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E-Book

Der Kalte Krieg

1947-1991

AutorBernd Stöver
VerlagVerlag C.H.Beck
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl528 Seiten
ISBN9783406706127
FormatePUB/PDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis15,99 EUR
Der Kalte Krieg zwischen den USA und der Sowjetunion - zwischen liberaler Demokratie und Kommunismus - wurde weltweit und auf allen Ebenen geführt: militärisch, politisch, wirtschaftlich und kulturell. Bernd Stöver beschreibt in seinem viel gerühmten Standardwerk die Konfrontation der beiden Supermächte vom Ende des Zweiten Weltkriegs über den Mauerbau in Berlin, die militärisch hoch brisante Kuba-Krise, den Vietnamkrieg und zahllose Stellvertreterkriege in der Dritten Welt bis zum Zerfall der Sowjetunion 1991.

Bernd Stöver lehrt als Professor Neuere Geschichte an der Universität Potsdam.

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Leseprobe

1. Der Weg in den Kalten Krieg 1917–1945


Der Ost-West-Konflikt: Im Jahrhundert der Ideologen


Zeitgenossen wie der französische Philosoph und Politiker Alexis de Tocqueville (1805–1859) sahen bereits im 19. Jahrhundert einen Konflikt zwischen den aufstrebenden Mächten USA und Russland voraus. Bezeichnenderweise glaubte Tocqueville in seiner berühmten Darstellung Über die Demokratie in Amerika (1835), dass der wichtigste Auslöser der ideologische Gegensatz sein werde: Das idealistisch verstandene demokratische Prinzip in den Vereinigten Staaten stehe dem monarchischen Prinzip unvereinbar gegenüber.[1] Tatsächlich war die berühmte außenpolitische Rede des amerikanischen Präsidenten James Monroe aus dem Jahr 1823, die dann zwanzig Jahre später völkerrechtlich zur «Monroe-Doktrin» umgedeutet wurde und auch während des Kalten Krieges eine wichtige außenpolitische Leitlinie blieb, eine politische Kampfansage der Demokratie an die «Despoten» gewesen. Monroe hatte sich allerdings vorwiegend – aber ganz im Verständnis des «permanenten Krieges», wie ihn die Französische Revolution entwickelt hatte – gegen die befürchtete Einmischung der Heiligen Allianz auf der Seite Spaniens gegen die südamerikanischen Kolonien sowie gegen Russlands Expansionsbestrebungen an der Nordwestspitze des amerikanischen Kontinents aussprechen wollen. Er postulierte dafür ein prinzipielles Interventionsverbot europäischer Mächte in diesem Raum.[2] In den Ausführungen des US-Präsidenten von 1823 wie in der späteren Monroe-Doktrin war zudem noch ein zweiter Aspekt enthalten, der den ideologisch-politischen Konflikt unterstrich und erweiterte. Monroe hatte in einer aus der Rede entfernten Passage der griechischen Befreiungsbewegung, die damals gegen das Osmanische Reich kämpfte, die ideologische Unterstützung der USA zugesichert. 1830 erfolgte eine solche Erklärung auch für die polnische Freiheitsbewegung. In der ungarischen Revolution 1848/49 waren die Vereinigten Staaten sogar die einzige Nation, die die Unabhängigkeitserklärung der neuen Regierung unter Lajos Kossuth diplomatisch anerkannte. In der Praxis blieben solche Erklärungen allerdings im 19. Jahrhundert weitgehend ohne Folgen. Washington war weder politisch noch militärisch in der Lage, diesen Versprechen wirklich Taten folgen zu lassen. Dennoch waren es diese Traditionen, die vor allem in den Anfangsjahren des Kalten Krieges als Begründung herangezogen wurden, wenn es um Konzepte ging, die «Versklavten Nationen» in Osteuropa von der sowjetischen Herrschaft zu lösen.[3]

Der ideologische Gegensatz zwischen Russland und den USA verschärfte sich im 19. Jahrhundert noch einmal erkennbar in den 1880er Jahren, als nach der Ermordung von Zar Alexander II. die Unterdrückung revolutionärer Bewegungen in Russland zunahm. Besonders intensiv zeigte sich der ideologische Gegensatz jedoch nach der Russischen Oktoberrevolution 1917. Der Westen versagte den Bolschewiki jede Anerkennung. Die «Vierzehn Punkte», das Friedensprogramm des amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson im Januar 1918, waren daher nicht nur ein westliches Konzept gegen die Monarchien der Mittelmächte, sondern auch gegen die Bolschewiki und ihre «Diktatur des Proletariats».

