VORWORT VON DR. ROBERT SCHLEIP
Unsere Faszien – die weißen, faserigen Hüllschichten, die in mehreren Schichten den gesamten Körper umgeben und auch unsere Muskeln und Organe einbetten und ihnen ihre Form verleihen - erleben gegenwärtig eine beeindruckende Beachtung in der wissenschaftlichen Forschung und den Medien. Wurde dieses faszinierende Gewebe früher in den Anatomiesälen der Universitäten einfach „wegpräpariert", so gibt es heute, seit dem ersten internationalen Faszien-Kongress an der Harvard Medical School 2007 in Boston, eine Vielzahl an wissenschaftlichen Studien und Untersuchungen, die sich mit dem Verhalten und dem Aufbau dieses spannenden und wandelbaren Gewebes, das als dreidimensionales Netzwerk alle Körperstrukturen miteinander verbindet, beschäftigen. Nicht zuletzt machten moderne Messverfahren wie der hochauflösende Ultraschall und die Immunohistochemie es möglich, das Verhalten von Fasziengewebe auf unterschiedlichste Einflussfaktoren und Stimulationen sichtbar zu machen, sodass wir heute wissen, dass dieses Gewebe von enormer Wichtigkeit für die Körperhaltung, die Kraftübertragung, die Beweglichkeit, aber auch für unsere Körperwahrnehmung ist.
Kein Wunder, dass es daher bereits zahlreiche Ratgeber darüber gibt, wie Sie dieses Gewebe mit Sport und Bewegung gesund erhalten können. Ob Ihr Bindegewebe steif, teigig, spröde oder jugendlich-elastisch geformt ist, das bestimmen in erster Linie die Bindegewebszellen, die Fibroblasten, indem sie regelmäßig ihr ganzkörperweites kollagenes Fasernetz aufrechterhalten und erneuern. Welche Art von Stimulation für die Ausbildung eines gesunden inneren Netzwerks hilfreich ist, wurde in zahlreichen Untersuchungen eruiert.
Auf Basis dieser wissenschaftlichen Ergebnisse haben wir in einem Team von Manualtherapeuten, Physiotherapeuten, Sportwissenschaftlern und Bewegungsexperten vor einigen Jahren den Trainingsansatz „Fascial Fitness" entwickelt, der speziell auf die optimale Stimulation des Fasziengewebes abzielt und dessen Trainingsprinzipien mittlerweile als Grundlage des modernen Faszientrainings gelten.
Daniela Meinl, eine der führenden Köpfe der Fascial Fitness Association, hat nun in beeindruckender Weise die Trainingsprinzipien des Faszien-Trainings mit der uralten Weisheit des Yoga verbunden. Ein besonderes Augenmerk liegt hierbei auf der ausgewogenen Integration aller Prinzipien, um eine optimale Stimulation des Gewebes zu erreichen.
Vor allem im Bereich des sensorischen Verfeinerns und der theoretischen Hintergründe geht dieses Buch weit über bereits erhältliche Faszien-Yoga-Bücher hinaus und dürfte sich voraussichtlich innerhalb kürzester Zeit als Grundlagenwerk zu diesem Thema etablieren.
Insbesondere der Ansatz, das Fasziengewebe durch die Vibration des Klanges der eigenen Stimme in Schwingung zu versetzen, ist hierbei neu und spannend.
Ich kenne Daniela Meinl bereits seit fast zehn Jahren und schätze ihre Fähigkeit, komplizierte wissenschaftliche Zusammenhänge in einfacher, klarer und strukturierter Weise zu vermitteln.
So halten Sie mit diesem Werk eine äußerst fundierte und dennoch leicht verständliche Zusammenfassung über die wissenschaftlichen Hintergründe des Faszientrainings und die Integration dieser Aspekte in den Yoga in den Händen. Darüber hinaus wagt Daniela Meinl immer wieder den Spagat, einen Zusammenhang oder Analogien zwischen wissenschaftlichen Erkenntnissen der Faszienforschung und den uralten Überlieferungen aus der yogischen Philosophie herzustellen, was über die bisherigen Ansätze des Faszien-Yoga hinausgeht und insbesondere für ernsthafte Yogis und Yogis, für die die Yoga-Praxis weit mehr als nur ein Körperertüchtigungsprogramm darstellt, interessant sein dürfte.
Ähnlich wie schon die Faszien-Pioniere Ida Rolf, Begründerin der Rolfing Methode, und Andrew Taylor Still, Begründer der Osteopathie, haben auch die alten Yogis und Yoginis intuitiv und aus der eigenen Körpererfahrung heraus die Wichtigkeit von Dehnungen und Spürübungen erkannt – wenngleich die physische Praxis des Yoga sich erst in den letzten Jahrhunderten und nicht wie oft behauptet vor einigen Jahrtausenden entwickelt und verbreitet hat. Einiges was in den alten yogischen Schriften zu lesen ist, beginnt die Wissenschaft nun Schritt für Schritt zu belegen, wie am Beispiel der Akupunktur und der Meridianverläufe deutlich wird. Anderes lässt sich durch die Erkenntnisse der modernen Faszien-Forschung noch optimieren, wie Daniela Meinl in diesem Werk detailliert aufzeigt.
Bei diesem Wechselspiel zwischen wissenschaftlichen Erkenntnissen und hypothetischen Überlegungen im Zusammenhang mit den derzeit noch nicht oder nur ansatzweise belegbaren Phänomenen aus der yogischen Philosophie stellt Daniela Meinl immer wieder sehr klar heraus, wann es sich um Überlegungen ihrerseits und wann um belegte Fakten handelt. Dies ermöglicht es dem Leser, sich kompetent weiterzubilden und durch weiterführende Denkansätze inspirieren zu lassen, eine eigene Erfahrung zu machen.
