1 Soft Skills
1.1 Soft Skills vs. Hard Skills
Unsere Soft Skills sind wichtig. Das können wir immer öfter lesen und sei es nur als allgegenwärtige Teamfähigkeit in jeder Stellenanzeige. Doch was ist damit genau gemeint? Was sind Soft Skills? Darunter wird ein ganzes Sammelsurium von Einzelfähigkeiten verstanden. Eine genaue Begriffsklärung ist dabei kaum möglich, da sich z.B. aus verschiedenen Fachbereichen unterschiedliche Sichten ergeben. Für unseren beruflichen Kontext halten wir uns an die im Folgenden skizzierte Beschreibung [56].
Der Begriff Soft Skills bezeichnet die sogenannten weichen Fähigkeiten (Abb. 1.1). Damit ist meist die soziale Kompetenz einer Person gemeint. Im Gegensatz dazu stehen die Hard Skills, die durch unser spezielles Fachwissen definiert werden. Nur im Zusammenspiel von Hard und Soft Skills können wir unsere tatsächliche Leistungsfähigkeit erreichen.
Abbildung 1.1: Was sind eigentlich Soft Skills?
Da wir in der Softwareentwicklung typischerweise im Team entwickeln, kommt den diesbezüglichen Soft Skills besondere Bedeutung zu. Dies sind im Wesentlichen:1
Teamfähigkeit beschreibt die Handlungskompetenz, sich einer Gruppe anderer Menschen anzuschließen. Sie beschreibt die Fähigkeit, mit anderen gemeinsam sozial zu agieren und dabei seine Fertigkeiten bei der Bewältigung von Gruppenaufgaben optimal einzubringen.
Kooperationsfähigkeit beschreibt das Zusammenwirken unserer einzelnen Handlungen und schafft so den Rahmen für eine Zusammenarbeit Einzelner oder Gruppen. Dabei wird aus Teilen wie einzelnen Personen oder Gruppen ein neues, zielgerichtet agierendes System gebildet. Kooperationen sind dabei häufig zeitlich begrenzt.
Konfliktfähigkeit beschreibt die Fähigkeit, eine Auseinandersetzung aufzunehmen, konstruktiv zu bewältigen und wenn möglich bereits im Vorfeld zu vermeiden. Dies beinhaltet die Suche nach angemessenen, dauerhaft tragfähigen Lösungen. Als Grundlagen dafür dienen das Schaffen belastbarer Beziehungen sowie die Stärkung von Toleranz und Offenheit. Dazu ist es vor allen Dingen notwendig, keine Scheu vor Konflikten zu haben, um sie frühzeitig und aktiv angehen zu können.
Kommunikationsfähigkeit ist die Fähigkeit und Bereitschaft, konstruktiv, effektiv, effizient und bewusst zu kommunizieren.
Um unser Fachwissen in einer konkreten Projektsituation auch einsetzen zu können, benötigen wir eine ganze Reihe unterstützender Qualifikationen. Diese Fähigkeiten erschließen uns erst die Möglichkeit, unser Fachwissen nutzen zu können, und werden als Schlüsselqualifikationen bezeichnet (Abb. 1.2). Sie setzen sich aus drei Teilen zusammen: Methodenkompetenz, persönliche Kompetenz und soziale Kompetenz.
Methodenkompetenz bezeichnet unseren persönlichen Werkzeugkasten an Techniken und Fähigkeiten, die wir situativ an den jeweiligen Kontext angepasst abrufen und aktiv einsetzen können. Dazu gehören in unserem beruflichen Umfeld Techniken wie die Moderation von Besprechungen mit gleichzeitiger unterstützender Visualisierung wie auch das empfängerorientierte Präsentieren von Inhalten. Natürlich gehört auch unser eigenes Selbstmanagement bzw. Projektmanagement dazu mit Aspekten wie Zeitmanagement oder der Fähigkeit, Strategien zu entwickeln.
Abbildung 1.2: Unsere Schlüsselqualifikationen ermöglichen es uns, unser Fachwissen einzusetzen.
Persönliche Kompetenz bzw. Selbstkompetenz beschreibt unsere Qualitäten, die eigenen Fähigkeiten wie z.B. unsere Methodenkompetenzen gezielt und sinnvoll im beruflichen Kontext einsetzen zu können. Wir erkennen die Notwendigkeit, in bestimmten Situationen angemessen, individuell angepasst und effektiv bestimmte Fähigkeiten aus unserem Werkzeugkasten anzuwenden. Konkret gehören dazu universell einsetzbare Eigenschaften wie Flexibilität, Initiative, Intuition und Kreativität sowie im beruflichen Kontext geforderte Fähigkeiten wie Führung, Auftreten, Ausdrucksvermögen und unser persönliches Erscheinungsbild.
Soziale Kompetenz bildet den Oberbegriff für ein Sammelsurium unterschiedlicher Fähigkeiten, Einstellungen, Verhaltensweisen und Persönlichkeitsmerkmale, die für unsere Interaktionen mit anderen Personen erforderlich sind. Hier treffen wir auf Aspekte unserer inneren Haltung wie auch des sichtbaren Verhaltens. Für diesen Bereich spielt der situative Kontext die wesentliche Rolle, ob eine bestimmte Verhaltensweise als sozial kompetent wahrgenommen wird oder nicht. Verhaltensweisen hängen z.B. davon ab, ob wir gerade mit unserem Chef, einer Kollegin oder einem Kunden in Kontakt stehen.
