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PONS Kurzkrimis: Gestern am Rhein

Mörderische Kurzkrimis zum Deutschlernen (A1/A2)

AutorEmily Slocum
VerlagMarcial Pons Ediciones de Historia
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl128 Seiten
ISBN9783120501015
Altersgruppe14 – 
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis6,99 EUR
Deutsch lernen mit mörderischen Kurzgeschichten Sie lesen gerne Krimis und möchten etwas für Ihr Deutsch tun? Mit diesen Kurzkrimis wird die deutsche Sprache zu einem spannenden und unterhaltsamen Erlebnis. Die verwendete Sprache passt genau zu Ihrem Lernniveau, so dass Ihnen das Lesen leicht fällt und Ihnen gleichzeitig viel Neues beibringt. Schwierigere Wörter sind in den Fußnoten erklärt. Für Anfänger (A1) und Wiedereinsteiger (A2).

Die Autorin Emily Maude Mary Slocum, Jahrgang 1987, ist Autorin, Theaterautorin und Lehrerin für Englisch. Sie wurde in Basel geboren und lebte dort bis 2006. Heute lebt und arbeitet sie als freie Autorin in Köln und schreibt an ihrem ersten Roman. Der Sprecher Benedict Walesch, Jahrgang 1982, ist Sprecher und Schauspieler. Er ist im Großraum Stuttgart aufgewachsen und hat in Stuttgart studiert, wo er bis heute lebt. Er arbeitet als freier Sprecher u.a. für Hörfunk, Film und Fernsehen.

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Leseprobe

1. KRIEG UNTER NACHBARN


Es ist vier Uhr morgens, als Elise Meyer die Polizei in Münster anruft. Sie sagt, dass ihr Mann tot im Garten liegt.

„Sind Sie sicher? Haben Sie schon einen Arzt geholt?“

Frau Meyer weint: „Nein, nein. Ich habe schon selbst versucht, meinen Mann wiederzubeleben1. Ich bin Krankenschwester.“

Eine halbe Stunde später klingelt es an Frau Meyers Tür. Zwei Polizisten stehen vor ihr – ein Mann und eine Frau.

„Guten Morgen. Mein Name ist Hensen und das hier ist meine Partnerin Jahnke.“ Frau Meyer lässt sie herein. Auch ein Rechtsmediziner2 und ein Krankenwagen sind angekommen.

„Wir müssen Ihnen ein paar Fragen stellen. Das hier ist Herr Weiler, der Rechtsmediziner.“

Herr Weiler kommt ins Haus.

„Bitte ziehen Sie die Schuhe aus“, sagt Frau Meyer und zeigt auf die Hausschuhe im Flur. Dann geht sie ins Wohnzimmer und lässt die drei stehen. Hensen und Jahnke sehen sich irritiert3 an.

„Sie steht bestimmt noch unter Schock“, sagt Weiler.

Er zieht seine Schuhe aus. Hensen und Jahnke tun dasselbe. Als sie das Wohnzimmer betreten, können sie die Leiche sehen. Herr Meyer liegt auf dem Rücken auf der Terrasse. Die Glasscheibe der Terrassentür ist kaputt.

„Das ist letzte Woche passiert. Wir konnten den Schaden noch nicht reparieren, weil wir noch nicht wissen, ob die Versicherung4 die Reparatur und die neue Scheibe bezahlt“, erklärt Frau Meyer.

„Wie ist das passiert?“, fragt Hensen und nimmt seinen Notizblock aus der Tasche. Frau Meyer antwortet nicht, sondern sieht Weiler hinterher. Weiler zieht sich Handschuhe an und geht hinaus auf die Terrasse zu der Leiche. Frau Meyer dreht sich weg.

„Man sollte meinen, dass ich so etwas als Krankenschwester sehen kann. Aber er ist – er war – mein Mann. Vielleicht kann ich deshalb nicht …“

„Frau Meyer, wir müssen Ihnen ein paar Fragen stellen. Möchten Sie sich lieber setzen?“

„Nein, es geht schon, danke“, antwortet sie leise. Dann hebt sie plötzlich den Kopf. „Aber wo bleiben meine Manieren5! Entschuldigen Sie! Möchten Sie etwas trinken? Ich wollte mir gerade einen Tee machen, als ich …“, aber sie kann nicht mehr weiter reden.

„Nein, danke. Wir möchten nichts“, sagt Jahnke und holt auch ihren Notizblock hervor. „Ihr Anruf ist um 4.03 bei uns eingegangen. Wann genau haben Sie Ihren Mann gefunden?“

Frau Meyer denkt einen Moment nach. „Ich glaube, es war um 3 Uhr morgens. Auf meinem Wecker war es 2.55, als ich wach wurde. Ich konnte nicht mehr einschlafen und wollte mir einen Tee machen. Als ich dann ins Wohnzimmer gegangen bin, habe ich ihn gesehen. Ich dachte erst, ich sehe nicht recht, aber dann wurde mir klar: Das ist Thomas. Und er ist tot.“

„Woher wussten Sie, dass er tot war?“

Frau Meyer wird laut. „Das weiß man einfach!“

Hensen und Jahnke schauen sich kurz an.

