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Und was, wenn alle merken, dass ich gar nichts kann?

Über die Angst, nicht gut genug zu sein. Das Impostor-Phänomen

AutorSabine Magnet
Verlagmvg Verlag
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl224 Seiten
ISBN9783961210855
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis12,99 EUR
Warum so viele Menschen ihre Fähigkeiten unterschätzen - das Impostor-Phänomen So viele Menschen wissen nicht, wie großartig sie eigentlich sind. Allen Gegenbeweisen zum Trotz haben sie permanent das Gefühl, Versager zu sein. Sie sind felsenfest davon überzeugt, dass ihre Erfolge nichts mit ihren Fähigkeiten zu tun haben, sondern lediglich Zufallsprodukte sind. Diesen Zustand nennt man Impostor-Phänomen. Doch nicht genug damit, dass sich die Betroffenen für Hochstapler halten, die Kompetenz nur vortäuschen. Sie leben auch in der ständigen Angst, dass herauskommen könnte, dass sie gar nichts können. Und das, obwohl sie eigentlich intelligent, gut ausgebildet und hoch motiviert sind. Wissenschaftlich fundiert und zugleich durch viele Beispiele untermauert beschreibt Sabine Magnet das Impostor-Phänomen in all seinen unterschiedlichen Ausprägungen und Facetten. Anschaulich und unterhaltsam erklärt sie, woher die Angst, nicht gut genug zu sein, kommt, und zeigt Lösungswege auf, wie man trotz des Gefühls, eine Mogelpackung zu sein, gut durchs Leben kommt.

Sabine Magnet studierte Kommunikationswissenschaft, Politik, Soziologie und Spanisch an der Ludwig Maximilians-Universität München und absolvierte eine Ausbildung an der Deutschen Journalistenschule. Seit 2005 veröffentlicht sie journalistische und literarische Texte auf Deutsch und Englisch und lebt davon ziemlich gut. Dennoch hatte sie manchmal das Gefühl, dass ihr Erfolg nicht ihr eigener Verdienst sei, sondern Zufall, Glück oder eine Verwechslung. Dieser Sache wollte sie auf den Grund gehen - so entstand dieses Buch.

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Leseprobe

KAPITEL 2


TOTAL INDIVIDUELL


Impostors wie du und ich


Josef war ein super Schüler. Er kann sich nicht erinnern, dass er in irgendeinem Fach schlecht war, und das ohne dass er sich viel Mühe gab. Geschichte ist sein Steckenpferd, er las schon früh die alten Meister. Ein nachdenklich-grüblerischer Junge sei er gewesen, manchmal ein bisschen melancholisch. Durchs Gymnasium ist er so durchgerutscht, sein Abitur machte er mit 1,7. Es folgte eine kurze Phase der Niedergeschlagenheit. »Depression wäre jetzt zu viel gesagt. Ich fühlte mich orientierungslos in all dieser Wirtschaftlichkeit der Welt.« Aus Ratlosigkeit fing er an, Geschichte und Politik zu studieren, inhaltlich gefiel ihm das gut. Aber die neue Umgebung war hart. Plötzlich fand alles auf einem anderen Niveau statt, und, wie Josef süffisant anmerkt, »du verlierst dein Alleinstellungsmerkmal«. Jetzt gab es viele wie ihn, die alle mal mehr oder weniger grüblerische Einser-Schüler waren und die alten Meister gelesen hatten. »All diese schlauen Menschen um einen herum. Ich hatte das Gefühl, dass alle schlauer sind als ich.« Das Problem sah Josef aber nicht nur in seiner vermeintlich minderen Intelligenz, sondern auch in seiner mangelnden Methodik. »Mir ist in der Schule vieles so leichtgefallen, dass ich das Lernen gar nicht gelernt habe.«

Josef ist ein großer Mann von Anfang vierzig, mit gutem Style und guten Manieren, der sich selbst nicht so ernst nimmt. Nach zwanzig Minuten Gespräch fragt er mich besorgt: »Ich bin mir nicht sicher, ob ich dir mit alldem überhaupt weiterhelfe. Geht das denn überhaupt in die Richtung, die dich interessiert?« Ich muss schmunzeln. »Doch, doch«, sage ich, »hört sich gut an.« Das beruhigt ihn, und er plaudert weiter. Seine Klugheit merkt man in den Witzen, die er macht. Über sich, über andere, über die Welt. Aber während des Studiums war er phasenweise gar nicht so gut drauf. Dafür gab es keinen richtigen Grund, es waren mehr die ständigen Verunsicherungen, die nur ihn zu treffen schienen, »alle anderen sind immer so selbstbewusst aufgetreten«. Er bekam mehrere Absagen auf seine Praktikumsbewerbungen bei der EU, und obwohl er wusste, dass er keine Referenzen hatte, fühlte er sich seltsam, so als Einziger ohne Praktika.

