Die englische Bezeichnung Base Erosion and Profit Shifting (BEPS) bezeichnet die geplante legale aber aggressive Verminderung steuerlicher Bemessungsgrundlagen und das grenzüberschreitende Verschieben von Gewinnen durch multinationale Konzerne. Dieser Begriff wurde durch die für Steuerfragen zuständige Task Force der OECD geprägt[1]. Die OECD veröffentlichte im Februar 2013 den Bericht „Adressing Base Erosion and Profit Shifting“ („BEPS-Report“). Dieser spricht im Wesentlichen das Problem der Gewinnverlagerung multinational tätiger Unternehmen (multinational enterprises = MNE) an, wurde von der OECD im Auftrag der G20-Staaten erstellt und diente der OECD in der Folge als Grundlage zur Erarbeitung von Maßnahmen, die legale, aber als aggressiv qualifizierte, Steuergestaltung von MNE einzudämmen. Der daraufhin erstellte Aktionsplan der OECD[2] wurde am 20. Juli 2013 in Moskau auch gebilligt und wird hier in einem separaten Kapitel (Kapitel 7) erläutert. Aus diesen sind Maßnahmen zur Eindämmung von BEPS entwickelt worden. Dieses aus 15 Berichten bestehende Maßnahmenpaket enthält neue oder verstärkte internationale Standards sowie konkrete Maßnahmen, die den Staaten helfen sollen BEPS entgegenzuwirken.
Im Verlauf dieser Darstellung wird auf Inhalt und Ergebnisse des BEPS-Reports eingegangen sowie im Anschluss auf die von der OECD beschlossenen Aktionspunkte.
Von der OECD wird die missbräuchliche Steuergestaltungsstrategie durch Google beispielhaft für BEPS genannt: Das Google-Mutterunternehmen mit Sitz in den USA überträgt Lizenzen zur Nutzung der Suchmaschine auf die Tochtergesellschaft auf den Bermudas (Steueroase). Google besitzt in Europa eine irische Tochter. Die Bermudas-Gesellschaft gewährt Lizenzen gegen Gebührenzahlungen an die irische Tochter, die besteuert werden könnten. Diese Besteuerung wird jedoch durch Zwischenschaltung einer Gesellschaft in den Niederlanden umgangen, da nun nicht mehr die Bermudas-Gesellschaft sondern die niederländische Tochter Lizenzen an die irische Tochtergesellschaft vergibt. Da in diesem Falle die Lizenzgebührenrichtlinie der EU angewandt wird, werden keine irischen Quellensteuern erhoben, sodass die Einkünfte aus Lizenzvergaben unversteuert auf die Bermudas gelangen[3].
Diesen „Trick“ gibt es in verschiedenen Variationen (Apple, Starbucks, FIAT) und wurde auch unter dem Namen „Double Irish with a Dutch Sandwich“ bekannt. Verallgemeinert funktioniert das ungefähr folgendermaßen: Eine Firma gründet zwei Töchter in Irland, die eine verwaltet Lizenzgebühren, der anderen Firma gehören die Lizenzen.
Nach irischem Steuerrecht werden Kapitalgesellschaften in Irland nur dann besteuert, wenn diese neben dem Handelsregistereintrag auch ihren Unternehmenssitz in Irland haben. Unter dieser Voraussetzung wird das erste irische Unternehmen als Eigentümer von Lizenzrechten für geistiges Eigentum mit Unternehmenssitz in einem Steuerparadies (wie bspw. den Kaimaninseln oder den Bermudas) gegründet. Das zweite, als Tochtergesellschaft gegründete irische Unternehmen, führt nun Lizenzzahlungen an die Muttergesellschaft ab und verbucht gleichzeitig alle unternehmensweit anfallenden Gewinne aus der Nutzung dieser Lizenzrechte. Die Verrechenbarkeit der Zahlungen mit den Gewinnen bei den Lizenznehmern führt zu niedrigeren Steuerzahlungen in den Ländern, in denen steuerpflichtige Gewinne vermieden werden sollen. Der in Irland resultierende Gewinn wird nach irischem Unternehmenssteuersatz von 12,5 % versteuert.
Da Irland mit den Niederlanden ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) hat, das Lizenzgebühren von Steuern in den Niederlanden ausnimmt, gehen die Gebühren für die Lizenzen von anderen an die Niederlande, von dort zurück nach Irland und dann auf die Bermudas – und am Ende fallen fast keine Steuern an.
Beispiel zur „Double Irish with a Dutch Sandwich“[4]:
Abbildung 1[5]: Double Irish with a Dutch Sandwich
1. Ein amerikanisches Unternehmen aus New York nimmt in Deutschland Geld ein.
Würde dadurch ein Gewinn erwirtschaftet, müsste dieser versteuert werden.
2. Ein Teil der Einnahmen wird von Deutschland als Lizenzgebühr an ein Tochterunternehmen in Irland gezahlt.
Der zu versteuernde Gewinn in Deutschland wird dadurch reduziert und der im Vergleich zu Deutschland günstigere irische Steuersatz würde anfallen.
