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Glaube und Lernen 2/2013 Themenheft: Neuer Atheismus

VerlagEdition Ruprecht
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl114 Seiten
ISBN0179355120132
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis28,50 EUR
»Der »neue Atheismus« erweist sich bei genauerer Betrachtung als wenig originell und auch wenig gehaltvoll. »Neu« ist lediglich die aggressive und medienwirksame Wendung in die Öffentlichkeit. Dazu gehört die religiöse Selbststilisierung als Kirche – mit Giordano Bruno als Märtyrer (der sicherlich kein Atheist war) – verbunden mit dem Anspruch auf Erleuchtung, denn die »neuen Atheisten« bezeichnen sich als »helle Köpfe«, als brights. Ulrich H. J. Körtner beschreibt diese Bewegung als Reaktion auf die »neue Religiosität«, die in ihrer höchst ambivalenten Gestalt teils als Bedürfnis nach Spiritualität, teils als fundamentalistische Gewaltbereitschaft hervortritt. Die intellektuelle – und auf ihre Weise aggressive – Form des Fundamentalismus, nämlich der in den USA verbreitete Kreationismus, provoziert einen Gegenschlag in der Gestalt eines weltanschaulichen Naturalismus, der sich seinerseits als Religionsgemeinschaft der klugen Köpfe stilisiert. Diese Form des Atheismus ist theologisch, philosophisch und wissenschaftstheoretisch freilich unterkomplex. Das zeigt sich im Vergleich zu älteren Positionen wie der von Friedrich Nietzsche, die in gewisser Weise auch von Herbert Schnädelbach und anderen vertreten wird und den Verlust des eigenen Gottesglaubens zu beklagen weiß. Der Anspruch des »neuen Atheismus«, einen ultimativ vernünftigen Standpunkt zu vertreten, ist zwar unhaltbar, doch bleibt es eine Aufgabe der Theologie, die Alternative einer durch den Glauben erweiterten und vielleicht sogar befreiten Vernunft zu entfalten. Eine Skizze dazu soll mein eigener Aufsatz liefern. Bei solchen Überlegungen tritt hervor, wie wenig scharf der Begriff »Atheismus« in aller Regel verwendet wird. Klar ist er als Gegenbegriff zu »Theismus«, aber auch dieser Begriff ist systematisch-theologisch keineswegs selbstverständlich. Der theologiegeschichtliche Beitrag von Thomas K. Kuhn zeichnet nach, wie diffus die Semantik im Mittelalter und in der frühen Neuzeit gewesen ist. Auf diesem Hintergrund erweist sich die Selbstdarstellung des heutigen Atheismus als stark vereinfachte Selbststilisierung – der neuzeitliche Atheismus ist nicht einfach der Sieg der Vernunft, die sich heroisch dem finsteren Aberglauben entgegenstellt. Glaubenszweifel gehören auch im Mittelalter zum Alltag der Seelsorge, umgekehrt sind die Naturwissenschaften in der frühen Moderne keineswegs als Widerlegung des Theismus gesehen worden. Überdies können Wörter wie »Atheismus«, »Blasphemie« oder »Unglaube« auch der innerchristlichen Polemik dienen. Konrad Schmid beleuchtet das Problem im Zusammenhang mit der »Theodizee-Frage« am Beispiel des Hiobbuchs. Das Buch problematisiert bereits theistische Gottesvorstellungen, und zwar in raffinierter literarischer Gestaltung. Neben die naiven Erklärungsversuche der Freunde Hiobs für dessen unverschuldetes Leiden treten die Gottesreden am Ende, in denen die verborgene Weisheit des Schöpfers betont wird. Diese Reden werden aber ihrerseits problematisiert durch den Prolog, der die Wette Gottes mit dem Satan als durchaus irreale (und somit sich selbst suspendierende) Himmelsvision inszeniert. Damit wird jedes theistische Reden über Gott in Bewegung versetzt. – Christian Danz vertieft den Gedanken einer innerreligiösen Religionskritik in religionsphilosophischer Perspektive. Das ist interessant, weil der »neue Atheismus« seinerseits religiöse Züge trägt. Die Philosophie an der Wende zum 19. Jahrhundert kann im Interesse an der Rede von einem wahren Gott für einen Atheismus der theoretischen Vernunft plädieren, etwa bei Immanuel Kant und Friedrich Heinrich Jacobi. In gewisser Weise ist ein solcher Gedankengang dann »atheistisch«. Allerdings provoziert er die radikale Religionskritik bei Ludwig Feuerbach und Karl Marx, die in der Regel die Gültigkeit der Religion mit dem Hinweis auf ihre Genese entkräftet und ihrerseits auf metaphysische Voraussetzungen zurückgreift – die von Friedrich Nietzsche wenig später auch noch dekonstruiert werden. In dieser Radikalität zeichnet sich indessen ein Unbedingtheitsanspruch ab, der unverkennbar prophetische Züge trägt. Diese innere Dialektik der Religionskritik gilt es theologisch und religionsphilosophisch durchsichtig zu machen. Veit-Jakobus Dieterich lotet die Möglichkeiten aus, den Atheismus im Religionsunterricht sinnvoll zu behandeln. Das erscheint umso dringlicher, als die Vertreter des »neuen Atheismus« ihrerseits eine Didaktik der Religionskritik entwickeln. Dazu gehört neben der medienwirksamen Selbstdarstellung – nicht zuletzt in Kinderbüchern – auch die Kritik an der religiösen Erziehung als aufklärungsfeindlich. In religionspädagogischer und entwicklungspsychologischer Sicht ist der Zusammenhang von Atheismus und Weltbild von Heranwachsenden allerdings keineswegs eindeutig. Spätestens in der gymnasialen Oberstufe dürfte eine Auseinandersetzung mit dem Atheismus wichtig und sinnvoll sein. Spätestens hier sollte die Fähigkeit kultiviert werden, eine Pluralität von Perspektiven als fruchtbare und angemessene Auseinandersetzung mit Wirklichkeit wahrzunehmen und die innerbiblische Religionskritik als konstruktive Vertiefung des Glaubens damit in Verbindung zu bringen. Lars Klinnert rezensiert schließlich die von R. Langthaler und K. Appel herausgegebene kritische Antwort auf Richard Dawkins‘ Bestseller »Der Gotteswahn«.« (Aus dem Vorwort von Ernstpeter Maurer)

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