- 2. Drittel -
Kapitel 08 Kein Waldsterben
Nach 10 Minuten überholt sie ein Motorradfahrer und schneidet sie so stark, dass Joe blitzschnell ausweichen und eine Böschung hinunter fahren muss. Salome-Grace ist ganz außer sich und erschrocken. Auch Joe hat kurzzeitig ernst geschaut, aber sogleich wieder ein Lächeln im Gesicht. „Sie können sich abschnallen. Wir sind gelandet.“
„Idiot! Wir hätten sterben können! JOE!“, ist Salome-Grace aufgebracht über seine Reaktion, fühlt sich aber auch gleich wieder so sicher, dass sie ihn erleichtert umarmt. „Du bist gut ausgewichen. Super schnell. Wenn Du mir jetzt aber erzählen willst, dass das geplant war und wir jetzt in ein Kloster hinter dem Wald gehen, schlage ich dich.“
„Nein. Ein Kloster befindet sich nicht hinter diesem spontan gestreiften Wald. Ich vermute aber die Anwesenheit von Feen und Elfen. Sogar Kobolde werden im Dickicht auf uns warten. Ich bleibe lieber im Wagen. Du schaust mal, warum der Motor futsch ist.“
„Du Schisser. Lass den Wagen an.“
Sie stehen ungefähr 3 Meter neben der Landstraße direkt an einer Allee. Ein Stück weiter verläuft ein schmaler Bach und ein Rapsfeld zeigt sich unweit in gelber Blütenpracht. Tatsächlich springt der Wagen nicht mehr an. Salome-Grace schaut mit liebevoll-dominanten Blick zu Joe und will es zunächst nicht glauben, aber bleibt auch nach dem 3. Versuch alles regungslos.
„In Extremsituationen sind die Eigentümer der Gefährte angesagt. Probiere Du es mal“, sagt Joe und steigt aus. Salome-Grace rutscht auf den Fahrersitz und kann den Motor auch nicht starten. Sie entriegelt die Motorhaube von innen und Joe hebt sie vorne hoch. „Du hast hoffentlich eine robuste Strumpfhose dabei. Wozu sonst könntest Du jetzt noch zu nütze sein“.
„Die behalte ich an. Ich bin doch nicht blond. Keilriemen gibt es gar nicht mehr“, kontert Salome-Grace.
„Das wäre schlecht, denn diese Variante hatte ich ja einkalkuliert, um uns in diese Verlegenheit zu bringen. Mach mich jetzt nicht an. ZIEH - DICH - AUS! Es gibt sie noch, die Keilriemen. Nur wohl nicht an Deinem Mini.“
Beide beugen sich über den Motor und Joe schaut überall nach. Salome-Grace ist ratlos und schaut fragend: „Brauchst Du sie nun doch? Zeig mal.“
„Nein, kannste an lassen. Ich habe keine Ahnung woran es liegt. Der Keilriemen liegt an der Lichtmaschine und die ist verbaut. Zum Kotzen!“
„Ich freue mich. Endlich mal etwas, das Du nicht kannst. Dachte schon, im Nu hast Du alles repariert und ich stehe wieder als Frauchen daneben und bin auf dich angewiesen. Du kannst es aber auch nicht. Schön! Jetzt hol uns mal hier raus, Du Monk!“, strahlt sie und setzt sich auf einen großen Stein.
„Ich habe die Motorhaube angehoben. Du rufst den ADAC.“
„Kein Netz!“
„Meins auch nicht. Wo hast Du mich hier hin gelotst Grace!“
„Ich! DU bist gefahren. Ich vertraute Dir noch bis vor 5 Minuten. Das hätte ich lassen sollen. Hinter Klostermauern kann man auch nur stillsitzen und innerlich navigieren.“
„Ich raste aus!“, schreit Joe vom Auto und muss herzhaft lachen.
„Jetzt biste froh, dass ich einen kurzen Rock anhabe, stimmts! Wenn ich mich jetzt nicht mit meinem Daumen an die Straße stelle, verhungern wir hier“, reizt sie Joe.
„Mach mal. Ich würde so eine wie dich nicht mitnehmen. Ich wette, keiner hält an und wir stehen in 70 Minuten immer noch hier. Lass uns losgehen.“
„Spinnst Du. Wer trägt meinen Koffer?“
„Hat der keine Rollen. Bo ey! Warum hast Du keine Gefechtsausbildung gemacht. Rucksack ist immer besser!“
„Du Weichei hast groß Reden. Glaubst, mit Deinem Rucksack sind wir gerettet. Mit Dir möchte ich kein Abenteuer. Ich müsste dich ja noch beschützen. Schwächling“, schmunzelt sie.
„Darling, auch wenn es verführerisch wäre mit Dir unterm Sternenhimmel zu übernachten, kann es doch kalt werden. Schon bei 6° kann es zu Erfrierungen kommen. Warten wir noch länger, bist Du auch schon unterkühlt. Du kannst meinen Rucksack tragen und ich ziehe Deinen Koffer. Ok?“
„Na gut. Weil Du es bist. Haben wir es noch weit? Henning sagte mir, Du warst bei den Special Forces und bist Ausbilder bei den Einzelkämpfern gewesen. War das die Story mit dem Fine Man?“
„Korrekt. Heute bin ich aber Joe Monk und weich. Wenn ich recht liege, sind wir ca. 3 Kilometer ostwärtig vom nächsten Dorf. Wir richten uns nach der Sonne und gehen übers Feld. Ja. Wenn ich es mir Recht überlege, ziehst Du besser selbst Deinen Koffer. Nicht das hinterher was fehlt.“
„Ach so ist das! Kneifen, Du Esel. Ein Gentleman würde mich auf Händen tragen. Muckies hast Du auch nicht. Warum bin ich nur mit Dir auf so eine gefährliche Reise gegangen. Du machst alles so schrecklich“, steht auf und lehnt sich an Joe, der mit ihr lacht.
