Mannheim
Dagmar
Es war draußen schon hell, als ich aufwachte, also mindestens sechs Uhr. Ich schaute zu Fabian, der mich liebevoll anblickte. „Na, ausgeschlafen?“, fragte er lachend. „Ich habe wie eine Tote geschlafen“, antwortete ich, „aber jetzt fühle ich mich fit.“ Da kam Fabian zu mir ins Bett und streichelte mich zärtlich. Ich zog uns beide aus, wobei ich erfreut bemerkte, dass mein Geliebter fähig war. „Na also!“, flüsterte ich und zog ihn zu mir. Als wir danach noch aneinander geschmiegt lagen, kam mir eine Frage auf: „Was meinst du, wie es jetzt mit uns weiter geht?“ „Ja, darüber habe ich auch schon nachgedacht“, antwortete er langsam. „Da ich annehme, dass du – ebenso wie ich – unsere schöne Gemeinschaft beibehalten willst, ist die erste Frage, ob wir in Mannheim oder Weimar zusammen leben wollen. Das müssen wir nicht sofort entscheiden und ich werde auf jeden Wunsch von dir eingehen. Und ob wir unsere Gemeinschaft legalisieren oder in wilder Ehe leben, ist egal.“
Jetzt war es an mir, darüber nachzudenken, wie ich mir das weitere Leben mit Fabian vorstelle. Dass ich unsere schöne Gemeinschaft nicht aufgeben wollte, wusste ich ebenso wie er, aber wie? Ob wir heiraten würden oder nicht, war mir im Augenblick ebenso gleichgültig wie ihm, blieb nur die Frage nach dem Lebensraum Weimar oder Mannheim? Das hing auch von Fabian ab. „Würdest du denn aus Mannheim weggehen?“, fragte ich und er antwortete spontan: „Hier hält mich nur mein Haus, das mir aber inzwischen viel zu groß ist. Du hast ja das Obergeschoss mit den Kinderzimmern und zweitem Bad noch nicht gesehen. Auch den Club möchte ich nicht so gerne aufgeben. Aber wir müssen das nicht heute entscheiden, nur irgendwann sollten wir wissen, wie wir unser gemeinsames Leben einrichten wollen, wenn du einen halb impotenten Partner noch akzeptierst.“ Empört boxte ich ihn in die Seite. „Wenn du noch einmal solchen Quatsch redest, lasse ich mich scheiden!“, rief ich, worauf er lachend antwortete: „Dafür müsstest du mich erst mal heiraten. Aber lass‘ uns jetzt aufstehen und den Tag beginnen.“
Fabian
Weil wir nichts zu essen hatten, ging ich nach dem Duschen zum Bäcker, um Brötchen und Butter zu holen, Kaffee und Honig waren noch vorhanden. Ich vereinbarte mit meinem Vertreter, dass ich morgen wieder im Computerclub erscheine und ließ mir beim Urologen einen Termin geben. Dann fuhren wir zum Supermarkt und kauften groß ein. Während ich danach meine Mails und Finanzen prüfte, googelte Dagmar auf ihrem Tablet und rief mich aufgeregt zu sich. Unter „Impotenz“ hatte sie unter verschiedenen Ursachen den Namen eines Magenmittels gesehen und dieses Mittel in meinem Medizinschrank gefunden. Ich war überrascht und dankte ihr herzlich. „Mensch, da hätte ich Idiot auch drauf kommen können“, beschimpfte ich mich, „und ich dachte, ich sei inzwischen zu alt für die Liebe geworden.“ Ich rief meinen Hausarzt an und bekam einen Termin für den Nachmittag. „Das muss gefeiert werden“, rief ich, „ich lade dich zu einem Festmahl ein, das ich bereiten werde. Was hältst du von Lammschulter in Gorgonzolasoße?“
„Das habe ich noch nie gegessen, aber ich weiß, wie gut du kochen kannst und freue mich drauf“, erwiderte Dagmar und umarmte mich. Ich spickte die Schulter mit Knoblauchschnitzen und Thymianzweigen und legte sie mit Zwiebelringen in eine Reine, schüttete einen Viertelliter Rotwein drüber, salzte und pfefferte das Ganze und gab es in die Mikrowelle. Später strich ich Gorgonzola drauf und ließ es weiter schmurgeln. Als das Mahl fertig war, bereitete ich wieder Campari Orange und lud meinen Gast zu Tisch. „Du bist ein Künstler“, lobte Dagmar mich, „schon zum zweiten Mal überraschst du mich mit einem exzellenten Menü. Ich wiederhole, was ich schon damals gesagt habe: ich möchte noch oft von die bekocht werden.“ „Das kannst du gerne haben“, antwortete ich glücklich, „es macht mir doch große Freude, wenn es dir schmeckt.“ Zum Nachtisch bot ich Mousse au Chocolat und danach wieder Espresso und Cognac. „Jetzt bin ich rund und satt“, sagte meine Gefährtin, setzte sich auf meinen Schoß und küsste mich.
