Einleitung
Unsere Kinder … sollten mit Grundkenntnissen über die Lagerung von Nahrungsmitteln für den Winter ohne Unterstützung eines Atomkraftwerks in 100 Kilometern Entfernung heranwachsen. Jedem Tier im Wald wird diese Fähigkeit beigebracht; das sind wir unseren Kindern in jedem Fall auch schuldig.
Jerry Minnich
»Nahrungsmittellagerung ohne Strom«, Countryside
Naturkeller sind heute noch genauso nützlich wie früher. Genau genommen sind Naturkeller in all ihren Varianten heute ebenso angesagt wie morgen, da die Nahrungsmittel- und die Energiepreise für die Lebensmittelproduktion mit jedem Jahr weiter ansteigen.
Der Begriff »Naturkeller«, so wie wir ihn hier verwenden, umfasst die ganze Bandbreite der genialen Gemüselagerungstechniken, von Höhlen in den Bergen bis hin zu Gräben im Garten. Der traditionelle Naturkeller ist ein unterirdischer Lagerraum für Obst und Gemüse. Wo Platz und Lage es erlaubten, wurden diese Keller in einen Berg gegraben und dann mit Ziegeln, Steinen oder Betonsteinen ausgekleidet. Traditionell besitzt ein solcher Lagerraum einen Lehmfußboden, doch auch die weniger malerischen Kellerräume mit isoliertem Fußboden sind weit verbreitet.
Da der Zweck dieses Buches darin besteht, Ihnen zu helfen, möglichst viele unverarbeitete Gartenerzeugnisse zu lagern, werden wir auch Vorschläge für dezentrale Lagertechniken in Garagen, auf Veranden, in eingegrabenen Kisten und sogar direkt im Garten beschreiben sowie Hinweise geben, wie Sie Ihre Familie während des Winters mit frischem Grüngemüse versorgen können, auch wenn Sie kein Gewächshaus besitzen.
Was bringt Ihnen ein Naturkeller? Einfach Folgendes: Er ermöglicht es Ihnen, im Dezember frischen Endiviensalat zu genießen; im Januar zarten, schmackhaften Chinakohl; im Februar saftige Äpfel; im März knackige, frische Karotten; im April feste, nicht gespritzte Kartoffeln – und das alles, ohne einzukochen, ohne Gemüse zu blanchieren oder Gefrierbeutel zu füllen. Ein Naturkeller kann Ihnen Zeit, Geld und Zubehör sparen. Das fand ich in dem Sommer heraus, als wir mit unserem Hausbau begannen. Als wir in jenem Jahr unseren Garten planten, sah ich mich mit der Tatsache konfrontiert, dass ich als Zimmermannsgehilfin zu beschäftigt gewesen war, um die Gartenerzeugnisse einzufrieren oder einzukochen. Deshalb pflanzte ich Gemüse – wie zum Beispiel Tomaten und Mais – an, das wir im Laufe des Sommers frisch verzehren konnten, und anderes – wie Pastinaken, Karotten und viele Kohlarten –, das ich im Herbst ernten und in unserem kühlen Keller für den Verzehr im Winter lagern konnte. Dieser aus der Not geborene Plan funktionierte bestens. Unsere Gas- und Stromrechnungen fielen deutlich niedriger aus, weil ich keine riesigen Wasserkessel zum Einkochen erhitzen musste. Ich steckte nicht so viel in den Gefrierschrank und musste deshalb keine neuen Deckel für Einmachgläser und auch keine Gefrierbeutel kaufen.
