnte, ganz zu schweigen von dem Cricket-Schläger. Der Schläger ist schon solange ich denken kann fester Bestandteil der dürftigen Sportausrüstung des Collins-Clans. Abgesehen von den Familienmitgliedern kann das niemand wissen. Ich würde nicht sagen, dass mich Madame Arcati überzeugt hat, aber ich bin fasziniert. Andy und ich verlassen das Vorzimmer des Jenseits und kehren zurück in die reale Welt. Wieder mit festem Boden unter den Füßen erstatte ich ihr Bericht. Sie antwortet mit einem Blick, den man im Diesseits wie im Jenseits versteht: »Ich hab’s dir doch gleich gesagt.«

Am nächsten Tag rufe ich meine Mum an und berichte ihr von den Ereignissen des Vorabends. Sie pflegt einen unbekümmerten Spiritualismus und ist nicht überrascht, weder von der Botschaft noch von dem Medium.

»Ich wette, er will mir Blumen schicken«, sagt sie mit einer Mischung aus Lachen und missbilligendem Knurren.

Und dann erzählt sie mir alles: Mein Dad, Greville Philip Austin Collins, war meiner Mum, June Winifred Collins (geb. Strange) kein treuer Ehemann. Mit neunzehn begann für ihn der Ernst des Lebens, er ging zu einer Versicherung und arbeitete, wie schon sein Vater, sein Leben lang als Angestellter bei der London Assurance Company in der City of London. Täglich pendelte er mit einem Bowler auf dem Kopf von unserem Vorort ins Stadtzentrum zu seinem Bürojob. Dieses Pendlerdasein nutzte »Grev« dazu, ein Doppelleben mit einer Freundin aus dem Büro zu führen.

Dabei war Dad nicht gerade ein Frauenschwarm oder Herzensbrecher. Er war ein bisschen füllig um die Hüften, und sein Royal-Air-Force-Schnauzbart war wohl als Ausgleich zu seinem schütteren Haupthaar gedacht. Ich komme natürlich ganz eindeutig nach meiner Mutter …

Doch hinter der Fassade des braven Versicherungsangestellten lauerte wohl doch eine Art Don Juan. Mum erzählt mir von einem Vorfall: Alma Cole war eine liebe Kollegin aus dem Spielwarenladen, den Mum für eine befreundete Familie führte. Alma stammte aus Nordengland und hatte bei allem, was sie sagte, einen verschwörerischen Tonfall.

Sie und meine Mum waren eng befreundet, doch eines Tages schnaubte Alma etwas angesäuert: »Ich habe dich und Grev am Samstag im Auto gesehen, und du hast mir nicht zurückgewunken.«

»Ich war am Samstag nicht mit ihm im Auto unterwegs!« Die Beifahrerin war offenkundig Dads Freundin, die er zu einer romantischen Spritztour in unserem schwarzen Austin A35 ausgeführt hatte.

Jetzt, fünf Jahre nach Dads Tod, finde ich es zwar wunderbar, dass sich meine Mutter mir so anvertraut, doch ihre Enthüllungen machen mich auch traurig und wütend. Ich weiß jetzt, dass sich die Ehe meiner Eltern nicht abrupt auflöste, sondern sich totlief, was wohl größtenteils daran lag, dass mein Dad, sagen wir, nicht nur mit den Gedanken woanders war. Seine Untreue war für mich wirklich neu.

Aber wie sollte sie das auch nicht sein? Ich war noch sehr klein, und für mich waren meine Eltern glücklich und zufrieden. Das Leben daheim wirkte ganz normal und ging seinen ruhigen Gang. Geradeheraus und einfach. In meiner Vorstellung waren meine Eltern ihr ganzes Eheleben lang glücklich verliebt.

Aber ich bin nun einmal der Jüngste in der Familie, das Baby, fast sieben Jahre jünger als meine Schwester Carole und neun Jahre jünger als mein Bruder Clive. Bestimmte erwachsene Aspekte des Familienlebens gingen schlicht an mir vorbei. Als ich nun an jenem Abend des Jahres 1977 die Fakten durchgehe, erahne ich im Rückblick eine Art Unruhe im Haus, was mir als Kind jedoch völlig entging. Andererseits könnte man sagen, ich hatte es im Urin: Ich war nämlich peinlich lange ein Bettnässer.

Als ich später Clive die welterschütternde Nachricht mitteile, kommt er ohne Umschweife zur Sache: All diese plötzlichen langen Spaziergänge, die meine Geschwister mit mir unternahmen? Das ausgedehnte, ziellose Umherstreunen zwischen den Fertighäusern auf der Hounslow Heath mit meiner Schwester und meinem Bruder? Das entspricht nicht gerade der Norm einer einfachen, fröhlichen englischen Vorstadtkindheit Ende der Fünfziger-, Anfang der Sechzigerjahre. Tatsächlich war ich unwissentlich daran beteiligt, die Risse zu übertünchen.

Dass mein Vater mit seinem...

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