ZWEITER AKT:
BRUNO MATTEI´S IRRENANSTALT DER LEBENDEN TOTEN
Wie kaum ein Anderer bildete Vielfilmer und Trash-Papst Bruno Mattei bezüglich der italienischen Zombiewelle den genauen Gegenpol zu Lucio Fulci´s Schaffen.
War Fulci im Kern ein ambitionierter Künstler, der eher durch Zufall an die Regie von „Woodoo – Schreckensinsel der Zombies“ geriet, so ließe sich Bruno Mattei am einfachsten als erfolgsorientierter Trittbrettfahrer und hauptberuflicher Stümper vom Dienst bezeichnen, der seine Beiträge zum Genre des schnellen Rubels willen ablieferte.
Und doch ist Bruno Mattei nicht weniger wichtig für die Geschichte des italienischen Zombiefilms, gar der ganzen Filmindustrie.
Verkörperte er doch wie kaum ein anderer die im puren Wahnsinn mündende Findigkeit, unverhohlene Dreistigkeit und Schamlosigkeit dieser herrlich verrückten Ära.
Schauen wir doch mal, warum das so ist.
VIRUS
DIE HÖLLE DER LEBENDEN TOTEN
(1980)
Originaltitel: „Virus“
AKA: „Hell of the living Dead“, „Apocalipsis Canibal“, „Zombie 4“, „Zombie 5: Ultimate Nightmare“, “Virus Cannibale”, “Zombie Creeping Flesh”
Irgendwo, Ecke Afrika, Neu Guinea, forscht der skrupellose Hope-Konzern auf einer Insel in einer industriellen Anlage an Chemie-Zeugs, radioaktiver Strahlung und blinkenden Elektro-Anlagen.
Dort, im sensibelsten Bereich der Anlage, stolpern zwei Angestellte über eine tote Ratte, die kurz darauf nicht nur allzu schnell zur alten Agilität zurück findet, sondern sogleich auch einen der Männer weg knabbert.
Zudem hat sich der Schädling offenbar auch an einer Gas-Leitung verköstigt, weshalb sich ein giftiger Nebel im Werk ausbreitet, der unter der Belegschaft grüne Gesichtsfarbe, steifen Gang, grimmige Grimassen und Appetit auf Menschenfleisch hervorruft.
Ein paar Kilometer weiter: Ebenfalls somewere in africa, haben ungewaschene ÖKO-Terroristen die amerikanische Botschaft mit Maschinengewehren besetzt und Geiseln genommen.
Ihre Forderung: Der Hope-Konzern soll seine fürchterlichen Machenschaften aufdecken!
Klar, dass das nicht passieren wird. Schon gar nicht, weil die immer für einen kleine Kalauer aufgelegten Helden einer vierköpfigen Sondereinheit für Ordnung sorgen und die zornigen Langhaarträger ruck-zuck ins Jenseits befördern. (Einige sogar, nachdem diese schon entwaffnet worden waren) Als Dankeschön gibt’s für die rabiate und immer in blaue Overalls gehüllte Truppe sofort einen Sondereinsatz im Dschungel: Sie sollen mal nachschauen, was im eben erwähnten Hope-Werk los ist, zu dem der Kontakt inzwischen abgebrochen ist.
Kaum im schwül-grünen Dickicht auf einem Buschmann-Freiluft-Friedhof abgesetzt, treffen die heldenhaften Männer in einer verlassenen Mission auf die sexy Franzmann-Reporterin Lia, ihren Pornobalken tragenden Fotografen und eine kleine Familie (die, dank infiziertem Chucky-Sohnemann und einem Gammel-Priester mit Blackface und gebleichter Kauleiste, allerdings kurz darauf schon wieder Geschichte ist) und werden von Untoten mit Afro´s angegriffen (oder zumindest belästigt).
Zusammen mit der heißen Berichterstatterin und ihrem Foto-Spezi, geht’s auf eine wilde Odyssee durch den kontaminierten Busch, während der afrikanische Kontinent im Chaos versinkt…
Noch bevor die Macher von The Asylum auch nur als Spermien durch den Sack ihrer Väter schwammen, verstanden sich gerade italienische Filmschaffende meisterlich darin, erfolgreiche Konzepte des US-amerikanischen Kinos zu adaptieren, oder auch einfach nur zu kopieren.
Dabei besaßen die landeseigenen Produktionen dann aber meist doch noch so viel Eigenständigkeit, dass daraus gar eigene Sub-Genres entstanden wie etwa der Italo-Western oder eben der hier im Buch behandelte italienische Zombiefilm. Mit Bruno Mattei, (neben vielen anderen Pseudonymen) auch als Vincent Dawn bekannt, war das noch eine etwas andere Sache. Denn der Bruno war Mr. Mockbuster schlechthin!
Ging der Schüler von Joe D´Amato doch (genauso wie sein Mentor) ohne jeden Funken von Kunstanspruch an die Arbeit, sondern verfolgte bei jedem seiner Projekte rein finanzielle Beweggründe, konnte auch mit ´nem schmalen Geldbeutel einen Film zurecht zimmern und fand dann schließlich im dreisten Kopieren erfolgreicher US-Vorbilder seine ganz eigene kleine Nische.
