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Staatliche Gemeinschaft und Staatengemeinschaft

Grundgesetz und Europäische Union im internationalen öffentlichen Recht der Gegenwart

AutorUlrich Vosgerau
VerlagMohr Siebeck
Erscheinungsjahr2016
ReiheJus Publicum 255
Seitenanzahl424 Seiten
ISBN9783161524363
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis119,00 EUR
Dem Grundgesetz ist eine verfassungsrechtliche Grundentscheidung für die internationale Zusammenarbeit zu entnehmen, und auch das Demokratieprinzip des Grundgesetzes soll erst im Lichte der Eingliederung des durch das Grundgesetz verfassten Staates in die Staatengemeinschaft zu verstehen sein. Gleichzeitig soll es sich aber bei dieser Grundentscheidung nicht um eine Unterwerfung unter fremde Mächte handeln, sondern um eine freiwillige, gegenseitige und gleichberechtigte Bindung, die den Frieden sichert und die politischen Gestaltungsmöglichkeiten durch gemeinsames koordiniertes Handeln stärkt. Was aber bedeuten diese allgemein akzeptierten verfassungsrechtlichen Programmsätze in der Sache, und wie hat man sich die Rechtsnatur dieses Eingliederungsverhältnisses eigentlich vorzustellen? Zur Beantwortung dieser Fragen entwickelt Ulrich Vosgerau eine grundlegende Geltungstheorie des Völker- und Europarechts im Geiste des Selbstbestimmungsrechts der Völker als 'idée directrice'.

Studium der Rechtswissenschaft an der Universität Passau und der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i.Br., Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes. Referendariat beim KG Berlin und an der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer; seit 2004 Rechtsanwalt in Berlin; 2006 Promotion (Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i.Br.); seit 2006 wissenschaftlicher Mitarbeiter; 2007-14 Akademischer Rat am Seminar für Staatsphilosophie und Rechtspolitik der Universität zu Köln, anschließend bis 2015 fakultätsunmittelbarer Akademischer Rat mit wissenschaftlichen Aufgaben; 2012 Habilitation; seither Lehrstuhlvertretungen an der LMU München, der Leibniz Universität Hannover, der Universität Passau und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.

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Inhaltsverzeichnis
Cover1
Inhaltsübersicht6
Inhaltsverzeichnis10
Abkürzungsverzeichnis20
Einleitung26
1. Ausgangsfragen26
2. Das Völkerrecht der Gegenwart29
3. Die völkerrechtliche Lesart des Öffentlichen Rechts31
4. Selbstbestimmungsrecht als paradigmatischer Leitgedanke32
5. Interdisziplinärer und grundlagenorientierter Ansatz34
6. Gang der Untersuchung35
Erster Teil: Theoretische Grundlagen des heutigen Völkerrechts36
§ 1 Recht und Rechtsgemeinschaft38
§ 2 Das Völkergemeinschaftsrecht42
I. Ausgangspunkte42
1. Zur Systematik der völkerrechtlichen Rechtsquellenlehre42
2. Der Begriff „Völkergemeinschaftsrecht“45
II. Zum Geltungsgrund des Völkerrechts46
1. Geltungsgrund des Rechts ist die Angewiesenheit auf Anerkennung47
2. Völkerrecht als Recht der Völkergemeinschaft50
3. Völkergemeinschaftsrecht als natürliches Recht zwingendes Völkerrecht als Naturrechtsidee der Gegenwart51
a) Natürliches Recht52
b) Funktionales Naturecht bedeutet nicht „homogener Menschenrechts-Universalismus“53
c) Die Gegenthese: gerade das zwingende Völkerrecht hat das Naturrecht überflüssig gemacht55
d) Grundrechte als jeweils regional verwirklichte Menschenrechte56
4. Völkergemeinschaftsrecht im weiteren und im engeren Sinne58
III. Zur Geltungsart des internationalen Rechts60
1. Monismus und Dualismus60
