Bildnachweis
Imagno (S. 13, 20, 38, 49, 73, 75, 84, 104, 106f., 130f.), Imagno/NB (S. 53, 133), Wildgansarchiv (S. 66f., 88, 92), Hofmobiliendepot (S. 77, 132, 136), Archiv Tötschinger/Hörbiger (S. 129, 135), Heeresgeschichtliches Museum (S. 133), Museum Carolino Augusteum (S. 134), HHStA (S. 141, 165, 170f., 173, 177, 183)
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© 2012 by Amalthea Signum Verlag, Wien
Alle Rechte vorbehalten
Schutzumschlaggestaltung: Kurt Hamtil, verlagsbüro wien
Umschlagfoto: © imagno
Herstellung: Franz Hanns
Gesetzt aus der 12/14,5 pt Adobe Garamond
ISBN 978-3-85002-777-9
eISBN 978-3-902862-36-5
Inhalt
Vorwort
Bürgerkinder
»Das harmonische Ebenmaß
aller körperlichen und geistigen Kräfte«
Pädagogik zur Jahrhundertwende
»Der edelsten Bestrebung geweiht«
Die Mutter
»Die Amme muß überhaupt gesund und blühend sein«
Die zweite Mutter
Bonne, Kinderfrau, Gouvernante
Das Erziehungspersonal
Die Offizierstöchter-Erziehungsanstalt
Eine Berufsausbildung
Die gefesselte Phantasie
Marie von Ebner-Eschenbach
Erziehung zu Höherem
Anton Wildgans
»Zur Förderung des Schönheits-,
Thätigkeits- und Ordnungssinnes«
Spielend lernen
Arbeiterkinder
»Zur Arbeitsamkeit anhalten«
Kinderarbeit im 19. Jahrhundert
»Wie gerne hätte ich viel gelernt«
Adelheid Popp
»… hatte ich den Instinkt, daß es etwas Unrechtes sei«
Kindesmissbrauch und Kinderprostitution
Kaiserliche Kindheit
»Ich liebe die Kaiserin,
aber ich fürchte sie sogar aus der Ferne«
Die Kinder Maria Theresias
»Spectacle müssen sein«
Kindheit im Herrscherhaus
»Tu felix Austria nube«
Kinder als Opfer der Heiratspolitik
Kinder als politische Problemfälle
Der Herzog von Reichstadt
Zum Kaiser dressiert
Erzherzog Franz Joseph
Kaltwassergüsse und Exerzieren
Kronprinz Rudolf
»Die Kinder sind seine größte Freude«
Kaiserliche Enkel
»Menschen unter Menschen«
Erzherzog Leopold Ferdinand
Anhang
Quellen, Literatur
Anmerkungen
Bildnachweis
Vorwort
Wir sollten vor allem erzogen werden, überall das Bestehende als das Vollkommene zu respektieren, die Meinung des Lehrers als unfehlbar, das Wort des Vaters als unwidersprechlich, die Einrichtungen des Staates als die absolut und in alle Ewigkeit gültigen.
Stefan Zweig beschrieb in seinen Erinnerungen »Die Welt von Gestern« klar die Ziele der Kindererziehung im 19. Jahrhundert.
Selbstzucht, Mäßigung, Bescheidenheit und absoluter Gehorsam waren die Tugenden, die es den Kindern zu vermitteln galt, um sie für ihre Rolle in der Gesellschaft vorzubereiten. Um dieses Ziel zu erreichen, war man bei den Mitteln nicht zimperlich und scheute auch vor körperlicher Züchtigung nicht zurück.
Selbst Kindsein bei Hof bedeutete keineswegs ein Leben im »Schlaraffenland«, sondern vielmehr einen von Geburt an exakt vorbestimmten Lebensweg und ab den frühesten Kindertagen die Vorbereitung auf ein diszipliniertes Erwachsenenleben voller Verpflichtungen. Die Eltern bestimmten dabei ausschließlich aus politisch-dynastischen Gründen über das Leben ihrer Kinder. Grund dafür war aber keineswegs mangelnde Liebe sondern vielmehr politische Notwendigkeit.
Doch nicht nur kaiserliche Kinder wurden von Kindesbeinen an auf Ihre künftige Rolle vorbereitet; Disziplin und Pflichterfüllung waren auch in bürgerlichen Kreisen die Grundlagen der Kindererziehung, die streng geschlechtsspezifisch ausgerichtet war. Dies bedeutete für die Knaben in erster Linie eine Vorbereitung auf ein erfolgreiches Berufsleben, für die Mädchen eine Vorbereitung auf ihre Pflichten als Ehefrau und Mutter. Bereits die Spiele und das Spielzeug wurden unter diesen pädagogischen Voraussetzungen gezielt eingesetzt. Knaben spielten mit Zinnsoldaten, Kaufmannsläden oder Kinderaltären und sollten ihren Mut und ihre Kraft bei körperlichen Ertüchtigungen üben. Mädchen hingegen sollten ihre Bereitschaft zur Unterordnung, ihre Sanftmut und Fürsorglichkeit mit Hilfe von Puppen und Puppenstuben und dem Umgang mit Nadel und Faden ausbilden.
