Mechatronische Workshops für Kinder
Gespräch mit Effi Tanner und Felix Bänteli
Die Schweizerische Gesellschaft für Mechatronische Kunst (SGMK) ist eine Gruppierung von Tüftlern und Aktivisten. Sie betreibt in Zürich einen sogenannten Makerspace, ein Arbeitsraum, der allen Interessenten offensteht.
Dominik Landwehr – Die Schweizerische Gesellschaft für Mechatronische Kunst (SGMK) bietet regelmässig Workshops für Kinder und Jugendliche an. Wie läuft so ein Workshop ab?
Felix Bänteli – Wir machen Workshops für ganz unterschiedliche Zielgruppen. Die Workshops funktionieren aber alle ähnlich: Wir gehen zu unserem Publikum und bauen unser mobiles Labor auf. Das kann in einem Raum sein, das kann aber auch draussen sein. Für jeden Arbeitsplatz haben wir eine Plastikkiste, in der alles drin ist: Werkzeug, Lötkolben und auch eine kleine Tischlampe. So sind wir total flexibel und können auf die Wünsche unserer Gäste eingehen. Was auch immer ähnlich ist: Wir bauen mit den Kindern ein kleines Gerät, das sich innerhalb von wenigen Stunden realisieren lässt. Es gibt einen Bauplan mit Anweisungen und sie bauen dann ihr Gerät allein. Natürlich helfen wir dabei.
DL – Ihr bringt alles mit, auch die Bauteile, den Bauplan und eine vorbereitete Platine, auf die dann die einzelnen elektronischen Teile fixiert und gelötet werden. Was sind das für Projekte, die ihr mit den Kindern realisiert?
Effi Tanner – Das sind alles ganz einfache Geräte, die aus elektronischen und mechanischen Teilen bestehen. Dazu gehört zum Beispiele eine Platine, bei der man genau sieht, welches Teil wohin gehört. Es kann zum Beispiel ein kleiner Roboter sein, der einer Linie folgen kann, ein Wackelroboter, ein Handy-Ladegerät fürs Fahrrad, ein Geräuschgenerator oder ein kleiner Verstärker.
DL – Nehmen wir mal den Wackelroboter. Was kann man sich darunter vorstellen, was wird da für eine Technologie benutzt?
FB – Wir nennen ihn etwas futuristisch ‹Balan-Z-Bot›. Es ist ein kleiner Roboter, der hin- und herwackelt. Das Wackeln wird dabei auf mechanische Weise erzeugt: Jedes Mal wenn der Roboter kippt, ändert sich die Polarität des Stromkreises.
DL – Ihr arbeitet auch mit lichtempfindlichen Zellen.
FB – Wir haben einen Solarroboter, der sich mit Licht aufladen kann. Sobald er genug Licht gesammelt hat, beginnt er zu wackeln. Er besteht aus Kondensatoren und Transistoren und zum Wackeln benutzen wir einen kleinen Elektromotor, wie man ihn für die Vibrationsfunktion eines Mobiltelefons braucht. Diese Bauteile werden auf eine Platine gelötet und auf einem kleinen Gestell fixiert. Das soll nicht allzu stabil sein, damit sich die Vibrationen auf das Gestell übertragen. Das Resultat ist überraschend: Sobald der Kondensator genug geladen ist, beginnt der kleine Roboter zu wackeln und bewegt sich zum Beispiel auf einer Tischplatte auf eine zufällige und chaotische Weise. Das fasziniert die Kinder und uns Erwachsene natürlich auch.
DL – Ihr habt auch einfache elektronische Musikinstrumente im Angebot.
ET – Das ist unser ‹Micronoise›, ein Gerät, das Geräusche und Lärm macht. Der ‹Micronoise› besteht aus einem kleinen Chip, der eine Schwingung erzeugt und zwar eine sogenannte Sägezahnschwingung. Diese lässt sich mit zwei Drehreglern verändern. Dazu kommt ein lichtempfindlicher Sensor, ein sogenannter Fotowiderstand. Er bewirkt, dass sich die Schwingung auch durch den Lichteinfall verändern lässt. Man kann den Sensor zum Beispiel mit der Hand abdecken oder mit einer kleinen Taschenlampe beleuchten und hört dann sofort, wie sich der Ton verändert. Wir haben in den letzten Jahren Hunderte solcher Geräte mit den Kindern gebaut. Der ‹Micronoise› ist sehr beliebt und wird auch von Erwachsenen geschätzt. Es gibt auch Musiker, die das Gerät auf der Bühne verwenden.
DL – Die Geräusche, die dabei erzeugt werden, sind zufällig. Der Zufall spielt ja auch beim Wackelroboter eine Rolle. Warum arbeitet ihr so gerne mit dem Zufallsprinzip?
ET – Bei unseren Projekten arbeiten wir ja mit einer vorgegebenen Schaltung. Die Schaltung verändern wir nicht. Aber sie ist so konzipiert, dass die Resultate – Geräusche oder Wackelbewegungen – zufällig sind. Dadurch erhält das Projekt etwas Verspieltes. Jeder kann sich dabei etwas anderes vorstellen und diese Vorstellung gehört ebenso zu unserem Workshop wie das reine Zusammenbauen der einzelnen Teile.