Dazu muss man wissen: Das war in den Neunzigern. Wer da kein Praktikum machte, galt als asozial. Alles wurde auf einmal digital, der Dotcom-Wahn griff um sich, und die Leute fragten Josef völlig irritiert, warum er denn um Himmels willen Geisteswissenschaften studiere, wo doch jeder wisse, dass man damit nur eines werden konnte: Taxifahrer. Seine Zweifel wuchsen, hielten ihn die Nacht durch wach. »Ich habe gar nicht gesehen, was ich kann, beziehungsweise habe ich das, was ich kann, als normal vorausgesetzt.« Also als etwas, das jeder beherrscht. Auf meine Frage, wie er denn die Uni abgeschnitten habe, antwortet er: »Das hab ich ganz gut gemacht, aber ich war eben nicht brillant.« Was das als Note bedeutet, frage ich nach. »1,7«, sagt Josef. Und schiebt nach: »Aber das fiel mir nicht so leicht.«

Nach dem Abschluss fing er bei einem Sportartikelhersteller in der PR an. Da sei er »irgendwie reingekommen« und war nicht mal ein Jahr da, weil ihn eine Agentur abwarb, wo er acht Jahre arbeitete. »Ich bin da so ein bisschen nach oben gestolpert. Einmal ging der Vorgesetzte, einem anderen wurde der Vertrag nicht verlängert.« Der Job gefiel ihm, aber er kam sich mitunter seltsam vor. »Ich kam von der Uni, hatte mich mit Nietzsche, Platon und Co. auseinandergesetzt, und auf einmal war ich in der kafkaesken Welt von betrieblicher Perfektion. Da ging es um Onlinemarketing, und ich dachte: Ich kann das hier gar nicht. Worum geht es überhaupt? Ich habe nicht verstanden, worüber die überhaupt sprechen. Heute weiß ich, da wird auch ganz viel Schaumschlägerei betrieben.«

Dann bekam Josef ein Angebot, das sich verlockend anhörte: eine Führungsposition in einer bekannten Nichtregierungsorganisation, ein tolles Projekt mit einem Millionenetat, gut bezahlt. Allerdings musste er dafür umziehen. Aber es ging alles schief, was nur schiefgehen konnte. Das Projekt lief schon, als Josef kam, die Strukturen funktionierten nicht, das Team war zerstritten, unkollegial und machte Josef das Leben zur Hölle. Gerade die soziale Kälte machte ihm zu schaffen. »Das erste halbe Jahr war noch okay, im zweiten ging es mir an die Substanz, dann habe ich mich ganz oft hinterfragt und war öfter mal wie gelähmt. Das war vielleicht ein Scheißjahr.« Obwohl er panische Angst vor der Arbeitslosigkeit hatte, wurde der Leidensdruck so groß, dass er kündigte. Nicht einmal drei Monate später bekam er einen sehr guten Job in seiner Heimatstadt. Das Gefühl des Scheiterns konnte er aber nicht so leicht loswerden. Er fixierte sich stark auf seinen Chef, wollte seinen Job perfekt ausführen, litt unter Versagensängsten. Musste er einen Text verfassen, geriet er in Panik. »Ich dachte: ›Jetzt ist der Moment gekommen, an dem sich herausstellt, dass ich das nicht erfüllen kann.‹ Was absurd ist. Ich hatte noch nie in meinem Leben erlebt, dass ich etwas nicht zum festgelegten Zeitpunkt abgeliefert habe. Aber da hatte ich das Gefühl: Jetzt kommt diese neue Aufgabe, und jetzt merkt jeder, dass ich ein Schaumschläger bin.« An dieser Stelle senkt Josef seine Stimme, als würde er mir ein Geheimnis anvertrauen. »Dass ich die Ressourcen Wissen und Erfahrung, die ich ja habe, grundsätzlich zur Disposition stelle, infrage stelle in mir … Ich mache meinen Job ja seit vier Jahren. Da ist schon Routine drin. Es kommt jetzt punktueller. Es kann mich zwischenzeitlich immer wieder kalt erwischen, sodass ich denke: Was kannst du denn überhaupt?«

