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E-Book

Psychologie mit Psi

AutorJule Eisenbud
VerlagS. Fischer Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl378 Seiten
ISBN9783105616833
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
Der bekannte Psychiater und Psychologe Jule Eisenbud war einer der ersten, die Gedankenübertragung und andere Psi-Fähigkeiten als Kommunikationsmittel erkannt und sie als wesentliche Faktoren in die Psychoanalyse einbezogen haben. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Jule Eisenbud (1908-1999) war ein US-amerikanischer Psychiater und Psychologe.

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Leseprobe

2 Die geschlossene Entsprechung


Wir wollen einmal annehmen, daß wir uns über das »Faktum« einer Entsprechung zwischen bestimmten beobachteten Ereignissen einig sind, wobei wir immer berücksichtigen müssen, daß (wie dargelegt) die »Faktizität« einer solchen Entsprechung ganz und gar eine Sache der Übereinkunft zwischen den interessierten Parteien ist und daß wir letztlich zugeben müssen, daß die Regeln, die uns beim Erstellen von Entsprechungen leiten, bestenfalls Notbehelfe sind.

Die Frage ist jetzt nicht »Welche Bedeutung hat diese Entsprechung?«, denn das hieße, daß »Bedeutung« tatsächlich ein Aspekt von Ereignissen wäre, eine Dimension, die selbstverständlicher Teil solcher Ereignisse ist, die uns auf vage Weise miteinander verbunden scheinen, ein Etikett auf einer Beziehung, das nur wahrgenommen und gelesen werden muß. Die Frage ist vielmehr: »Welche mögliche Bedeutung hat die Entsprechung, die wir hergestellt haben für uns?« Mit anderen Worten: Welche weiteren Konsequenzen können wir aus den Abstraktionsvorgängen ziehen, die wir vorgenommen haben? Werden sie uns zu anderen Beziehungen, zu anderen Entsprechungen führen und schließlich zu dem, was wir »Erklärung« nennen? Kurz, werden sie die Einführung neuer und – für uns – bedeutungsvoller Elemente in die Ausgangsdaten erleichtern, von denen die anfängliche Entsprechung abstrahiert und aufgestellt wurde, oder nicht?

Was wir aus unserer Entsprechung herausholen können, hängt ganz davon ab, was wir in sie hineinlegen. Eine Entsprechung besitzt keine Eigenaktivität, sie kann nichts von sich aus unternehmen, und folglich endet sie auch dort, wo sie beginnt – nämlich bei uns. Wenn wir nichts weiter mit der Entsprechung anfangen, als sie aufzuzeigen und einfach als merkwürdigen Zufall anzusehen, dann ist es vorbei mit ihrer Bedeutung. Wir können nicht sagen, daß sie eine Bedeutung besitzt oder besitzen könnte, die wir nur nicht wahrgenommen oder richtig eingeschätzt haben. Die Entsprechung existierte ja gar nicht, bevor sie durch unsere Beobachtung, unseren intuitiven Abstraktionsakt, ins Leben gerufen wurde. Aus dem gleichen Grund hat sie auch keine »Bedeutung an sich«, wenn sie einmal aufgestellt ist. Was wir nicht im Verlauf unserer Maßnahmen und Überlegungen in die Situation einführen, ist – so kann man sagen – einfach nicht vorhanden.

Man kann einwenden, daß die Einführung dieses »psychozentrischen« Aspekts die Grundlagen unseres gesamten Zugangs zur objektiven Realität in Frage stellt. Man könnte argumentieren: Entweder ist etwas dran an dieser sogenannten Entsprechung – oder nicht. Wenn etwas da ist, dann existiert es unabhängig davon, ob wir es entdeckt haben oder nicht; wenn nichts da ist – wenn das, was wir beobachtet haben, nur ein »rein zufälliges Ereignis« darstellt –, dann können wir auch mit noch so scharfsinnigen Denkleistungen nichts daran ändern.

Was können wir diesem Argument entgegensetzen? Betrachten wir die Fälle von Übereinstimmung, die sich innerhalb einer geschlossenen Situation von vergleichbaren Träumen (oder Träumen mit »Querverbindungen«) zeigen. Wenn wir tatsächlich beim Vergleich zweier Träume einzelne Elemente als einander entsprechend zusammenfassen können, so müssen wir nun nach Hypothesen suchen, die uns helfen könnten, dieses Vorgehen zu begründen.

Es gibt drei Hypothesen, die anscheinend alle Möglichkeiten umfassen: 1. eine bestehende Entsprechung ist rein zufällig; 2. die Träumer waren, unabhängig voneinander oder nicht, den gleichen Einflüssen unterworfen (das setzt bestimmte, zumindest latent vorhandene Archetypen des Denkens, der Symbolik und ähnlichem voraus); 3. es findet eine Art von Kommunikation zwischen den Träumern statt, die für die Entsprechung verantwortlich ist.

Die Zufallshypothese wird im Zusammenhang mit Entsprechungen der hier behandelten Art am häufigsten angeführt, und in diesem Kapitel werden wir uns vor allem mit dieser Hypothese befassen. Natürlich wird dabei angenommen, daß das Auftreten eines jeden Elements in einem Traum determiniert ist entsprechend den üblichen Gesetzen psychischer Funktionen. Die Frage der Zufälligkeit bezieht sich nur darauf, ob sich Faktoren aufzeigen lassen, durch die das determinierte Auftauchen eines bestimmten Elements in dem einen Traum zu dem gleichfalls determinierten Auftauchen in dem anderen in Beziehung gesetzt werden kann.