a) Streit der Geltungstheorien ist nicht obsolet60
b) Monistische Geltungstheorie für den Kern des Völkergemeinschaftsrechts61
2. Überverfassungsrechtlicher Rang des zwingenden Völkergemeinschaftsrechts63
IV. Das internationale Recht als Völkerverfassungsrecht oder als Völkergemeinschaftsrecht?67
1. „Konstitutionalisierung“ des Völkerrechts67
2. Konstitutionalisierung und humanitäre Intervention70
3. Kostitutionalisierung und Welt-Diktatur72
4. Konstitutionalisierung und die Rolle des Individuums als Völkerrechtssubjekt74
§ 3 Sein und Sollen78
I. Was ist der naturalistische Fehlschluß?79
II. Zur Übertragbarkeit des Verbots des naturalistischen Fehlschlusses in die Rechtstheorie82
1. Aus rechtstheoretischer Sicht: Kategorialität heißt nicht absolute Impermeabilität82
2. Aus naturwissenschaftlicher Sicht: die Kategorialität ist selbst ein Sein, Sollen ist ein Naturphänomen85
3. Aus rechtsphilosophischer Sicht: vom hermeneutischen Zirkel zur Sozialontologie und zur praktischen Sozialphilosophie87
III. Die Gegenthese: zirkulär-normatives Rechtsdenken am Beispiel des Rechtsbegriffes „Staat“89
1. Die Zirkularitäts- und Legitimitätsproblematik89
2. Der Begriff „Öffentliches Recht“92
a) Abgrenzungstheorien93
b) Öffentliches Recht als Sonderrecht des Staates95
c) Kritik der Prämissen der zirkulär-normativen Rechtstheorie99
IV. Ergebnisse101
§ 4 Das Recht ist kein Vertrag104
1. Das Wesen des Rechts: sozialontologisch, nicht kontraktualistisch105
2. Vertragstheorien als rechtstheoretische Modelle zur Diskussion des richtigen Inhalts von Rechtsnormen in demokratischen Gesellschaften108
Zweiter Teil: Das Selbstbestimmungsrecht der Völker als idée directrice des internationalen Rechts114
§ 5 Das Selbstbestimmungsrecht116
I. Grundlagen116
II. Vom allgemeinpolitischen Ziel zum tragenden Legitimationsprinzip119
III. Das Volk im Sinne des Völkerrechts123
1. Das Volk123
2. Volksbegriff, Demokratieprinzip und völkerrechtlicher Minderheitenschutz126
a) Gleiche Teilhabe und internationales Recht128
b) Konturlosigkeit des universalisierenden Demokratiebegriffs129
c) Rein individualbezogener Demokratiebegriff und Minderheitenschutz130
IV. Exkurs: Humanethologische Grundlagen des Selbstbestimmungsrechts132
1. Grundgegebenheiten133
2. Großgruppenbildung in der Gegenwart: die Nation135
3. Selbstbestimmungsrecht der Völker als rechtliche Bewältigung menschlicher Ethnizität und Kulturalität139
§ 6 Das Selbstbestimmungsrecht der Völker und das Souveränitätsprinzip am Beispiel des Problems der Sezession142
1. Die Sezession im geltenden Völkerrecht142
2. Offensives und defensives Selbstbestimmungsrecht144
§ 7 Selbstbestimmungsrecht der Völker, Demokratie und Menschenrechte152
I. Selbstbestimmungsrecht und Menschenrechte152
1. Menschenrechte mit Gemeinschaftsbezug und gemeinschaftsbezogenes Menschenrecht152
a) Menschenrechte mit Gemeinschaftsbezug setzen praktisch und technisch eine Gemeinschaft voraus, bleiben aber Individualrechte153
b) Das Selbstbestimmungsrecht der Völker als echtes gemeinschaftsbezogenes Menschenrecht153
2. Selbstbestimmungsrecht, Demokratie und Menschenwürde155
3. Das Selbstbestimmungsrecht als Voraussetzung der Menschenrechte?159
II. Selbstbestimmung und Demokratieprinzip160
1. Allseitiger und umfassender Schutz des Selbstbestimmungsrechts160
2. Staat, Verfassung, Demokratie164
3. Anspruch auf Demokratie?168
4. Das Volk als pouvoir constituant170
Dritter Teil: Staatsvolk und staatliche Gemeinschaft172
§ 8 Staatsvolk und Staatsbürgerschaft174
1. Die Selbstbestimmungsfunktion der Verfassung174