„Was ist dann passiert?“

„Ich bin zu ihm hin, habe nach seinem Puls6 gesucht. Aber er hatte keinen mehr.“

„Haben Sie versucht, ihn wiederzubeleben?“

„Ja, aber nach einigen Minuten wusste ich, dass ich nichts mehr machen kann.“

„Wie viele Minuten lang haben Sie ihn wiederbelebt?“

„Ich weiß es nicht mehr“, sagt sie gereizt7. „Vielleicht fünf, sechs Minuten lang.“

„Hat er genauso dagelegen wie jetzt?“

„Wie meinen Sie das?“

„Haben Sie ihn umgedreht, um ihn wiederzubeleben, oder hat er genauso wie jetzt auf dem Rücken gelegen?“

Frau Meyer schaut durch das Terrassenfenster. Weiler schreibt gerade etwas.

„Ich musste ihn umdrehen. Er hat mit dem Kopf zur Seite auf dem Bauch gelegen.“

Weiler kommt wieder herein und gibt Jahnke seinen Bericht. Sie liest ihn und reicht ihn dann Hensen, der auch darüber schaut8.

„Ihr Mann wird gleich zur Obduktion9 gebracht“, informiert Herr Weiler Frau Meyer. Sie nickt mit dem Kopf.

„Wissen Sie, woran er gestorben ist?“, fragt sie dann noch.

„Das kann ich noch nicht sagen. Wir müssen die Leiche genauer untersuchen und das kann eine Weile10 dauern“, antwortet Weiler. „Auf Wiedersehen, Frau Meyer“.

„Auf Wiedersehen“, sagt sie, aber begleitet ihn nicht zur Tür.

Hensen und Jahnke gehen hinaus zu der Leiche. Die Augen des Toten sind offen, sein Mund ist leicht geöffnet. In dem Bericht von Weiler steht, dass es ein natürlicher Tod oder eine Vergiftung11 sein kann.

Frau Meyer steht hinter den beiden Polizisten und weint.

„Hatte Ihr Mann körperliche Beschwerden12? War er herzkrank?“

„Nein“, antwortet Frau Meyer und putzt sich die Nase. „Er war gesund. Er ist jeden Tag mit dem Fahrrad ins Büro gefahren. Letzte Woche ist er noch zum Arzt gegangen. Er war kerngesund13.“

„Gibt es jemanden, der Ihrem Mann Schaden zufügen14 wollte? Einen wütenden Kollegen vielleicht?“

„Nein, er war Steuerberater15. Jeder mochte ihn – außer natürlich …“, sagt sie und überlegt wieder einen Moment.

„Außer wer?“, fragt Hensen.

„Nein. Das ist nicht möglich. Ich glaube nicht, dass die so etwas tun. Nein. Das geht zu weit“, sagt Frau Meyer zu sich selbst.

„Wen meinen Sie mit die?“, fragt Jahnke.

Frau Meyer kommt zu sich. „Lehmanns. Unsere Nachbarn. Mareike und Max Lehmann. Sie wohnen direkt neben uns“, erklärt sie und zeigt auf das Haus rechts neben ihrem. Hensen und Jahnke schauen in die Richtung. Die Lichter sind aus.

„Wieso sollten Ihre Nachbarn Ihren Mann umbringen?“

Frau Meyer schaut die beiden Polizisten an.

„Weil die beiden irre sind! Das sind Verrückte! Erst Freddie, dann Suzy und jetzt Thomas!“, schreit Frau Meyer.

„Frau Meyer, bitte beruhigen Sie sich. Wer sind Freddie und Suzy?“

„Sie müssen etwas tun!“

„Wir können nichts machen, wenn wir nichts Genaues wissen. Also, Frau Meyer, sagen Sie uns bitte, wer Freddie und Suzy sind.“

„Das waren unsere Katzen. Sie waren unser Ein und Alles16.“ Frau Meyer holt einen Bilderrahmen mit einem Foto von den Katzen.

„Sie haben sie vergiftet. Das Gift in ihren Körpern war genau das gleiche Gift, das Herr Lehmann für seinen Garten benutzt. Wir hatten Beweise, aber niemand wollte uns helfen“, sagt sie zitternd.

„Frau Meyer, Sie müssen sich beruhigen. Es ist doch noch gar nicht sicher, dass Ihr Mann ermordet wurde. Es war vielleicht ein natürlicher Tod. Also lassen Sie uns erst einmal abwarten.“

Frau Meyer packt Jahnke an den Armen. „Sie müssen mir helfen! Solche Leute sind gefährlich! Was ist, wenn ich das nächste Opfer bin?“, schreit sie.

„Wir werden mit Ihren Nachbarn reden und uns dann wieder bei Ihnen melden. Für heute haben Sie genug durchgemacht17. Versuchen Sie sich zu beruhigen. Sollen wir jemanden für Sie anrufen, der bei Ihnen bleiben kann?“

Frau Meyer nimmt ihre Hände von Jahnke und setzt sich in einen Sessel. Sie schaut auf den Boden. „Nein, es geht schon. Ich komme allein zurecht18.“

Hensen und Jahnke verabschieden sich. Frau Meyer reagiert nicht. Als die Polizisten fast bei der Tür sind, dreht sich Hensen um: „Frau Meyer, Sie haben uns nicht gesagt, was mit der Glasscheibe passiert ist.“

Frau Meyer schaut zu Hensen und sucht nach den richtigen Worten.

„Ich weiß es nicht mehr“, sagt sie und schaut wieder auf den Boden.

Hensen und Jahnke bleiben draußen vor dem Haus stehen und sehen den Krankenwagen wegfahren. „Da stimmt doch was nicht“, sagt Jahnke.

„Ja, da hast du recht. Ich glaube nicht, dass sie uns die ganze Wahrheit über ihren Mann gesagt hat.“

„Klingeln wir doch bei den Lehmanns. Mal schauen, was sie sagen.“

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