Im Übungsteil wird für die bekanntesten Yoga-Asanas erläutert, wie sich die unterschiedlichen Prinzipien auf die Asana anwenden lassen, sodass Sie dies auch auf weitere, nicht explizit im Buch beschriebene Asanas anwenden können.
Immer wieder sind Sie eingeladen, selbst kreativ zu werden und ihre eigenen, individuellen Verklebungen und Verfilzungen aufzuspüren und gezielt daran zu arbeiten. Faszien lieben Abwechslung! Lassen Sie sich inspirieren und lauschen Sie auf die Antworten Ihres Körpers – Sie werden erstaunt sein, in welche Tiefen der Wahrnehmung und des Wohlgefühls Faszien-Yoga Sie entführen kann.
Ich wünsche dem Buch und allen Leserinnen und Lesern einen faszinal-faszinierenden Erfolg!
Dr. biol. hum. Robert Schleip, Dipl.Psych.
Direktor der Fascia Research Group, Universität Ulm
Forschungsdirektor der European Rolfing Association
AUF DER SUCHE NACH DEM GEHEIMNIS DES LEBENS
Saraswati ist die indische Göttin der schöpferischen Energie, der Kreativität und der Weisheit. Sie steht auch für alle Künste und Wissenschaften. Ein scheinbarer Widerspruch – aber vielleicht nur aus unserer westlichen Sicht. Sie hat mich seit meiner frühesten Kindheit begleitet, bringt mich immer wieder an die Schwelle dieses Paradoxons und nährt meinen Wunsch, dieses zu überwinden.
Von diesem Wunsch ist auch dieses Buch getragen – es ist ein Versuch, die wissenschaftlichen Erkenntnisse aus der aktuellen Faszienforschung mit dem zeitlosen spirituellen Wissen und den Praktiken des Yoga zu verbinden. Eine Umsetzung der Prinzipien faszialer Stimulation, die über reine Körperübungen hinausgeht und das Wesen der Faszien im Körper in einen größeren Zusammenhang stellt.
Saraswati, indische Göttin der Kreativität und der Weisheit
Unser Geist möchte gerne die Welt verstehen. Häufig benutzen wir auf dem Weg dahin eine reduktionistisch-mechanistische Herangehensweise, d. h. wir versuchen etwas in seine Einzelteile zu zerlegen, um zu verstehen, wie es funktioniert. Manchmal geht dabei der Blick auf das große Ganze verloren. Genau auf diese Art und Weise wurde im Westen der Körper erforscht – und dabei das Gewebe, das alles zusammenhält – unsere Faszien – buchstäblich »übersehen«.
Ich selbst habe mich aus dem Wunsch, die Magie des Lebens verstehen zu lernen, zunächst der Naturwissenschaft verschrieben und Pharmazie studiert. Ich wollte wissen, wie das Leben, wie der Körper funktioniert, und ich mochte die klare Logik der Chemie. So lernte ich Anatomie, Physiologie, Pathophysiologie. Ich lernte von Körperteilen, Organen, Stoffwechselkreisläufen, biochemischen Reaktionen im Körper, Proteinen, Molekülen, Rezeptoren, Zellen, Atomen, physikalischen Gesetzen der Energie und Elektrizität – und am Ende blieben nur Teilchen und Welle übrig. Nur Energie. Nur »Zufall« …
Nun, ich glaube nicht an den Zufall. Ich lernte zwar verstehen, WAS passiert, wenn etwas nicht so läuft, wie es soll, oder WIE es läuft, wenn alles rund läuft, aber das WARUM – warum wird ein Mensch krank, warum gerät etwas aus dem Lot, aus dem Gleichgewicht –, diese Frage blieb leider unbeantwortet. So machte ich mich schon früh parallel erneut auf die Suche, diesmal im Feld der Körperarbeit und der Körperpsychotherapie. Von Faszien hatte ich während des gesamten Studiums übrigens kein Wörtchen gehört.
Auf die Faszien und den tieferen Sinn zumindest meines Lebens gekommen, bin ich schließlich durch meine Ausbildung zur bodybliss® Trainerin bei Divo Gitta Müller in München, die sich in ihrem Programm »bodybliss®« auf die Suche nach dem Körperglück macht. Vieles von dem, was hier passierte, war für mich naturwissenschaftlich geprägtes Kind zunächst ziemlich befremdlich. Und doch, irgendetwas tief in mir wurde angesprochen und fühlte ganz genau: Hier geht es lang. Das ist der richtige Weg. Und so sollte es sich auch bewahrheiten: bodybliss® hat buchstäblich mein Leben verändert. Ich begann, nicht mehr alles mit dem Kopf verstehen zu wollen, sondern über den Körper zu erfahren und meine Intuition zu schärfen und ihr zu vertrauen. Die Wahrheit, die sich mir hier zeigte, konnte ich zunächst oft nicht in Worten beschreiben, und doch stillte sie einen Teil dieser tiefen Sehnsucht nach Verstehen in mir. Ich fand einen Zugang zur Spiritualität, der, wie ich später lernen sollte, ein universeller und tief im Yoga verankerter ist, der meine Seele von meinen alten Traumata und Wunden heilte und mich in der Tiefe meines Seins nährte. Schritt für Schritt wagte ich mich tiefer...