2. Das Volk als Grund der Verfassung176
3. Die institutionelle und die selbstbestimmungsbezogene Garantie des Staatsbürgerschaftsrechts178
a) Staatsbürgerschaftsrecht als einfache, grundrechtsbezogene institutionelle Garantie180
b) Staatsbürgerschaftsrecht als selbstbestimmungsbezogene Garantie185
§ 9 Die Staatliche Gemeinschaft im Völkerrecht und im Grundgesetz190
I. Vorüberlegungen zu Fragestellung190
1. Eine differenzierte Theorie staatlicher Gemeinschaften statt „Individualismus versus Kollektivismus“190
2. Zur staatlichen Schutzverantwortung191
a) Schutz der Menschenrechte in Gemäßheit des Selbstbestimmungsrechts191
b) Staatliche Gemeinschaft, Schutzverantwortung und völkerrechtliche Zuständigkeit192
II. Staatliche Gemeinschaft als Legitimationssubjekt193
1. Ausgangspunkte193
2. Legitimationsfunktion auch der staatlichen Gemeinschaft194
a) Staatliche Gemeinschaft im Sinne des Völkerrechts umfaßt alle Menschen im Lande194
b) Staatliche Gemeinschaft im engeren Sinne: ein Modell konzentrischer Kreise195
3. Die staatliche Verantwortung für die Risiken der Zuwanderung199
III. Staatliche Gemeinschaft, Rechtsgehorsam und Vertragstheorie201
IV. Die staatliche Gemeinschaft des Grundgesetzes204
1. Grundrechte, Personalität und Gemeinschaft205
a) Personalität und Recht205
b) Folgerungen für die Grundrechtstheorie207
2. Staatliche Gemeinschaft und Landesverteidigung209
V. Staatliche Gemeinschaft als grundrechtliche Anerkennungsgemeinschaft211
VI. Staatliche Gemeinschaft, völkerrechtliche Zuständigkeit und responsibility to protect217
§ 10 Zur diskursiven Legitimitätsfunktion der Grundrechte220
1. Legitimation und Legitimität220
2. Verfassung als „regionales Naturrecht“226
3. Legitimierungsbedarf des Rechts227
4. Grundrechte als diskursiver Legitimierungsmechanismus228
5. Methodisch „positivistischer“ Einwand230
Vierter Teil: Die Selbstbestimmungsgarantie des Grundgesetzes236
§ 11 Die Vorgaben des Völkergemeinschaftsrechts und die verfassungstranszendenten Vorschriften des Grundgesetzes238
1. Völkergemeinschaftsrecht und verfassungstranszendentes Verfassungsrecht239
2. Völkerrechtliche Legitimität als Voraussetzung der Legalität nach dem Grundgesetz241
§ 12 Die Ewigkeitsgarantie des Grundgesetzes als Selbstbestimmungsgarantie244
1. Völkergemeinschaftsrecht als geltendes Recht244
2. Völkerrechtliche Auslegung des Verfassungsrechts245
a) Anspruch der Staatsbürger auf Teilhabe am pouvoir constituant245
b) Aber: regionale und kulturelle Brechung des Völkergemeinschaftsrechts247
c) „Ewigkeitsgarantie“ als Selbstbestimmungsgarantie keine Einschränkung der Volkssouveränität248
§ 13 Selbstbestimmungsrecht und Eigenstaatlichkeit254
I. Maastricht- und Lissabon-Entscheidung254
1. Vom Grundrecht auf demokratische Legitimation zum Recht auf Eigenstaatlichkeit und Selbstbestimmung254
a) Der Begriff „Legitimationsniveau“254
b) Verfassungstranszendente Vorschriften in prozessualer Hinsicht konstitutiv und nicht bloß deklaratorisch257
2. Neue Gegentendenzen259
a) BVerfGE 126, 286 ff. – Honeywell260
b) BVerfGE 129, 124 ff. – „Rettungsschirm“263
aa) Umfassende Kompetenz zur Rüge der Verletzung des Selbstbestimmungsrechts264
bb) Umfassende Kompetenz zur Rüge von Ultra-vires-Akten?265
II. Die Kontroverse in der Literatur268
1. Politisches Vorverständnis268
2. Hintergrund: Verfassungstheorie des Europäischen Gerichtshofs versus Brückentheorie des Bundesverfassungsgerichts270
a) Die Verfassungs-Theorie des Europäischen Gerichtshofes271
b) Verfassung im formellen und im materiellen Sinne274
3. Verfassungskern und verfassungsgebende Gewalt des Volkes277