Sie schließen den Wagen ab, stellen ein Warndreieck auf und gehen durch das Feld. Joe zieht den Koffer und beide sind vergnügt. Sie genießen den Duft der Rapsknospen und das Geschwitzter der Vögel.
Nach einer Weile sagt Joe: „Ich bin so froh, dass Du keine Modefrau bist, die ich verarzten muss, weil sie ihre High Heels ausziehen und sich barfuss einen Splitter einfängt.“
„Hast Du denn Deinen Arztkoffer mit?“
Joe setzt an, seine Art mit verändertem Ton einzusetzen. Er liebt es offensichtliche Späße zu machen, wenn er sicher ist, dass sein Partner es versteht. „Meine Erste-Hilfe-Tasche ist im Rucksack. Wenn wir Feindkontakt haben, nimm die Tasche und laufe so schnell Du kannst zu einem Luftschutzbunker. Im Rucksack sind ein Taschenmesser, eine Taschenlampe, wasserfeste Streichhölzer und Taschentücher. Eine Wasserflasche ist auch drin. Wenn Du in Sicherheit bist, rufe mit Deinen Smartphone den Bauern, dem dies Feld hier gehört. Wir werden uns vielleicht wiedersehen, wenn wir das hier überleben. Ich liebe dich.“
Salome-Grace weiß um seine Spielereien und freut sich mit einem breiten Lächeln. „Schon bemerkenswert, dass Du doch Einzelkämpfer warst, wo Du doch sagst ein Angsthase zu sein. Wolltest Du beweisen, wie hart Du bist? Hast Du auch deshalb Kampfsport gemacht?“, wird sie nun doch ernst und will Joe verstehen.
„Nein. Das nicht. Bis nach meiner Militärzeit war ich kein bisschen vergeistigt und berechnend. Erst, als ich die Bundeswehr verließ, wurde ich intellektuell und zeitweise recht theoretisch. Seit meinem 6. Lebensjahr nutzte ich mein Gehirn sehr wenig und machte daher auch nur meinen Realschulabschluss. Alles mit geringster Anstrengung. Ich bin mir sicher, dass ich nach meiner Traumatisierung all meine Energie auf den Sport gerichtet habe, um die Wut, meine Scham und Angst zu kompensieren. Wie gesagt, war ich als 4-jähriger noch in der Phase, wo ich nicht rational verarbeiten konnte. Mein Geist und Persönlichkeit mussten sich also in eine Richtung entwickeln, die mir ermöglichte mich auszuleben. Und zwar körperlich. Alles geschah unbedacht. Ich glaube, der liebe Gott gibt uns immer ein Werkzeug, das uns eine zweite Chance bietet. Zwar habe ich derart viel Sport gemacht, dass ich zweimal täglich trainierte und 6 Sportarten parallel ausübte, sodass ich letztlich kein Olympiasieger wurde, aber ich war seelisch beruhigt und hatte eine Fähigkeit, einen Weg, der mich am Leben hielt. Die Liebe meiner Familie war der Balsam und menschlich war alles bestens. Auch den Kampfsport fing ich nicht bewusst an, um mich verteidigen zu können. Nicht im Ansatz hatte ich den Wunsch zu kämpfen. Das ist wohl das Merkmal von körperlich vergewaltigten Menschen. Als Kleinkind noch mehr. Es war abgespalten. Kampf gab es nur im Sport, beim Handball, Tennis etc. und bei Mathe. Als Deutscher musste ich sowieso zur Bundeswehr und weil Sport mein Leben war, wollte ich sehr sportlich arbeiten. Um Krieg spielen oder ein Kämpfer sein, ging es mir nie. Wohl daher war es mir bis heute auch kein Wunsch Sex zu haben. Dies Verlangen hatte ich nie und ich wollte einfach nur ein guter Mensch und Freund werden, die Nächstenliebe erleben. Ja, eine Familie gründen, eins Tages. Aber eben nicht bewusst geplant. Ich war ein treudoofer, naiver und glücklicher Junge, später auch Soldat. Naja, eine Zeitlang. Meine Angst lernte ich aber durch Fähigkeit und auch geistige Arbeit, wie auch bei der Meditation zu regulieren, sie in den Griff zu bekommen. Echt krass. Im Schwimmbad bin ich nie vom 10-Meter-Turm gesprungen. Beim Militär gab es ganz andere Ausbildungen. Die innere Geisteshaltung ist so immens wichtig. Über meine Militärzeit mit Spezial Forces etc rede ich nicht so gerne, ist es mir nicht wichtig. Gelernt habe ich sehr viel und es half mir auch. Hier und jetzt lebe ich als Philanthrop und Pazifist, bin ein einfacher sanfter männlicher Mensch und lasse mich gerne von Dir beschützen. Gleichberechtigung. Erwähnt sei nur noch, dass ich stolz bin bis heute nie einen Menschen geschlagen zu haben. Also außerhalb vom Training und Dienst.“
„Du bist ein sehr besonderer...