Bei den Magentabletten wurde mir klar, warum mein Problem erst nach Seattle aufgetreten war. Bis dahin hatte ich den Rest des alten Medikaments aufgebraucht und erst danach die neuen Pillen genommen, die mein Arzt mir als besser verträglich empfohlen hatte. Als ich ihm das am Nachmittag sagte, entschuldigte er sich und verschrieb mir wieder das alte Mittel. „Sie sind schon lange mit einer Vorsorgeuntersuchung dran, wollen wir sie gleich machen?“, fragte er und ich stimmte zu, Er sonografierte meinen Bauchraum, griff mir in den Hintern, ich musste Urin abgeben und die Schwester nahm mir Blut ab.
Dagmar
Als Fabian beim Arzt war, rief ich Margitta an, dass wir wieder in Mannheim sind. Natürlich wollte sie alles wissen, doch ich lud sie ein, morgen nach dem Club unseren Bericht zu hören und die Bilder anzuschauen. Nach Fabians Rückkehr setzten wir unser Gespräch vom Morgen fort. Er sagte klar, dass ihn nicht viel in Mannheim halte, er würde nach Weimar umsiedeln, nur erscheine ihm mein Haus etwas klein, denn er brauche ein eigenes Arbeitszimmer. Ich bot ihm mein großes Arbeitszimmer an und würde mir meins im bisherigen Gästezimmer neu einrichten. „Du müsstest überlegen, wie wichtig dir Weimar ist“, sagte Fabian, „lass‘ uns die Sache vor Ort ansehen. Was hältst du davon, wenn wir Mittwoch bis zum nächsten Montag nach Weimar fahren und die Details prüfen? Und damit du weißt, worauf du dich eventuell einlässt, zeige ich dir das Obergeschoss, komm‘ mit.“
Er zeigte mir die beiden früheren Kinderzimmer und ein kleines Bad im Obergeschoss. „Hier haben wir ein Gästezimmer eingerichtet, als die Kinder aus dem Haus waren“, erläuterte er das größere mit zwei Betten, „das sollten wir so lassen.“ Im anderen Zimmer standen nur wenige Möbel. „Das kann dein Arbeitszimmer werden“, sagte Fabian, „denn Angelicas Zimmer möchte ich nicht verändern.“ Als wir wieder unten waren, sahen wir die Bilder von der Reise an, 250 konnten wir vorzeigen.