Selbst Freizeit und unbeschwertes Spiel fanden unter den wachsamen Augen von Erziehern und Gouvernanten statt – kein Wunder, dass das freie unbeaufsichtigte Spiel der »Gassenkinder« bei manchem bürgerlichen Zögling neidvolle Sehnsucht auslöste.
Für die sich in den Gassen herumtreibenden Kinder der Arbeiterschicht bedeutete diese scheinbare Freiheit freilich Hunger und ein Leben in Elendsquartieren. Hier prägte wirtschaftliche Notwendigkeit das harte Leben der Kinder und bedeutete oft ab dem achten Lebensjahr einen zwölfstündigen Arbeitstag und die Vernachlässigung der Schulbildung.
Das vorliegende Buch geht der Frage nach, wie der Alltag der Kinder bei Hof, in der bürgerlichen Wohnstube sowie im Elendsquartier der Arbeiter tatsächlich aussah. Wer erzog diese Kinder, wer waren ihre Bezugspersonen und Vertrauten? Die Mütter und Väter, Erzieher und Gouvernanten, das Gesetz der Straße? Gab es trotz strenger Disziplin, ständiger Überwachung und Kinderarbeit dennoch Raum für unbeschwertes Spiel, Streiche und kindlichen Schabernack?
Kaiserliche Kindheit
Denkt man an Prinzen und Prinzessinnen, stellt man sich zumeist ein Leben in Luxus vor, ein Leben ohne Verpflichtungen in schönen Kleidern, mit jedem Spielzeug, das man sich wünscht und umgeben von Personal, das einem jeden Wunsch erfüllt. Doch hieß Kindheit am Wiener Hof tatsächlich ein Leben im »Schlaraffenland«? Mitnichten. Kaiserliche Kindheit bedeutete nicht nur, ein größtenteils vorbestimmtes Leben zu führen, sondern vor allem von Beginn an auf die künftige Rolle als Monarch oder Monarchin vorbereitet zu werden. Den Kindern wurde von Kindheit an vorgelebt, dass sie zu »Höherem« geboren seien und es ihre Pflicht sei, sich ihrem Schicksal demütig zu ergeben. Sie wurden bewusst von anderen Gesellschaftsschichten ferngehalten, um ihnen Erhabenheit und »natürliche Autorität« anzuerziehen. Um ihre isolierte Stellung als normal zu empfinden, wurde darauf geachtet, dass selbst der Umgang mit Eltern oder Geschwistern oder gar Personen ihres Hofstaates kein allzu vertrauter wurde. So wurden die Kinder direkt nach der Geburt von ihrer Mutter getrennt und kamen in die kaiserliche Kindskammer, wo sie von einer Amme gestillt und einer Kinderfrau, der »Aja« übergeben wurden, die die ersten Lebensjahre mit den Kindern verbrachte. Von der Wahl der Aja hing viel für die Kinder ab, denn sie waren völlig davon abhängig, ob die Aja ihnen »zufällig« zugetan war, da diese nicht auf Grund ihrer mütterlichen oder pädagogischen Fähigkeiten, sondern aufgrund ihrer Stellung bei Hof ausgewählt worden war. Ihnen oblag nicht nur die Pflege, sondern auch die Erziehung der Kinder in ihren ersten – prägenden – Lebensjahren. Der Bedeutung dieser ersten Jahre für die Entwicklung der Kinder war man sich jedoch nicht bewusst und so lauteten die wichtigsten Anweisungen für die Aja, die Kinder reinlich zu halten, nicht zu fest zu wickeln, nicht zu überfüttern, keine Kindersprache mit ihnen zu sprechen, keine Grimassen zu schneiden und sie nicht zu verhätscheln. Dennoch – die Aja war die wichtigste Bezugsperson in den ersten Lebensjahren und hatte natürlich auch wesentlichen Einfluss auf die Kinder. Doch die Aja durfte die Kinder nur in ihren ersten Jahren begleiten. Die erste große Zäsur erfolgte im Alter von etwa sechs Jahren, wenn die Kleinen ihre Kindskammer verlassen mussten und für sie der Ernst des Lebens begann. Während die Kinder in den ersten Jahren meistens noch eine gemeinsame Aja hatten, wurden sie ab dem siebenten Lebensjahr mehr oder weniger von den Geschwistern getrennt, ihrem Geschlecht entsprechend einem neuen Ajo oder einer neuen Aja übergeben und erhielten einen eigenen Hofstaat. Dieser Wechsel war vor allem für die Buben eine große Zäsur, da sie plötzlich nur noch von Männern – noch dazu meist pensionierten...