DL – Das gleiche gilt ja auch für Eure Verpackungen: Die Geräte werden in der Regel in ein Gehäuse gesteckt und mit der Wahl des Gehäuses kann man auch ganz gezielt Vorstellungen wecken. Eine Küchenmaschine hat ein anderes Gehäuse als ein Musikinstrument …
ET – Wir haben lange mit Tupperware-Dosen gearbeitet. Das ist praktisch, weil man diese Plastikgehäuse sehr leicht bearbeiten kann. Heute verwenden wir aber etwas solidere Gehäuse, damit haben die Geräte eine längere Lebensdauer. Für den Fahrrad-USB-Charger haben wir ein richtig stabiles Gehäuse gebaut, denn das soll ja auch den Witterungseinflüssen trotzen. Mit diesem Gerät können wir übrigens zeigen, wie wenig Strom man braucht, um ein Handy aufzuladen. Der Akku wird dabei nicht ganz voll, aber es reicht, um danach mit dem Handy ein paar SMS zu verschicken.
DL – Worin besteht der kreative Effekt, wenn man eine solche Schaltung nachbaut?
FB – Es geht vor allem darum, die Neugier zu wecken und kleine Erfolgserlebnisse mit selbstgebauter Technologie zu vermitteln. Die Vorgaben sind zwar klar, wir lassen die Kinder aber trotzdem experimentieren. Sie können selber herausfinden, in welcher Reihenfolge sie die Bauteile fixieren. Sie können auch selber ein Gehäuse mitnehmen oder das Gerät verzieren, auf einen Karton kleben. Einige unserer Geräte sind so einfach, dass sie sich in wenigen Minuten zusammensetzen lassen. Danach können sich die Teilnehmer mit dem Schmücken der gefertigten Stücke oder der Verpackung beschäftigen. Wir haben aber auch einen kleinen Wackelroboter, der mit einem Farbstift zufällige Muster zeichnet. Dabei entscheidet die Bauform, wie die Zeichnung aussieht, wenn man dann die Beine dieses Wackelroboters verändert, entsteht ein anderes Bild. Das ist kreativ und erzeugt gleichzeitig einen Lerneffekt: Man lernt, dass nicht nur das Innenleben, die Elektronik, eine Rolle spielt, sondern auch die äussere Form.
DL – Wie reagieren die Kinder auf diese Workshops?
ET – Wir stellen immer wieder fest, dass sie hoch motiviert sind und zum Beispiel gar keine Pause mehr machen wollen, bis sie fertig sind mit dem Projekt.
DL – Was ist eigentlich die Schweizerische Gesellschaft für Mechatronische Kunst? Der Name klingt recht eindrücklich?
ET – Wir sind eine Community von Leuten mit ganz unterschiedlichen Interessen. Unser Programm wird von den Menschen bestimmt, die dabei sind. Bei uns gibt es Medienkünstler, Ingenieure, Lehrer, Juristen, Musiker, alles Leute, die einfach Freude an der Sache haben. Alle bringen ihre Interessen und ihre Projekte mit. Wir veranstalten solche Workshops, um damit zum Nachdenken über zeitgenössische Medien und Technologien anzuregen. Wir haben Leute, die sich zum Beispiel mit Audio beschäftigen und dann zusammen einen kleine Synthesizer bauen. Wir veranstalten verschiedene soziale Anlässe, bei denen sich die Leute gegenseitig ihre Projekte zeigen. Da können sich gleichgesinnte sofort finden und gemeinsam weitermachen. Wir betreiben unter dem Namen ‹Mechart-Lab› ein eigenes Labor, und einmal im Jahr machen wir unter dem Namen ‹Home Made› ein einwöchiges Camp.
Einige unserer Mitglieder haben begonnen, sich mit Biologie und Technik zu befassen. Daraus ist ein eigenes Projekt zum Thema Biohacking entstanden, es heisst ‹Hackteria›. Der Begriff ist eine Zusammensetzung der Wörter Hacking und Bacteria. Auch in Luzern haben wir einen Ableger: das Labor Luzern (laborluzern.org). Die Workshops der SGMK sind sehr gefragt, wir bieten sie deshalb über eine eigene Agentur an, die auch andere Workshops und Kurse vermittelt.
DL – In der bildungspolitischen Diskussion spielt der Begriff MINT eine wichtige Rolle. Er steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik. Es gibt in verschiedenen Ländern Bestrebungen, diese Bereiche zu fördern, damit mehr Jugendliche sich für Berufe in diesem Feld entscheiden. Auch Ihr werdet im Kontext dieser MINT-Förderung eingeladen, um Workshops zu geben. Sind die Ideen der MINT-Förderung Euch auch ein Anliegen?
FB – Das gehört nicht direkt zu unserem Programm. Bei uns geht es mehr um eine spielerische Auseinandersetzung. Wir haben den Eindruck, dass auch die Verantwortlichen dieser MINT-Förderung gemerkt haben, dass dieser Aspekt in ihren Projekten zu kurz kommt und deshalb werden wir dort auch oft eingeladen. Es geht bei uns aber nicht nur um Spass, wir möchten auch mithelfen, eine selbstbewusste, kritische Haltung gegenüber der Technologie zu entwickeln. Unsere Geräte lassen sich leicht verändern und diese Tatsache ist gerade im pädagogischen Bereich sehr wichtig. Wir versuchen unsere Erfahrungen auch bei Tagungen zu diesen Themen einzubringen und stossen damit zumeist auf offene Ohren. Das heisst, unser Engagement und unsere Erfahrungen werden geschätzt.
www.mechatronicart.ch, http://hackteria.org/
Das Interview entstand am 20. November 2015 in Zürich. Die Fragen stellte Dominik Landwehr. Die beschriebenen Workshops können direkt bei der Schweizer Agentur actioncy.ch gebucht werden....