Konkret sind hier Fähigkeiten anzusiedeln wie Einfühlungsvermögen, Kommunikationsfähigkeit oder unsere Integrationsfähigkeit. Dazu kommen Gruppenfähigkeiten wie Teamfähigkeit, Konflikt- oder Kritikfähigkeit.
1.2 Bewusstsein und Umwelt
Im Buch Soft Skills für Softwareentwickler [133] sind wir bereits auf die Stakeholder-Analyse eingegangen. Stakeholder sind Interessenhalter an unserem Projekt. Ein Ergebnis der Stakeholder-Analyse ist eine Tabelle, in der wir die Stakeholder in verschiedenen Rollenfunktionen, z.B. als Unterstützer oder Gegner, mit ihren konkreten Ansprechpartnern auflisten. Daraus kann dann z.B. eine Stakeholder-Map entwickelt werden, in der wir die Stakeholder gruppieren und deren Beziehung zueinander analysieren (Abb. 1.3).
Abbildung 1.3: Beispiel einer Stakeholder-Map aus [133]
Um mit der Tabelle im Projektverlauf sinnvoll arbeiten zu können, priorisieren wir die Stakeholder. Eine Möglichkeit dazu ist in der Prioritätsmatrix in Abbildung 1.4 dargestellt. Für die Wichtigkeit eines Stakeholders beantworten wir die Frage, welche Auswirkungen es für das Projekt haben wird, wenn wir keinen Kontakt mit dem Stakeholder haben. Dazu kann wie in dem Beispiel noch der Aufwand für den Kontakt einfließen. Letzteres ist vor allem bei räumlich verteilten Projekten besonders interessant.
Abbildung 1.4: Beispiel einer Stakeholder-Prioritätsmatrix
Und wozu das Ganze? Die Stakeholder-Analyse führt uns direkt zu unseren Gesprächspartnern, über die wir unsere notwendigen Informationen erhalten, die unsere Entscheidungs- und Priorisierungsprozesse beeinflussen oder bei denen wir die spätere Akzeptanz unserer Projektergebnisse sicherstellen.
Das Spannende an dieser direkten Zusammenarbeit mit so vielen verschiedenen Menschen ist, deren Unterschiedlichkeit zu erleben und damit angemessen umzugehen. Die Stakeholder-Map (Abb. 1.3) wird z.B. sehr unterschiedlich bewertet. Die Bandbreite geht von »Das kann man doch nicht machen!« bis zu »Genau das brauche ich!«. Wie kommt es zu dieser Individualität? Ein Aspekt dabei ist, dass wir unsere Umwelt unterschiedlich wahrnehmen und bewerten.
Unsere Wahrnehmungen und Interpretationen der Wahrnehmungen sind subjektiv (s. auch Abschnitt 2.1 ab Seite 21). Dies kann zu Missverständnissen und Irritationen und damit zu unterschiedlichen Bewertungen führen. Dazu kommen noch die individuellen Arten der Bewertungen selbst. Schauen wir uns diese Aspekte kurz in Anlehnung an die Analytische Psychologie nach C.G. Jung2 (1875 – 1961) genauer an. Dies mündet dann in einer einfachen, gut einsetzbaren Typologie, die uns dabei hilft, mit diesen Unterschieden angemessen umzugehen.
Die menschliche Psyche als Gesamtheit aller bewussten und unbewussten psychischen Vorgänge kann durch ein einfaches Modell beschrieben werden (Abb. 1.5). Das Bewusstsein und das Unbewusste teilen sich diesen Bereich. Unser Ich hat dabei Anteil an beiden Bereichen. Unser Bewusstsein und das Unbewusste ergänzen sich nicht nur, sondern sind auch in der Lage, wechselseitig einzelne Aspekte zu kompensieren [57].
Abbildung 1.5: Unsere Psyche besteht nach C.G. Jung vereinfacht aus zwei sich ergänzenden, doch in ihren Eigenschaften gegensätzlichen Sphären: Bewusstsein und Unbewusstes. An beiden hat unser Ich seinen Anteil. Die Trennlinie ist in beide Richtungen verschiebbar [57].
Die Grenze zwischen dem Bewusstsein und dem Unbewussten ist in beide Richtungen verschiebbar. Wir erleben das selbst immer wieder, wenn wir etwas Neues lernen, z.B. einen Bewegungsablauf im Sport. Zuerst müssen wir uns dem Neuen sehr bewusst nähern und alle einzelnen Aspekte ganz konzentriert durchführen. Dies lässt uns dann vielleicht die Bewegung, etwa einen speziellen Schlag beim Tennis, ganz passabel durchführen, doch können wir dabei unsere Aufmerksamkeit auf nichts anderes richten. Beim Sport führt das dazu, dass wir nicht mehr auf unseren Mit- bzw. Gegenspieler achten können und auf einmal ganz überrascht feststellen, dass dieser z.B. bereits ans Netz vorgelaufen ist.
Je mehr wir diese neue Bewegung üben, desto weniger bleibt sie neuartig und wird nach und nach automatisiert. Dabei wird unser Bewusstsein wieder frei für die Konzentration auf andere Reize wie eben die Position anderer Personen. Die Bewegung läuft in ihren einzelnen Facetten mehr und mehr unbewusst ab. Ähnlich schleifen sich auch andere Verhaltensweisen ein, wobei wir uns dieser nicht mehr bewusst sind.
Durch ein Feedback, wie in [133] beschrieben, können wir uns solcher Teile wieder bewusst werden. Dies...