Heute herrscht im Grundsatz Einigkeit darüber, dass die Rechtsfortbildung zu den legitimen Aufgaben der Zivilrechtsprechung zählt. Der Paradigmenwechsel in der Theorie der Rechtsfindung hat indes keine Entsprechung in der Begründungspraxis. Zwar bilden die Zivilgerichte auf breiter Front das Gesetzesrecht fort. Hierzu bedienen sie sich aber regelmäßig überkommener Begründungsfiguren, welche den Eindruck vermitteln, die Gesetze würden lediglich ausgelegt und angewendet. Diese Topoi verdeckter Rechtsfortbildungen werden von Christian Fischer in einer Gesamtschau aus der Perspektive des Zivilprozessrechts und der juristischen Methodenlehre untersucht. Nach einer Analyse des Rechtsfortbildungsbegriffs belegt der Autor anhand der Rechtsprechungsgeschichte und der Rechtsprechungspraxis der obersten Zivilgerichte die ungebrochene praktische Bedeutung verdeckter Rechtsfortbildungen und zeigt mögliche Gründe auf. Er weist nach, dass das bislang nur mit ethischen oder tatsächlich-pragmatischen Erwägungen bewertete Phänomen eine rechtliche Problematik darstellt. Verdeckte Rechtsfortbildungen verstoßen gegen die Gesetzesbindung des Richters und gegen die zivilprozessgesetzlichen Begründungsvorschriften. Der Verfasser legt dar, dass insbesondere das zivilprozessuale Rechtsmittelrecht wirksame und abgestufte Möglichkeiten eröffnet, verdeckten Fortbildungen des Gesetzesrechts und den sie verschleiernden Topoi zu begegnen. In einem Topoikatalog werden gebräuchliche Topoi verdeckter Rechtsfortbildungen aufgelistet und die Stellen lokalisiert, über die sie in juristische Argumentationen einfließen. Die Untersuchung schließt mit Folgerungen für ein rationaleres Modell begründeten Entscheidens in der juristischen Praxis und Theorie.
ist Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Arbeitsrecht, Zivilprozessrecht und Rechtstheorie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.
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