Darüber hinaus stellten wir fest, dass die Gemüselagerung uns zu einer ganz anderen, jahrhundertealten jahreszeitlich bedingten Ernährungsweise veranlasste. Wir schätzten die Erbsen im Juni wirklich, weil wir wussten, dass wir sie im Januar nicht zur Verfügung haben würden. Im Herbst, wenn der Frost das Gras wie Edelsteine funkeln ließ und das Schwein schlachtreif war, freuten wir uns auf den kräftigen, erdigen Geschmack der Steck- und Kohlrüben, der Roten Beete, Karotten und Pastinaken. Ich will damit nicht behaupten, dass ich das Einkochen und Einfrieren ganz aufgegeben hätte. Ich würde meinen Gefrierschrank ehrlich vermissen, und unser Lieblingseingemachtes – Tomaten, Essiggurken, Ketchup und Pfirsiche – ist ein Muss. Aber ich sehe nicht ein, dass ich mehr Lebensmittel verarbeite als notwendig – vielleicht aufgrund irgendeines Hamsterinstinkts, der mir im August ständig ins Ohr flüsterte: »Sorge vor, sorge vor.« Inzwischen setze ich diesen Impuls zufriedenstellender um, indem ich einen sorgfältig geplanten Vorrat an haltbarem Gemüse anlege, der unsere Mahlzeiten im Januar ebenso besonders macht wie diejenigen, die wir im Juli genießen.
Gestern Abend bin ich zum Beispiel mit einem Korb in unseren Keller gegangen, um die Zutaten für das Abendessen »einzukaufen«. Fünf Kartoffeln, schmutzig, aber noch fest, bedeckten den Boden des Korbs. Eine Handvoll Karotten und eine riesengroße Rote Beete kamen obenauf. Gutes, einfaches Wurzel- und Knollengemüse – genau das, was man in einem Naturkeller erwartet. Aber es gab noch mehr. Auf dem Speiseplan stand Salat, deshalb tat ich auch einen langen, festen Kopf Chinakohl und einen rosaroten knackigen Rettich in den Korb. Da ich schon einmal im Keller war, schaute ich fröstelnd, weil ich mich außerhalb der Reichweite des Holzofens befand, kurz nach den Chicoréetrieben, die in einer mit Erde gefüllten Kiste an der Wand wachsen. Es sieht so aus, als könnte es nächste Woche Chicoréesalat geben. Auf dem Weg die Stufen hinauf nahm ich eine Zwiebel aus dem Netz, das über der Treppe hängt.
Während ich die Kartoffeln schrubbte und die Chinakohlblätter klein schnitt und in eine Salatschüssel gab, dachte ich über diesen direkten, erdverbundenen und zutiefst befriedigenden Zusammenhang zwischen unseren Anstrengungen im Garten und unserem Bedarf an frischen, gesunden Nahrungsmitteln im Winter nach. Das einfache Leben? Ich vermute, so könnte man es nennen. Es ist einfach eine Frage der Planung, des Düngens, des Pflanzens, des Jätens, des Gießens, des Jätens, des Jätens und Jätens, schließlich des Erntens und Einlagerns. Für die kommende Nacht ist Schneefall vorhergesagt, starker Schneefall, der über die Straße treiben und das Autofahren schwierig machen wird. Aber ich muss jetzt nicht panisch zum Laden düsen, um Lebensmittel einzukaufen, die uns über die Runden bringen. Wir können zu Hause bleiben und vor dem Kamin Walnüsse aufknacken.
Und dann gibt es die kleine Stelle in unserem Hinterkopf, die uns gelegentlich sagt: »Was wäre, wenn?« Was wäre, wenn die Wirtschaft auf den Tiefpunkt absackt, den manche Prognostiker voraussagen? Was wäre, wenn der elektrische Strom unerschwinglich wird? Was wäre, wenn wir keinen Gefrierschrank hätten? Kämen wir ohne zurecht? Wir sind sicher, dass uns unser Naturkeller – nach schwerer Arbeit, sorgfältiger Planung und fleißiger Gartenarbeit – durchbringen würde.