So entstanden unter der nicht-so-perfektionistischen Fuchtel des Mannes, so episch unverfrorene Rip-Offs wie etwa der in Italien als „Terminator 2“ vermarktete „Contaminator – Die Mordmaschine aus der Zukunft“, bei welchem allerdings tatsächlich ein Großteil des „Aliens“-Drehbuchs (1:1!) neu verfilmt wurde, oder die Predator-Kopie „Roboman“, oder „The Beast – Unheimliche Tiefe“, der auch schon als „Jaws 5“ vermarktet wurde, tatsächlich aber unverhohlen einiges an Szenen und Handlung aus dem ersten „Weißen Hai“ kopierte.
Hier nun durfte er im Zuge des Erfolgs von „Zombie - Dawn of the Dead“ und Lucio Fulcis „Woodoo – Schreckensinsel der Zombies“ für die Spanier von „Films Dara“ und das italienische „Beatrice Film“, die für preisgünstige Produktionen bekannt und berüchtigt waren und auf der erträglichen Zombie-Welle mitschwimmen wollten, sein erstes Zombie-Epos fabrizieren, welches sich (für möglich schmales Geld, versteht sich) an eben erwähnten Vorbildern orientieren sollte.
Damit das aber funktionieren konnte, musste die ursprüngliche und deutlich aufwändigere Vision des Produzenten José María Cunillés (bzw. das Original-Skript, in dem es Schiffe voller Toter und eine Leichen-Zerkleinerungs-Anlage gab) von Claudio Fragasso und seiner Frau Rossella Drudi ordentlich bearbeitet (genauer gesagt: zurecht gestutzt) werden.
Das ändert freilich nichts daran, dass der Film in Afrika spielen sollte und mit dem marginalen Budget natürlich keine Drehs an Original-Schauplätzen möglich waren, weshalb ein Großteil von „Hölle der lebenden Toten“ in vier Wochen in Spanien, unweit von Barcelona, entstand.
Nach dem Dreh, zurück in Rom, musste Mattei dann allerdings feststellen, dass die Aufnahmen unzureichend und teilweise nicht zu gebrauchen waren. Um dem Film einen exotischeren Look zu verpassen, also um den Zuschauer ein afrikanisches Setting vorzugaukeln, griff Mattei dann auf Szenen aus dem französischen Film “La Vallèe” zurück und überzeugte die Produzenten zu Nachdrehs, weshalb zu den Szenen passende Sets (Teile des Eingeborenen-Dorfs) gebaut wurden. Es sollte bei Weitem nicht der einzige Einsatz von Stock Footage im Film sein.
Außerdem durfte Claudio Fragasso in der Zwischenzeit noch zusätzliche Effekt-Szenen inszenieren, um den Goregehalt zu erhöhen. Darunter die Kopfschüsse der Dorfeinwohner vor schwarzem Hintergrund und die berühmte Endszene mit der Faust im Mund.
Was letztlich bei all dem Durcheinander heraus gekommen ist, wird von Kritikern und Fans als einer der schlechtesten Zombie-Filme aller Zeiten gehandelt.
Allerdings, wie es bei einem Mattei-Film nicht unüblich ist, trägt er auch das Prädikat “So schlecht, dass er schon wieder gut ist.”
Und tatsächlich kann man “Hölle der lebenden Toten” gut und gerne als den “Angriff der Killertomaten” unter den Italo-Zombies bezeichnen.
Sei es die Story, das Drehbuch, die Cinematografie, der Schnitt oder die Schauspieler…
Durch den Film zieht sich eine Schneise des unverhohlenen Dilettantismus, die ihresgleichen sucht und gegen die jede Uwe-Boll-Produktion einen geradezu oscarreifen Eindruck macht.
So darf man sich als Zuschauer gar nicht erst groß den Kopf darüber zerbrechen, warum eine Spezialeinheit der Polizei in den afrikanischen Busch geschickt wird, um in einem geheimen Werk eines Konzerns (in welchem Geschäftsfeld „Hope“ überhaupt tätig ist, wird dabei nie groß erklärt) nach dem Rechten zu schauen oder warum die Spezies statt Tarnfarben auch in der Wildnis blaue Overalls tragen müssen (außer natürlich, um Assoziationen an die Polizei-Uniformen aus “Dawn of the Dead” zu wecken), oder warum man die bunte Truppe nicht gleich beim Hope-Werk abgesetzt hat.
Kurz und knapp: Geschichte und Handlung sind ganz grober Unfug, auch wenn zumindest die sozialkritisch gemeinte Auflösung, warum denn überhaupt ein Zombie-Kampfstoff entwickelt wurde, durchaus originell ist.
Auch originell sind so manche Dialog-Kreationen, die sich Fragasso (respektive die deutschen Übersetzer, die sich zu der Zeit noch hin und wieder erlaubten, eigene Witzchen in die deutsche Synchronisation zu schmuggeln) hat einfallen lassen und bei denen man oft nicht so recht weiß, ob man nun schreien, debil lachen, oder sich einfach nur die Bierflasche an den Kopf hauen soll.
Zudem hauen die „Helden“ auch so manchen Kalauer raus, der aus heutiger Sicht einem die Schamesröte ins Gesicht treibt.
“Papua-Neu-Guinea? Aber Chef, dort...