Der ideologische Konflikt zeigte sich hier bereits in seinen Grundzügen. Der globale Anspruch beider Weltanschauungen war ebenso offensichtlich wie der Ansatz zur Blockbildung. Die Bolschewiki kannten nach der Kapitulation vor den Deutschen in Brest-Litowsk im März 1918 nur noch Gegner oder Verbündete der Revolution. An das Deutsche Reich, das 1917 durch finanzielle und logistische Unterstützung die Arbeit Lenins in Russland erst ermöglicht hatte, musste die für die Versorgung der eigenen Bevölkerung überaus wichtige Ukraine abgetreten werden. Sie wurde kurz darauf von deutschen Truppen besetzt. Auf welcher Seite die westlichen Alliierten – vor allem Frankreich, Großbritannien und die USA – standen, war spätestens dann klar, als diese im Verlauf des nun rasch eskalierenden und bis 1921 andauernden Russischen Bürgerkriegs zugunsten der antikommunistischen «weißen» Truppen eingriffen. Die treibende Kraft hinter den Interventionen war Frankreich, das 1918 hoffte, damit die Ostfront gegen Deutschland reaktivieren zu können. Nach ersten kleineren Einheiten, die bereits im Frühjahr 1918 in russischen Häfen gelandet waren, wurden am 2. August des Jahres britische Marineverbände in Archangelsk und wenig später 35.000 amerikanische Soldaten im sibirischen Wladiwostok ausgeschifft. Auch japanische und tschechoslowakische Einheiten beteiligten sich an den bis 1920 fortgesetzten Interventionen. Zur selben Zeit starteten westliche Geheimdienstoperationen gegen die Bolschewiki. Vor allem britische Nachrichtendienste standen 1918 hinter einer Reihe von Attentaten und Putschversuchen. Am bekanntesten wurde das sogenannte «Lettische Komplott», bei dem der britische Geheimdienst MI 6 und das Außenministerium in London mithilfe der lettischen Wachmannschaften im August 1918 Lenin und Trotzki zu ermorden versuchten.[4]

Die Hauptwaffe gegen die Bolschewisierung Europas hatte Wilson allerdings in seiner neuen Weltordnung gesehen, in die bis zum Friedensschluss in Brest-Litowsk zunächst Lenins «Neues Russland» eingebunden werden sollte. Für den Völkerbund als wichtigste Institution der geplanten globalen, theoretisch gleichberechtigten Neuordnung fand sich allerdings selbst in den USA keine Mehrheit. Wilson und die Demokraten erlitten bei den Wahlen im November 1920 eine gravierende Niederlage, und mit ihr kippte das Konzept des «Internationalismus» (Internationality). «Wir streben keine Beteiligung daran an, die Schicksale der Welt zu lenken», verkündete sein Nachfolger Harding in seiner Antrittsrede 1921.[5] Bis weit in die Dreißigerjahre konzentrierte man sich deutlicher auf innenpolitische Probleme. In der Außenpolitik herrschte zwar eine «isolationistische» Grundposition. Gleichwohl engagierten sich die USA auch in der Zwischenkriegszeit in internationalen Sicherheitsfragen.

Während die 1922 gegründete «Union der sozialistischen Sowjetrepubliken» (UdSSR) von Deutschland, dem großen Verlierer des Ersten Weltkriegs, diplomatisch anerkannt wurde, entschieden sich die USA erst 1933 unter Franklin D. Roosevelt zur Aufnahme von offiziellen Beziehungen. Im August 1920 fasste ein von Präsident Wilson abgezeichnetes Memorandum die Gründe für die Skepsis Washingtons zusammen: «Es ist für die Regierung der Vereinigten Staaten nicht möglich, die gegenwärtigen Machthaber in Russland als eine Regierung anzuerkennen, mit der Beziehungen wie zu anderen befreundeten Regierungen fortgesetzt werden können. […] Entgegen seinem Willen ist die Regierung der Vereinigten Staaten davon überzeugt worden, dass das gegenwärtige Regime in Russland auf der Negation aller Prinzipien von Ehre und gutem Glauben aufbaut […].»[6] Die Ablehnung der Bolschewiki war auch unter den folgenden US-Regierungen Konsens und wurde auch von Wilsons Nachfolgern, den Präsidenten Harding, Coolidge und Hoover, unverändert mitgetragen. Sie folgten Wilson ebenso in seiner Auffassung, dass die Diktatur in der Sowjetunion, wie alle undemokratischen Regierungen, im Grunde genommen schwach sei, da ein tiefer Gegensatz zwischen Führung und Bevölkerung bestehe. Vom republikanischen Abgeordneten Elihu Root kam 1921 sogar die Forderung, Russland müsse aus der Gemeinschaft zivilisierter Staaten ausgeschlossen werden, wenn es nicht in der Lage sei, sich seiner undemokratischen Regierung selbst zu entledigen.[7] Im selben Jahr wurde Russland auch nicht mehr zur Abrüstungskonferenz in Washington eingeladen.