Die Gemüselagerung muss nicht auf die alten Allerweltssorten beschränkt bleiben: Karotten, Kartoffeln und Rüben. Mit einem wirklich gut geplanten Programm zur Gemüselagerung können Sie mitten im Winter Chicorée verzehren, an Weihnachten, wenn die Erde draußen steinhart gefroren ist, frische Tomaten genießen, Nüsse, Äpfel, Pfirsiche und Süßkartoffeln essen und an Thanksgiving, also Ende November, in Ihrem Früchtebecher sogar Cantaloupemelonenstücke servieren.
Diese Kohlenhydrate in einfachen, alten Gemüsesorten werden heutzutage in einem neuen Licht betrachtet. Sie sind keineswegs nur kostengünstige Sattmacher, denn komplexe Kohlenhydrate, wie die in Gemüse nachgewiesenen, sind wertvoller, als wir bislang geglaubt haben.
Wie festgestellt wurde, enthalten manche Gemüsesorten tatsächlich antitoxische Substanzen. Die Ballaststoffe helfen, den Cholesterinspiegel im Blut zu kontrollieren, sie beugen Darmkrebs vor und regulieren den Blutzuckerspiegel. Die in Gemüse enthaltenen Vitamine, vor allem die Vitamine A und C, sind neuerdings dafür bekannt, dass sie das Immunsystem ankurbeln. Die Vitamine C und E sind erwiesenermaßen Antioxidantien, die die freien Radikale effektiv deaktivieren, welche manche Wissenschaftler zumindest teilweise für den Alterungsprozess unseres Körpers verantwortlich machen. Die große und variantenreiche Gruppe der Kohlarten enthält Indole, Substanzen, die bei Tieren nachweislich die Bildung von Krebszellen verhindern. Zu diesen sogenannten Kreuzblütlergewächsen zählen Grünkohl, Brokkoli, Weißkraut, Rettich, Chinakohl, Rüben, Kohlrüben und Rosenkohl. Die in ihnen enthaltenen, das Tumorwachstum hemmenden Bausteine wirken besonders effektiv, wenn das Gemüse roh verzehrt wird. Sollten Sie in Ihrem Gefrierschrank einen Schinken liegen haben, dann müssen in Ihrem Naturkeller unbedingt Kohl und Rettich gelagert sein! Und wenn Ihr Konservenregal gut bestückt ist, brauchen Sie frisches Rohgemüse, um für die wertvollen, wenn auch noch nicht gänzlich erforschten Enzyme zu sorgen, die in gekochten oder verarbeiteten Lebensmitteln nicht enthalten sind.
Manche Nahrungsmittel im Naturkeller besitzen eindeutig nachgewiesene gesundheitsfördernde Eigenschaften. Zwiebeln und Knoblauch senken erwiesenermaßen den Cholesterinspiegel im Blut. Das in Äpfeln, Quitten, Orangen, Trauben und Tomaten enthaltene Pektin wirkt ebenfalls cholesterinsenkend. Und Knoblauch, häufig auch halb im Scherz »russisches Penizillin« genannt, schützt vor Infektionen, weshalb es ratsam ist, ihn während der kalten Grippesaison stets zur Hand zu haben.
In den vergangenen 100 Jahren ist der Verbrauch an tierischen Fetten, Fleisch und Zucker derart angestiegen, dass diese Nahrungsmittel inzwischen häufig den größten Teil unseres Kalorienbedarfs decken. Das ist angesichts der Abhängigkeit der Menschheit über die Jahrtausende hinweg von pflanzlichen Nährstoffen nicht nur eine unnatürliche Ernährung, sondern auch eine ungesunde. Gemüse ist weit mehr als nur Beilage. Es enthält Vitamine und Ballaststoffe und regt, roh verzehrt, die Produktion notwendiger Verdauungsenzyme an; außerdem ist der Kauvorgang von Nutzen.
Selbst wenn Sie nur einen kleinen Garten besitzen, können Sie die Techniken der Gemüselagerung nutzbringend einsetzen. Falls Sie in der...