Eine Möglichkeit, dies festzustellen, wäre die Konstruktion eines empirisch abgeleiteten Modells, mit dessen Hilfe wir die Beziehung von zwei oder mehr unabhängig voneinander auftretenden Traumereignissen auf einer Wahrscheinlichkeitsbasis abschätzen könnten. Dazu müßten wir einen Katalog all der Elemente (Objekte, Ideen, Handlungen, Eigenschaften) aufstellen, die in einer ausreichend großen Zahl von Träumen einer repräsentativen Zufallsstichprobe von Personen vorkommen. Dann wäre es möglich, durch einfaches Abzählen die relative Häufigkeit des Auftretens einzelner Punkte zu bestimmen, die in den manifesten Inhalten dieser Traumsammlung vorgekommen sind. Durch unser Wissen über das Entstehen von Träumen würden wir – wie schon erwähnt – annehmen, daß das Auftauchen eines jeden Details auf unserer Liste ein determiniertes Ereignis darstellt. Unter den Bedingungen unseres Experiments würden wir dann außerdem annehmen, daß das Auftauchen eines bestimmten Details in zwei oder mehr Träumen eine Zufallsübereinstimmung darstellt (abgesehen von bestimmten ganz normalen Erklärungsmöglichkeiten, die in Betracht gezogen werden müßten). Wenn wir dann angeben wollen, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein bestimmter Inhalt rein zufällig in verschiedenen Träumen von zwei voneinander unabhängigen Personen auftreten kann, so würden wir einfach abzählen, wie oft dieser Punkt in dem Inhaltskatalog unserer Träume erscheint. Es wäre denkbar, daß sich mit einer passenden Formel, die entwickelt werden müßte, diese Wahrscheinlichkeit in recht verläßlichen Grenzen bestimmen ließe.

Doch diese einzige quantitative Methode, die überhaupt durchführbar zu sein scheint, hat ihre Schwierigkeiten. Zunächst sind nur wenige Traumereignisse wiederholter Beobachtung zugänglich, die aber notwendig ist, um der vorgeschlagenen Art der Wahrscheinlichkeitsbestimmung operationale Validität[2] zu geben.

Zweitens wäre auch die Gesamtheit aller manifesten Elemente aller in der Menschheitsgeschichte geträumten Träume nicht mit der Gesamtheit von Ereignissen identisch, zwischen denen die Entsprechungen des Typus, um den es uns geht, aufgestellt werden, nämlich die weitreichenden latenten Gedanken.

Betrachten wir das eine Beispiel aus dem vorigen Kapitel: die Träume zweier Patienten, in denen jeweils blaue Eßteller am Strand in zwei Teile zerbrachen. Hier haben wir einen so »geschlossenen« Typus einer Wahrscheinlichkeitssituation, wie wir ihn uns nur wünschen können; zugleich eignen sich die Elemente »Strand« und »Teller« sehr gut für einen Vergleich. (Dabei bilden die beiden Elemente »blau« und »in zwei Teile zerbrochen« eine Entsprechung für sich.)

Vor einigen Jahren stellte ich einen Katalog von über sechzehnhundert Traum-Items auf, aus verschiedenen Träumen von zweihundert in den verschiedensten Gegenden wohnenden Personen. Dabei zeigte sich, daß man nach vorsichtiger Schätzung (auf die zugrunde liegende statistische Methode möchte ich hier nicht näher eingehen) im Durchschnitt mindestens anderthalb Millionen Träume zufällig zusammentragen müßte, bevor man erwarten kann, einen zu finden, der etwas Passendes zu den Punkten unserer Entsprechung liefern würde – und zwar in Form von einzeln auftauchenden Elementen, nicht unbedingt verbunden wie in unserem Beispiel.

Die Frage ist jedoch: Was können wir daraus schließen? Was sagt diese Information über das Wesen der vorliegenden Entsprechung aus? Daß sie kein Zufallsereignis ist?

Die beiden Patienten, um die es ging, kannten sich nicht, und ihre Analysestunden bei mir lagen weit auseinander. Im Zusammenhang mit der Frage, wie es dazu kam, daß sie in derselben Nacht derart ähnliche Träume hatten, war keine der Hypothesen haltbar, die ich aufzustellen versuchte, weil keine durch weitere Hinweise gestützt wurde. Mehr noch, keine meiner Hypothesen (einschließlich der Psi-Hypothese, um deren Erforschung und Anwendung es in diesem Buch geht, und auf die wir gleich kommen werden), konnte einen Anhaltspunkt liefern, der in bezug auf die mutmaßliche Verhaltensdynamik der betreffenden Patienten in irgendeiner Weise aufschlußreich oder fruchtbar gewesen wäre, nicht einmal auf der Ebene reiner Spekulation.

Geht man deshalb von unserem ursprünglichen Ziel aus, nämlich eine spezifische Hypothese zu finden, mit deren Hilfe verschiedene Gruppen von Daten so aufeinander bezogen werden können, daß sich ein Sinn für uns ergibt, dann bleibt die Entsprechung zwischen den Träumen meiner Patienten reiner Zufall, isoliert und bedeutungslos trotz aller Auffälligkeit.

Nun kann man durchaus den Standpunkt vertreten, daß mein Unvermögen, weitere relevante Informationen aufzudecken, nicht notwendig ein Zeichen für die Zufälligkeit dieser Entsprechung zwischen den Träumen meiner Patienten ist. Andererseits ist auch nicht zu widerlegen, daß das Geschehene möglicherweise Ergebnis rein zufälliger Ursachen ist (auch beim Würfeln etwa ergeben sich oft höchst unwahrscheinliche Kombinationen und Abfolgen), und es läßt sich nicht nachweisen, daß meine Unfähigkeit, mit der Entsprechung etwas anzufangen, nur ein Zeichen dafür ist,...

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