Probleme resultierten nicht nur aus den unterschiedlichen Weltanschauungen. Weitere Schwierigkeiten ergaben sich aus der von den Bolschewiki verweigerten Kredittilgung und der fehlenden Entschädigung für die Enteignung amerikanischer Firmen. Seit 1922 unterhielt Washington allerdings eine kleine Gesandtschaft in der lettischen Hauptstadt Riga, die regelmäßig über die Sowjetunion berichtete. Diese bis zur sowjetischen Annexion Lettlands 1940 erstellten Meldungen der «Rigaer Sektion» hatten bereits deutlichen Einfluss auf den späteren Kalten Krieg.[8] George Kennans Anschauungen über die Sowjetunion und den Kommunismus, die zusammen mit den Erfahrungen in seiner Moskauer Zeit ab 1933 dann Grundlage für seine 1946 vorgelegten einflussreichen Ideen zu einer «Eindämmungspolitik» gegenüber der UdSSR wurden, waren hier geprägt worden. So vermerkte er 1944 nicht nur, es sei für den Westen wichtig zu begreifen, dass die Kommunisten im Kreml ebenso expansiv seien wie die Zaren,[9] sondern riet gleichzeitig seinem Vorgesetzten, Botschafter Averell Harriman, der später zum außenpolitischen Berater Trumans berufen wurde, man solle die US-Bevölkerung schon jetzt psychologisch darauf vorbereiten, dass die UdSSR der kommende Feind der Vereinigten Staaten werde.[10] «Heimgekehrt in die komfortablen Westgrenzen des guten Zaren Alexej», hieß es auch in Kennans Memorandum vom Mai 1945, «konnte der Bolschewismus gefahrlos die russischen politischen...

Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Cover1
Titel3
Zum Buch2
Über den Autor2
Impressum4
Widmung5
Inhalt7
1. Der Weg in den Kalten Krieg 1917–194528
Der Ost-West-Konflikt: Im Jahrhundert der Ideologen28
Die Anti-Hitler-Koalition im Zweiten Weltkrieg33
Markierung der Fronten: Der Bruch der alliierten Koalition 1944/4540
Globale geopolitische Vorentscheidungen: Die Sicherung von Räumen48
Mobilisierung für den Kalten Krieg: Die Sicherung von Ressourcen58
2. Strategien für eine totale Auseinandersetzung 1945–194767
Die Befreiung vom Kommunismus67
Der Kalte Krieg als globaler Klassenkampf72
Krieg der Weltordnungen76
Die Idee der Kollektiven Sicherheit84
3. Die Teilung der Welt 1948–195589
Die Krisen in Berlin, Jugoslawien und Korea89
Die Formierung der Blöcke98
China: Eine dritte Weltmacht entsteht106
Blockfreiheit und Neutralität110
4. Eskalation und Stilllegung in Europa 1953–1956117
Aufstände im Ostblock 1953 –1956117
Die Doppelkrise in Ungarn und Suez 1956125
Die Zäsur: Die Zweite Berlinkrise und der Mauerbau1958–1961129
Auf Eis gelegt138
5. Eine Welt in Waffen145
Atomwaffen und Rüstungswettlauf145
Den Nuklearkrieg denken158
Der Krieg der Geheimdienste165
Die Technik des Kalten Krieges178
6. Gesellschaften im Dauerkonflikt188
Sich einrichten im Kalten Krieg188
Mentalitäten im Atomzeitalter200
Proteste gegen den Kalten Krieg217
Kalter Bürgerkrieg: Die Feinde und die Freunde227
Revolutionäre Bewegungen, Freiheitskämpfer, Terrorismus237
7. Krieg der Kulturen247
Amerikanisierung – Sowjetisierung – Nationalismus247
Apokalypse und Satire: Literatur, Comic, Film256
Unterhaltung als Waffe: Radio, Fernsehen, Musik269
Schaufenster oder Feindbild: Kunst, Architektur, Sport278
Religionen im Kalten Krieg und der Aufstieg des politischenIslam288
8. Wirtschafts- und Sozialpolitik in der Systemkonkurrenz297
Technologisch-wirtschaftliche Konkurrenz und Kooperation297
«Die Bataillone der besseren Sozialleistungen»305
Entwicklungshilfe als Waffe314
Erdöl: Die Waffe der Dritten Welt327
9. Schauplatzwechsel 1961: Krieg in der Dritten Welt337
Der Vietnamkrieg und seine «Nebenkriegsschauplätze»337
Der chinesisch-sowjetische Konflikt348
Stellvertreterkriege: Afrika, Süd- und Mittelamerika356
Kriege der Blockfreien364
Am Rand des Atomkriegs: Die Kubakrise 1962374
10. Entspannung und Abrüstung 1953–1981381
Der «Geist von Genf»381
Friedliche Koexistenz, Strategie des Friedens und Neue Ostpolitik386
Abrüstungskonferenzen395
Die Schlussakte von Helsinki402
11. Afghanistan und Krieg der Sterne: Die Rückkehr zur Konfrontation seit 1978410
Der sowjetische Einmarsch in Afghanistan410
Reagan und die konservative Wende in den USA416
Die Rückkehr der Konfrontation nach Europa421
Öffentliche Meinung und die neue Rolle der Friedensbewegung429
12. Der «Gorbatschow-Faktor»: Die Auflösung des Ostblocks 1985–1991437
Gorbatschow und das «Neue Denken»437
Kampf um Bürgerrechte und Demokratie442
Die Vereinigung Deutschlands452
Der Gegner verschwindet459
Ein Nachkrieg463
Anhang479
Abkürzungen479
Anmerkungen487
Bildnachweis520
Namenregister521

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