3. Das irische Tochterunternehmen zahlt das Geld als Tantiemen[6] an ein weiteres Tochterunternehmen in den Niederlanden.
Der zu versteuernde Gewinn in Irland wird dadurch reduziert und durch eine zusätzliche Steuervergünstigung die irischen Steuerabgaben von 12,5 % reduziert.
4. Das niederländische Tochterunternehmen zahlt das Geld an ein zweites irisches Tochterunternehmen. Da es eine innereuropäische Transaktion ist, fallen dadurch keine Abzugssteuern an. Das zweite irische Tochter-Unternehmen zahlt keine Steuern, da es nur eine Niederlassung eines Unternehmens mit Hauptsitz auf den Bermudas ist.
Somit zahlt das Unternehmen weniger als 12,5 % Steuern. Sowohl in den Vereinigten Staaten, wo es seinen Hauptsitz hat, als auch in Deutschland, wo die Einnahmen erwirtschaftet wurden, müssten höhere Steuern gezahlt werden; in den Vereinigten Staaten im Bundesstaat New York wären 39,62 % und in Deutschland 29,83 % fällig.
Da die Industriestaaten solche Gestaltungsstrategien nicht mehr akzeptieren wollten, haben Sie im Rahmen des G20-Gipfels im mexikanischen Los Cabos im Juni 2012 die OECD zur Ausarbeitung eines Lösungsansatzes beauftragt[7]. Dieses führte schließlich zu dem eingangs erwähnten Aktionsplan und den hieraus erarbeiteten Maßnahmen.
Nationale Regelungen für internationale Besteuerung und auf internationaler Ebene vereinbarte Standards sind noch immer in einem wirtschaftlichen Umfeld verankert, welches durch ein niedriges Niveau an grenzüberschreitender wirtschaftlicher Integration gekennzeichnet ist. Dem steht das heutige Umfeld multinationaler Konzerne als globale Steuerzahler gegenüber. Das Umfeld dieser globalen Steuerzahler ist geprägt durch die zunehmende Bedeutung des geistigen Eigentums für die Wertschöpfung und eine ständige Weiterentwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien[8].
Die vor Aufkommen des BEPS-Themas bestehenden internationalen Steuerstandards haben nicht mit den Veränderungen in den globalen Geschäftspraktiken Schritt gehalten, insbesondere nicht in den Bereichen der immateriellen Werte und der Entwicklung der digitalen Wirtschaft. So ist es – bspw. durch Geschäfte über das Internet – möglich, mit Kunden in einem anderen Land in erheblichem Maße am Wirtschaftsleben des anderen Staates teilzunehmen, ohne in diesem oder einem anderen Land, welches Steuern auf die erwirtschafteten Einnahmen erheben würde, über eine steuerpflichtige Präsenz zu verfügen[9].
Da mittlerweile gebietsfremde Steuerpflichtige beträchtliche Gewinne aus Geschäftsbeziehungen mit Kunden in einem anderen Land erzielen können, ist es eher fraglich, ob die gegenwärtigen Regeln noch den Anforderungen genügen. Dieses umso mehr, als dass die grenzüberschreitende Integration der Unternehmen zunimmt, während die Steuerregeln häufig unkoordiniert bleiben. Außerdem haben sich zahlreiche formal legale Strukturen entwickelt, mit denen Asymmetrien zwischen den nationalen und internationalen Steuervorschriften ausgenutzt werden[10]. Schon vor der OECD-BEPS-Analysen gab es OECD-Analysen zu hybriden Gestaltungen[11], die zur Eliminierung steuerpflichtiger Einkünfte genutzt worden sind[12], aber auch Arbeiten, die sich mit der Aktualisierung der OECD-Verrechnungspreisrichtlinien bzgl. der immateriellen Werte und zur Vereinfachung ihrer Anwendung auseinandersetzen[13]. Es erfolgte nun inzwischen eine weitere Situationsbeschreibung mit Lösungsansätzen (2013) mit anschließender Ausarbeitung von Aktionsplänen, um dieser Problemstellung Herr zu werden.
Beim Zusammenspiel der nationalen Steuersysteme der verschiedenen Länder kann es zu Überschneidungen kommen, die zu Doppelbesteuerung führen können. Regelungen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zielen darauf ab, diese Überschneidungen zu beseitigen, um so Handelsverzerrungen und Hemmnisse für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu minimieren. Zugleich ergeben sich hieraus auch Gesetzeslücken, die Möglichkeiten eröffnen, um die Steuerzahllast auf erwirtschaftete Einnahmen zu eliminieren bzw. deutlich zu senken. Dieses erfolgt in einer Weise, die den Zielen der hierzu angewandten[14] nationalen Steuervorschriften und internationalen Standards zuwiderläuft.
Die OECD-Staaten vertreten die Auffassung, dass die Erosion der Steuerbasis eine Bedrohung für Steuereinkünfte, Steuersouveränität und...