Fabian
Dienstag standen wir früh auf und fuhren zum Computerclub. Ich wurde begeistert empfangen und die Mitglieder begrüßten auch Dagmar freundlich. Ich informierte die Gruppe, dass sie ein paar Mal teilnehmen werde, dann mussten wir von der Reise erzählen und einige Bilder zeigen. Nach dem Club fuhr Margitta uns zu meinem Haus und wir aßen wieder beim Italiener. Dann mussten wir erzählen, hauptsächlich berichtete Dagmar an Hand der Bilder, doch dann stach sie der Hafer und sie erzählte beim Bild vom Lake Kaweah freimütig, dass wir uns nach dem Baden unter freiem Himmel geliebt hätten. Ich schämte mich, aber Margitta lachte nur. „Das zeigt mir, wie schön ihr in eurer Liebe angekommen seid. Und es ist nichts Ungewöhnliches, ich habe es auch schon erlebt und fand es aufregender als im Bett.“ Zwischendurch rief mein Arzt an, mein PSA-Wert sei extrem hoch, ich müsse einen Urologen zur näheren Untersuchung aufsuchen. Bis zum Abendbrot zog sich das Gespräch mit Margitta hin, und als sie gegangen war, gingen wir bald schlafen, denn wir wollen morgen einigermaßen früh los. Weil ich vor Dagmar kein Geheimnis haben will, erzählte ich ihr, dass ich möglicherweise ein Prostatakarzinom habe, was sie mehr beunruhigte als mich.
Mittwoch fuhren wir früh los und schafften die 345 km nach Weimar ohne Störung in gut drei Stunden. Dagmar fand Schreiben von der Staatsanwaltschaft, sie möge die Behörde zu einer Befragung im Fall Kilian Maaßen aufsuchen. Für morgen Vormittag bekam sie einen Termin. Nach dem Mittag kauften wir ein, dann packten wir die Koffer aus. Ich hatte Kleidung und Wäsche dabei, um nicht immer so viel mitnehmen zu müssen. Für einen Waldspaziergang bei dem schönen Wetter führte Dagmar mich auf hübschen Wanderwegen in den nahen Wald beim Ilmtal. An einer einsamen Stelle badeten wir wieder nackt und konnten sogar etwas schwimmen, es war erfrischend bei der Wärme. „Hier hatte ich die erste intime Begegnung mit Martin“, schwärmte Dagmar und verführte mich zu einer ähnlichen Aktion, es war wieder herrlich. Nachdem wir uns müde gelaufen hatten, kehrten wir in einer Waldschänke zu Kaffee und Kuchen ein. Nach dem Abendbrot gingen wir müde von der Wanderung ins Bett.
Dagmar
Donnerstag früh besuchten wir die Staatsanwaltschaft. Die Staatsanwältin bat mich, meine Geschichte mit ihm zu schildern. Ich berichtete, wie wir uns vor einem Jahr bei einem 50+Tanzabend kennen gelernt hatten. „Wir kamen uns bald näher, wobei wir uns meist in meinem Haus trafen. Doch allmählich merkte ich, dass er mich hauptsächlich als Sexobjekt und Putzkraft für seine Wohnung ansah. Außerdem reagierte er oft unbeherrscht. Deshalb gab ich ihm nach einem halben Jahr den Laufpass. Er akzeptierte das nicht und belästigte mich ständig mit Liebesbeteuerungen, lauerte mir auf und versuchte, mich zu umarmen. Ich änderte meine Telefonnummer und warf seine Briefe in den Papierkorb, doch die Belästigungen gingen weiter, bis ich einen Gerichtsbeschluss erwirkte, dass er mindestens 100 Meter Abstand von mir halten muss. Jetzt glaubte ich, Ruhe vor ihm zu haben, bis er mein Tablet stahl und mein Freund die Überwachungsgeräte fand.“
Fabian musste berichten, wie er die Kamera im Schlafzimmer entdeckte und das gestohlene Tablet bei dem Mann orten konnte. „Ja“, sagte die Staatsanwältin, „zum Glück waren seine Fingerabdrücke an den Kameras, so dass die Kripo bei ihm weiter suchte und außer dem Tablet den Empfänger, DVDs und die Schlüsselkopie fand, mit der er die Batterien...