§ 14 Der Schutz des Selbstbestimmungsrechts in der Verfassung280
I. Die Präambel des Grundgesetzes280
1. Allgemeines280
2. Die Festlegungen der originären Präambel282
a) Der Staat der originären Präambel282
b) Exkurs: Menschenwürdegeleitete Staatlichkeit oder Staatlichkeit nur im Rahmen der Menschenwürde?284
c) Das Volk der originären Präambel286
3. Zur Fortgeltung der Sätze 1 und 2 der originären Präambel287
a) Vorüberlegung: Explizite und systematische Selbstbestimmungsgarantien288
b) Selbstbestimmungsgarantie und Präambel des Grundgesetzes292
c) Ergebnis297
II. Das Widerstandsrecht298
III. Art. 146 des Grundgesetzes: bleibendes Selbstbestimmungsrecht als einzige Legitimation der Verfassung301
1. Das Problem301
2. Die Lösung304
3. Verfassungsrechtliche Konsequenz: Art. 146 GG eigentlich deklaratorisch, aber nicht obsolet305
Fünfter Teil: Das Selbstbestimmungsrecht der Völker als Grund und Grenze des Europarechts308
§ 15 Selbstbestimmungsrecht der Völker und europäische Integration310
1. Recht und Politik: Jellineks Skepsis310
2. Der Integrationsauftrag des Grundgesetzes313
3. Europarecht als die Rechtsordnung eines völkerverwaltungsrechtlichen Verbandes315
a) Internationales Planungsrecht315
b) Demokratiedefizit?317
4. Die völkerrechtliche Legitimation der Union: demokratische Basislegitimation plus Selbstbestimmungskontrolle319
5. Gubernative Rechtssetzung321
a) Grundsatz: Allgemeine Tendenz zur Exekutiv- Rechtssetzung auch im demokratischen Verfassungsstaat322
b) Supranationale gubernative Rechtssetzung als Selbstbestimmungsproblem324
§ 16 Völkerrechtliche Grenzen der völkerverwaltungsrechtlichen Integration im Grundgesetz326
1. Ausgangspunkt: Schutz der Selbstbestimmung326
2. „Demokratie“ im parlamentarischen Bundesstaat und in der Europäischen Union328
a) Demokratischer Bundesstaat und Verpflichtung auf demokratische Grundsätze328
b) Mögliche Gegenthese: allgemeiner Anspruch auf demokratische Legitimation hoheitlichen Handelns unter dem Grundgesetz331
3. Grenzen supranationaler Planung und Rechtsvereinheitlichung334
a) Subsidiaritätsprinzip als Schutz der Selbstbestimmung334
b) Europäischer Haftbefehl336
c) Schutz des Subsidiaritätsprinzips durch den Europäischen Gerichtshof337
§ 17 Das Legitimations- und Demokratieproblem in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts340
I. Primäres Unionsrecht bzw. Zustimmungsgesetze342
1. „Demokratische Legitimation“ im Maastricht-Urteil343
2. „Demokratische Legitimation“ im Lissabon-Urteil347
II. Institutionelle und völkerrechtliche Legitimation des Sekundärrechts352
1. Die „frühe Entäußerungstheorie“ des Bundesverfassungsgerichts355
2. Legitimation des abgeleiteten Gemeinschaftsrechts im Solange-I-Beschluß356
3. Solange II: Übergang zur rein institutionellen bzw. völkerrechtlichen Legitimation des Gemeinschaftsrechts360
4. Ergebnis: Änderung, nicht Erfüllung der Solange-I-Kriterien364
5. Verfassungswandel und Postdemokratie365
III. Solange II, Struktursicherungsklausel und Wesensgehaltsgarantie368
§ 18 Ein grundlegendes Neuverständnis von Volkssouveränität und Demokratie?372
1. Soziologische Ansätze373
a) Radikaler soziologischer Ansatz373
b) Gemäßigter soziologischer Ansatz: „output-Legitimation“373
2. Verfassungstheoretische Ansätze376
a) Demokratie als allgemeines Prinzip, nicht als Inbegriff konkreter Teilhaberegeln376
b) Demokratie als allgemeine Rechtssubjektivität bzw. Rechtsegalität oder „gleiche Freiheit“379
Literaturverzeichnis382
Sachregister418

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