Josef meinte, dieser Zweifel hänge stark von seiner Gemütslage ab. Ich frage ihn, was er anfangs damit gemeint habe, dass er »nach oben gestolpert« sei. Ob das vielleicht damit zu tun gehabt habe, dass er gut in seinem Job war? »Doch, weil mir das jemand zugetraut hat«, antwortet er, dann fährt er nach einer kurzen Pause fort: »Genau. Ich mache mich gerade selber klein, aber es war eben so: Die Kollegin war weg, und ich wurde aufgefordert: ›Mach du’s!‹«, erklärt er. Ich schmunzle, und Josef sagt »Ich bin nicht sicher, ob ich in dein Muster passe.«

Ich weiß, was du meinst, aber so schlimm ist das bei mir nicht ...


Das Impostor-Phänomen ist kein offensichtliches und greifbares Leiden wie ein gebrochenes Bein. Man wird davon auch nicht befallen wie von einem Virus und wacht eines Morgens auf mit rasendem Herzen und dem Wissen, dass man nun eine Hochstaplerin ist. Nein. Es entwickelt sich über lange Zeit im Unterbewusstsein. Es schleust sich ein und infiltriert elegant. Wer, bitte, denkt denn schon bewusst Sätze wie »Ich bin eine Hochstaplerin« oder »Was ich hier mache, ist Betrug»? Die meisten Menschen haben eher ein ungutes Gefühl der Unzulänglichkeit. Sie tragen einen latenten Hauch der Panik in ihrem Bauch oder ihrer Brust oder einen klitzekleinen Kloß im Hals und werden sich oft erst dessen gewahr, wenn jemand über genau dieses Gefühl spricht. Oder wenn sie darüber lesen. Es ist kein Zustand, sondern ein Gefühlsvakuum, das mal stärker, mal schwächer sein kann oder nur in einem Bereich oder einer Situation auftritt.

Das Gefühl der Hochstapelei entsteht oft in einem jahrelangen Prozess. In dieser Zeit kann die Psyche das Impostor-Phänomen in aller Ruhe individuell »zuschneiden« (»customizing«), es an die eigenen Vorlieben und die Gegebenheiten anpassen und ein perfektes System etablieren, das sich selbst nährt und schützt. Das passiert natürlich unterbewusst. Das Impostor-Phänomen zeigt sich bei unterschiedlichen Menschen in unterschiedlicher Weise. Hier ein paar Beispiele:

Das Gefühl, wenn

du eine gute Abschlussnote für einen Zahlendreher hältst.

du der Überzeugung bist, dass du den Job nur bekommen hast, weil die Personalchefin dich so sympathisch fand.

du weißt, dass du überhaupt keine Ahnung von deinem Job hast, aber deine Vorgesetzten keine Ahnung haben, dass du keine Ahnung hast, und dir immer mehr Verantwortung geben, und du nicht checkst, wie man nicht checken kann, dass du nichts checkst.

eine Gehaltserhöhung dir ein schlechtes Gewissen macht, weil du eigentlich gar nicht so gut performst, wie alle denken.

du der Überzeugung bist, dass sie dir den Doktortitel aus Versehen verliehen haben – denn, Entschuldigung, wo kommen wir denn da hin, wenn jemand wie du einen Doktortitel bekommt? Deine Arbeit hat wahrscheinlich nur der Assi gelesen, und der hat nicht gemerkt, wie schlecht sie ist.

Branchenfremde deine Arbeit loben, und du dir denkst: Die haben halt keinen Schimmer.

du glaubst, du hättest deinen Platz in der Eliteausbildungseinrichtung nicht verdient, weil du die Aufnahmeprüfung erst im zweiten Anlauf geschafft hast.

dich jemand nach deiner Meinung zu einem juristischen Thema fragt und du überlegst, welchen Anwalt du anrufen könntest, dir aber beim Wählen der Telefonnummer einfällt, dass du ja selbst Jurist*in bist.

du behauptest, man hätte dich in den bekannten Workshop hineingecastet, weil »die einfach zu wenig Frauen hatten«.

deine Mutter dir sagt, sie sei stolz auf dich, und du denkst: »Das musst du ja sagen, du bist doch meine Mama.«

du eine Mega-Präsentation hinlegst, und dein erster Gedanke danach ist: »Das ist ja gerade noch mal gut gegangen.«

du dich...

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